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Die Kritiker: «Im Schatten das Licht»

Die unterschwellige Logik vieler deutscher Fernsehschmonzetten mündet irgendwann in den Satz: Frauen werden nur am Herd glücklich. Der neue Sat.1-Film ist dafür ein Extrembeispiel.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Anna Schudt als Natasha
Kai Schumann als Mac
Henning Baum als Conrad
Lorna zu Solms als Sarah
Rüdiger Vogler als Henri
Filip Peeters als John
Diana Amft als Jo

Hinter der Kamera:
Produktion: Senator Film Produktion GmbH
Drehbuch: Miriam Rechel
Drehbuchübersetzung: Cara Donnellan
nach dem gleichnamigen Roman von Jojo Moyes
Regie: Vivian Naefe
Kamera: Peter Döttling
Produzenten: Barbara Mientus und Ulf Israel
Was an den unsäglicheren Spielarten der Trivialliteratur – und ihren unreflektierten, stets auf Tonalität und nie auf Inhalt bedachten – Fernsehfilmadaptionen so stört, ist nicht einmal der seichte, konfliktaverse Handlungsrahmen, die depperte Verklärung einfacher Werte, der Unwillen zur Auseinandersetzung, die Abgestandenheit von Figuren, Dialogen und Bildsprache oder die Pflicht zur Kreativlosigkeit. Es ist vielmehr die völlig unhinterfragte Fortschreibung heillos überkommener gesellschaftlicher Strukturen, die in den besten Fällen „nur“ gestrig, in den schlimmeren dagegen beißend heteronormativ bis geradezu misogyn ausfällt. Denn die Welt, in der man nicht denken darf, sondern allein tumben Gefühlen folgen soll, beschränkt sich bei diesen Machwerken nicht allein auf die von ihnen präsentierte Fiktion, sondern erstreckt sich anscheinend ebenso auf die Geisteshaltung ihrer Macher.

Ein besonders fürchterliches Exemplar dieser hirnlosen Art der Fernsehunterhaltung ist der neue Sat.1-Film «Im Schatten das Licht». Im Kern läuft der Stoff darauf hinaus, den zuschauenden Frauen beizubringen, dass sich ihre Karrierewünsche stets dem „weiblichen“ Familiensinn unterzuordnen haben, weil jede andere Prioritätensetzung im Leben eine Frau nur ins persönliche Unglück stürzen würde.

Aber von Anfang an: Da ist Natasha (Anna Schudt) noch eine toughe Anwältin, die es für würdige Asylbewerber auch mit dem ganzen BAMF aufnimmt und sich zielstrebig in Richtung Partnerstatus in der Kanzlei verhandelt. Ihr Privatleben gleicht bei näherer Betrachtung dagegen einem geflissentlich ignorierten Trümmerfeld: Die drei Fehlgeburten sind zwar nicht verarbeitet, aber ob des stattlichen Arbeitspensums aus dem Alltagsleben vergessen, während sich der smarte Noch-Ehemann Mac (Nachname: And Cheese?, Kai Schumann) als Profi-Fotograf seit acht Monaten durch die Weltgeschichte knipst. Plötzlich steht er aber wieder vor der Tür und will im idyllisch gelegenen (eigentlich gemeinsamen) Haus kampieren, bis man es in noch-ehelicher Eintracht verkauft hat.

Und dann fällt den Beiden die vierzehnjährige Sarah (Lorna zu Solms in der besten Performance dieses Films) vor die Füße. Die hat auf der Welt nur noch ihren schlaganfallgeschwächten Opa und ein treues Pferd, und damit sie nicht irgendwo im seelenlosen Jugendamtssystem verschwindet, nehmen Natasha und Mac sie in ihrem irgendwie noch gemeinsamen Landhaus auf.

Nun greifen die dramaturgischen Prinzipien des Seichten und Unreflektierten, bei denen jeder aneinander wachsen soll: Natasha und Mac mausern sich zu Sarahs Ersatzfamilie; die grätscht wiederum bei der Abwicklung ihrer Ehe dazwischen und stößt Grundsatzdiskussionen und Alltagssituationen an, bei denen das Paar wieder aneinander entdeckt, was es immer noch füreinander empfindet.

Währenddessen hat es der schmierige, beleibte und rundherum ekelerregende Antagonist des Films auf Sarahs Prachthengst abgesehen, den er als eine Art sexuell divergenter Gargamel zu Salami verarbeiten will, und wenn es das Letzte ist, was er tut. Davon abhalten könnten ihn allein gewisse hebephile Gefälligkeiten der vierzehnjährigen Sarah. Die ist irgendwann auch ein Stück weit bereit, sich für die weitere Unterbringung ihres geliebten Pferdes zu prostituieren, doch glücklicherweise dreht genau im richtigen Moment der Gaul durch und jagt den Triebtäter in die Flucht. Was in einem ambitionierteren Film der Ausgangspunkt zum Traktat über ein verunstaltetes Seelenleben wäre, wird hier in ein paar Szenen mit ähnlichem psychologischen Feingefühl runtergekurbelt, wie vor zwanzig Jahren die eklig schmierigen „Babystrich“-Filme mit Anne-Sophie Briest.

Der Konflikt steuert schließlich auf eine Entscheidung zu: Als Sarah nach einem Streit allein nach Frankreich reitet, muss Anwältin Natasha ihre Prioritäten festlegen – verbissen ihren aktuellen Rechtsfall zu Ende verhandeln, obsiegen und Partnerin in der Kanzlei werden. Oder: alles stehen und liegen lassen, dem Mädchen über den Rhein folgen, sich für das entscheiden, was „wirklich“ wichtig ist und „das Richtige“ tun.

Das müssen in solchen Filmen natürlich immer nur Frauen. Mac hat zwar beruflich noch ein paar Monate Pause, bis sein Dozentenjob in Düsseldorf losgeht, kann aber aus Gründen der Wiederherstellung des Ehelebens nicht allein zum großen Reitturnier nach Aquitanien düsen. Der „Karriereselbstmord“ seiner Frau ist da nur die natürliche Ordnung der Dinge. Und selbst wenn man all die infantilen Verklärungen und Vereinfachungen dieses Films als melodramatischen Regelbetrieb unkommentiert stehen lassen will – zumindest diese Zumutung muss man ihm ankreiden.

Sat.1 zeigt «Im Schatten des Lichts» am Montag, den 8. Juni um 20.15 Uhr.
08.06.2020 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/118907
Julian Miller

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
08.06.2020 12:00 Uhr 1
Oh, ist der wirklich soooo schlimm?? :-)
Jericho
09.06.2020 07:09 Uhr 2
Gefördert durch die Propaganda dieses Unsinns und dieser Stereotypen!
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