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«A Whisker Away» - Wenn Netflix in Animes macht

Eine Geschichte über ein Mädchen, das sich als Katze verwandelt um ihrem Schwarm nahe zu sein - typischer Anime-Stoff, leider auch recht typisch aufbereitet.

Filmfacts: «A Whisker Away»

  • VÖ: Netflix
  • Laufzeit: 104 Min.
  • Genre: Romanze/Fantasy/Anime
  • Kamera: Shinya Matsui
  • Musik: Mina Kubota
  • Buch: Mari Okada
  • Regie: Jun'ichi Satô, Tomotaka Shibayama
  • Sprecher: Mirai Shida, Natsuki Hanae, Johnny Yong Bosch, Bob Buchholz, Kira Buckland
  • OT: Nakitai watashi wa neko wo kaburu (JP 2020)
Das asiatische Kino hat in den vergangenen Jahren auch hierzulande einen enormen Popularitätsschub erfahren. Daran sind nicht nur solche Kritiker- und späteren Publikumslieblinge wie der Oscargewinner «Parasite» Schuld, sondern auch die immer weiter um sich greifende Anime-Kultur. Früher wurden diese Filme allenfalls in Nischenslots im Privatfernsehen versendet. Heute erfahren limitierte Kinovorstellungen großer Anime-Starts wie «Your Name» oder «Weathering with you» einen solchen Zuspruch, dass sie noch lange nach ihrer eigentlich anvisierten Kinolaufzeit in den Lichtspielhäusern gezeigt werden. «A Whisker Away», im deutschen Netflix auch unter dem Titel «Um ein Schnurrhaar» auffindbar, gehört nicht dazu. Sondern ist ein Original des Streaminganbieters, das – das muss man leider sagen – das Niveau handelsüblicher Netflix-Original-Mittelklasseware auffährt.

Getreu dem Motto „Die Zielgruppe wird’s schon schlucken!“ haben «Sailor Moon»-Regisseur Jun'ichi Satô und sein Kollege Tomotaka Shibayama (arbeitete an Anime-Klassikern wie «Chihiros Reise ins Zauberland» und «Das Mädchen, das durch die Zeit sprang» mit) das Pendant zu Filmen wie «Murder Mystery», «Love Wedding Repeat» und «The Perfection» kreiert: Tut alles nicht weh, bleibt aber auch nicht besonders lang in Erinnerung.

Kleine weiße Katze


Miyo Sasakis Spitzname „Muge“ bedeutet „unendlich mysteriös“. Sie ist lebendig und sowohl in der Schule als auch zu Hause ein reines Energiebündel. Insgeheim ist sie in ihren Mitschüler Kento Hinode verliebt. Wiederholt versucht sie, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, wird von ihrem Schwarm jedoch nicht beachtet. Eines Tages realisiert sie, dass ihre Verwandlung in eine Katze die einzige Möglichkeit ist, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch irgendwann verschwimmt die Grenze zwischen ihrer menschlichen Existenz und ihrem Katzendasein so sehr, dass sie ihr Leben als Mensch aufgeben muss.



Tut nicht weh, bleibt aber auch nicht im Gedächtnis


Um das noch einmal deutlich zu machen: «A Whisker Away» ist beileibe kein schlechter Film. Aber er bietet seinem Publikum eben nur das, was es von handelsüblicher Anime-Ware gewohnt ist – und eben auch schon vielmals in abgewandelter (und eben besserer) Form gesehen hat. Die Geschichte basiert auf klassisch japanischen Märchenursprüngen – Moral und Botschaft erweisen sich dann aber doch als überraschend konventionell. Die Idee von der Katzenmaske, mit deren Hilfe ein verliebtes Mädchen sich jeden Abend in einen weißen Stubentiger verwandelt, um auf diese Weise ihrem Schwarm nahe zu sein, unterfüttert Drehbuchautor Mari Okada («Maquia – Eine unsterbliche Liebe») mit asiatischer Mythologie.

Doch wie auch andere hochgelobte Filme wie etwa «Prinzessin Mononoke» eigentlich von recht geradlinigen Konflikten erzählen, die aller Effekthascherei zum Trotz durchschaubar aufgelöst werden (und angesichts des Meisterwerk-Status von «Prinzessin Mononoke» sind wir uns dieser provokativen Aussage durchaus bewusst. Allerdings herrschte in der Quotenmeter-Filmredaktion überraschende Einigkeit darüber, dass ein paar der beliebtesten Ghibli-Filme längst nicht so subtil sind, wie sie gemacht werden), ist auch «A Whisker Away» nur wenig überraschend, wenn es am Ende darum geht, versteckte Gefühle zu Gunsten gesellschaftlichen Ansehens und den Appell an mehr Selbstbewusstsein vorzuführen.

Wo im westlichen Kino Disney und Pixar zu den qualitativen Frontrunnern des Animationskinos gehören, nennt sich das asiatische Anime-Pendant Studio Ghibli. Als „exotisch“ lässt sich Filmwissen um die mittlerweile 22 Langspielfilme der Trickschmiede längst nicht mehr bezeichnen; mittlerweile hat jeder Filmliebhaber die großen Hits wie besagten «Prinzessin Mononoke», die überwältigende Fabel «Chihiros Reise ins Zauberland» oder den zuckersüßen «Mein Nachbar Totoro» gesehen. Insofern können wir auch das Wissen um die tricktechnische Qualität dieser Meilensteine voraussetzen – und «A Whisker Away» danebenstellen, der zwar einem klassisch kantigen Anime-Stil frönt, in Sachen Detailreichtum aber längst nicht mit den großen Vorbildern mithalten kann.

Dass man auch außerhalb der Ghibli-Filme herausragendes Anime-Kino schaffen kann, beweisen neben Publikumsmagneten wie «Akira» oder «Your Name» (ausgerechnet als Nicht-Ghibli-Film rangiert er aktuell auf Platz zwei der erfolgreichsten japanischen Animationsfilme) auch diverse kleinere Independent-Filme, die hierzulande meistens nur über Umwege fürs Heimkino oder auf fremdsprachigen Streamingdiensten zugänglich sind. «A Whisker Away» wirkt dagegen wie das, was wir früher als klassische Videothekenware bezeichnet haben. Und das, das betonen wir noch einmal, nicht, weil er besonders schlecht ist. Sondern weil er nach so vielen, herausragenden Anime-Filmen – egal ob modern oder schon älter – partout keinen bleibenden Eindruck hinterlassen will. Da kann das kleine weiße Kätzchen noch so niedlich dreinblicken.

Fazit


«A Whisker Away» ist ein niedlicher, inhaltlich aber vergessenswerter Anime auf dem Netflix-Original-Niveau von vor einem Jahr.

«A Whisker Away» ist bei Netflix abrufbar - auf Japanisch und Englisch.
30.06.2020 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/119458
Antje Wessels

super
schade


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