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Quo vadis, MCU? Über die Zukunft der Avengers und weiterer Marvel-Helden

Vor einem Jahr stand die Kinobranche weltweit noch ganz im Zeichen von «Avengers: Endgame», dem vorläufigen MCU-Höhepunkt, und zwölf Monate später erleben wir (ungewollt) die erste echte Pause seit Beginn dieser bis dato einzigartigen cineastischen Reise, die 2008 mit «Iron Man» ihren Anfang nahm. Der ideale Zeitpunkt, um zurück- und vorauszublicken.

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Doch 2009 kam es dann dazu, dass der „Mausohren-Konzern“ Marvel Entertainment in sein Portfolio aufnehmen konnte. Es bedurfte aber noch einiger Jahre, bis man nach und nach auch die Vertriebsrechte an den ersten MCU-Titeln sein Eigen nennen durfte. Das Hin und Her in der Causa Spider-Man, in der vorerst allerdings Ruhe eingekehrt ist, wurde schon angesprochen, die Übernahme von (unter anderem) 20th Century Fox hingegen noch nicht. Seitdem hat man nun auf einen Schlag wieder Zugriff auf die X-Men, die Fantastic Four, Deadpool und sämtliche andere Figuren, die deren Dunstkreis entstammen. Wobei es sich bei letztgenannter Gruppe eventuell sogar um die wichtigsten „Heimkehrer“ handelt. Denn das Angebot an Heroen und Heroinnen, aus denen man wählen konnte, war auch bereits vorher nicht unbedingt klein. Bei Antagonisten und Antagonistinnen von außergewöhnlicher Qualität sah es da hingegen etwas anders aus. Dies hat sich nun jedoch schlagartig geändert: Mit dem gigantischen Weltenverschlinger Galactus und vor allem mit dem Erzfeind der Fantastischen Vier und Herrscher von Latveria Doctor Doom verfügt man beispielsweise jetzt allein über zwei Bösewichte, die ähnlich wie Thanos das Potenzial hätten, am Ende einer weiteren Saga als „Endgegner“ in einem ultimativen Gefecht gegen die nächsten Rächer-Generationen anzutreten. An dem Arc des mittlerweile wohl bekanntesten Riesen mit violetter Hautfarbe sieht man, dass es sich anbietet, sich zuerst für den einen „Hauptgegenspieler“ zu entscheiden, bevor man mit der Entwicklung der übergeordneten Storyline beginnt. Wenn Victor von Doom im Hintergrund die Strippen ziehen dürfte, würde zum Beispiel einiges für eine von den beiden „Secret Wars“-Events inspirierte sprechen – wer mehr erfahren will, der oder dem seien die entsprechenden Comics aus der Feder von Jim Shooter respektive Jonathan Hickman wärmstens empfohlen.

Kritiker monieren seit Jahren, dass die Filme aus dem Marvel Cinematic Universe mehrheitlich sehr formelhaft aufgebaut seien und oftmals die letzte Konsequenz vermissen lassen würden – und das ist auch nicht gänzlich von der Hand zu weisen, ebenso wenig wie der Fakt, dass selbstredend auch inhaltlich nicht alle gleich stark sind. Richtig ist, dass jeder dieser Abendfüller (potenziell) vor einem anderen spielt und die Handlung eines weiteren in gewisser Weise vorbereitet. Dennoch würde man diesem Riesenprojekt unrecht tun, wenn man den Eindruck erweckt, die einzelnen Superheldenabenteuer seien vollkommen austauschbar. Dieser Vorwurf lässt sich recht leicht entkräften, indem man diejenigen, die eine Origin-Story erzählen mit deren Prequels oder die Prequels untereinander vergleicht: Der von Taika Waititi inszenierte «Thor: Tag der Entscheidung» ist etwa nicht auch nur ansatzweise mit dem auf die Gebrüder Russo zurückgehenden «The Return of the First Avenger» vergleichbar und unterscheidet sich ebenfalls merklich von «Thor» und «Thor: The Dark Kingdom», für die noch Kenneth Branagh beziehungsweise Alan Taylor zuständig waren.

An dieser Auflistung sieht man überdies, dass sich unter den verpflichteten Regisseuren von Anfang an auch viele „Geheimtipps“ befunden haben, die ihren cineastischen Werken auch eine persönliche Note verleihen sollten und infolgedessen (wie eben Waititi oder die Russos) plötzlich zu „A-listern“ aufgestiegen sind. Während die berühmten Brüder nach ihrer «Captain America»-Ära den finalen «Avengers»-Doppelpack realisieren (und damit das Erbe von Joss Whedon antreten) durften, bleibt ihr neuseeländische Kollege der nordischen Mythologie treu und kann in seinem neusten Streich «Thor: Love and Thunder» auf die „Comebackerin“ Natalie Portman als Jane Foster (für langjährige Heftkäufer ein klares Indiz, wie es weitergehen könnte) und Ex-Batman Christian Bale zurückgreifen, also erneut auf zwei Oscargewinner, nachdem die ebenfalls mit dem „Goldjungen“ ausgezeichnete Cate Blanchett schon in «Thor: Ragnarok» (so lautet der US-Titel) als Hela ihr Unwesen getrieben hat. Macht man sich einmal bewusst, dass die Verpflichtungen solcher Stars heute längst niemanden mehr richtig überraschen, sondern sie im Grunde sogar erwartet werden, erkennt man erst, welch hohen Stellenwert dieses einzigartige Universum inzwischen auch in der Branche erlangt hat.

Deshalb können es sich Kevin Feige und Co. auch immer häufiger erlauben, zu experimentieren und sehr bewusst ins Risiko zu gehen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Machern und Fans, das sich innerhalb von nun bereits 10 Jahren entwickelt hat, macht es möglich. Denn sind wir einmal ehrlich: Die Idee, Ant-Man und den Guardians of the Galaxy Leinwandableger zu spendieren, dürfte selbst für eingefleischte Marvel-Anhänger keine offensichtliche gewesen sein. Doch einer Mischung aus guten Einfällen, gewohnt starken Casting-Entscheidungen (#vindieselalsgrootimoriginal) und der Überzeugung, dass Abwechslung unerlässlich ist, um eine solche „Marke“ frisch zu halten, sorgten dafür, dass insbesondere die beiden genannten Beispiele auch Menschen, die sich bis dato noch nicht so recht auf diese bildgewaltige Reise an der Seite diverser Heldinnen und Helden einlassen wollten, zu einem Umdenken bewegen konnten.


Phase 4 wird nun mit einer der ersten ihr zuzurechnenden Produktionen beweisen müssen, dass die Leute nach wie vor daran interessiert sind, diesem einmal stärker und einmal weniger stark ausgeprägten und quasi in ihrem Beisein stattfindenden visualisierten Dauererneuerungsprozess beizuwohnen. Doch es spricht eine Menge dafür. «Black Widow» wird zweifellos das Ausrufezeichen sein, das Scarlett Johanssons ikonische Rolle längst verdient gehabt hätte, der schon angesprochene «The Eternals» dürfte aber der nächste echte Überraschungshit werden. Wer etwa Neil Gaimans packende und von tollen Bildern untermalte Erzählung über diese göttliche Familie aus dem Weltraum gelesen hat, weiß, wie gut man «Game of Thrones» und Science-Fiction mischen kann – im TV hatte man es nicht geschafft, für «Marvel's Inhumans» einen solchen Mix überzeugend hinzubekommen. Dass man dafür dann auch stilecht Kit Harington und Richard Madden (einst Robb Stark in «GoT») wiedervereint, kann man einfach nur als einen typischen „Marvel-Move“ bezeichnen – interessanterweise wird der der ehemalige Jon-Snow-Mime allerdings Black Knight verkörpern, ein Mitglied der nächsten mutmaßlich nur sehr wenigen ein Begriff seienden Superheldenvereinigung, die man eher in Großbritannien als im All vermuten würde: Excalibur. Dieser gehört unter anderem auch (kein Witz!) Captain Britain an … und zahlreiche Vertreter der X-Men – ein Zufall?



In «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» geht es nach Asien und die eine Frage, die über allem steht, lautet: Ist der Titel der entscheiden Hinweis darauf, dass wir endlich den „echten“ Mandarin erleben werden, der dann nicht seinem eigentlichen Erzfeind Iron Man, sondern stattdessen dem Meister des Kung-Fu das Leben schwermachen wird. Mit den nächsten «Black Panther» und «Captain Marvel»-Teilen, die noch keiner Phase explizit zugeteilt worden sind, sowie den Disney+-Serien dürfte endgültig der Umbau des (New) Avengers-Teams vorangetrieben werden; es kommt sicher nicht von ungefähr, dass noch in diesem Jahr «The Falcon and the Winter Soldier» starten soll – schließlich haben beide bereits in den Comics eine Menge Erfahrung mit einem gewissen Schild sammeln dürfen. Dass «Doctor Strange in the Multiverse of Madness» mit «WandaVision» verknüpft sein wird (ähnlich wie «Loki», in der der nordische Gott der Lügen (Tom Hiddleston) infolge der Ereignisse in «Avengers: Endgame» als personifizierte Raum-Zeit-Kontinuums-Anomalie Unruhe stiften wird), könnte hingegen darauf hindeuten, dass wir endlich eine Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) zu sehen bekommen, die zeigt, zu was sie (vor allem wütend) imstande ist. Ein Umstand, der ebenfalls eine Aufnahme einiger Versatzstück aus dem gefeierten „Vision"-Run des Eisner-Award-Gewinners und ehemaligen CIA-Mitarbeiters Tom King bedeuten könnte, der kürzlich mit unter anderem „The Wedding“ auch für DC als Batman-Autor eine sehr außergewöhnliche Geschichte zu Papier gebracht hat.

Während das Durchspielen alternativer Handlungsverläufe in «What if …?» keinen entscheidenden Einfluss auf den Fortgang der übergeordneten Storyline nehmen wird, sieht dies bei weiteren Streamingtiteln schon anders aus: Die Ankündigungen von «Ms. Marvel» und «Hawkeye» könnten etwa die Einführung der „Young Avengers“ vorbereiten (und nein, Clint Barton (Jeremy Renner) würde dann perspektivisch endgültig nicht mehr mit Pfeilen durch die Gegend schießen). Mit «She-Hulk» könnte man endlich etwas mehr aus dem Leben eines Gammastrahlen-Grünlings erzählen, ohne noch einmal einen genauen Blick in das den Hulk betreffende und zwischen Marvel und Universal bestehende Vertragswerk werfen zu müssen (wenn Jennifer Walters nicht gerade grün vor Wut ist, arbeitet die Cousine von Bruce Banner übrigens bezeichnenderweise als Anwältin), und «Moon Knight» bringt alle Voraussetzungen mit, um denjenigen, die weiterhin die Hoffnung auf ein Comeback des „Teufels von Hell‘s Kitchen“ nicht aufgeben, eine neue serielle (Übergangs-)Heimat sein zu können – wobei die nächtlichen Ausflüge von Marc Spector, die nicht selten blutig enden, auch oftmals etwas Mystisch-Magisches umweht.

Apropos Hell’s Kitchen: Das letzte Fragezeichen, das noch im Raum steht, sind die ehemaligen Netflix-Lieblinge der Massen beziehungsweise deren Zukunft. Fakt ist, nachdem der VoD-Service sämtliche seiner Original-Serien mit dem gewissen „M“ («Daredevil», «Jessica Jones», «Luke Cage», «Iron Fist», «The Punisher» und «The Defenders») eingestellt hatte, kam zum Tragen, dass man vertraglich fixiert hatte, dass Marvel für einen Zeitpunkt X keine neuen Projekte starten durfte, in denen Charaktere aus diesem „Miniversum“ mitwirkten. Während die „Heroes vor Hire“, wie „Power Man“ (Mike Colter) und Danny Rand (Finn Jones) noch genannt werden, bislang nicht unbedingt gigantische Sympathien entgegengeflogen sind, erfreuen sich eine Privatermittlerin mit Hang zu offenen Türen (Krysten Rtter), ein Totenkopfliebhaber (Jon Bernthal) und vor allem Matt Murdock (Charlie Cox) dagegen bis heute enormer Beliebtheit, weshalb auch davon auszugehen ist, das Minimum Letzterer in absehbarer Zeit sein Comeback feiern wird – und hey, Peter Parker braucht aktuell dringend rechtlichen Beistand.

Man muss wissen, dass Jeph Loeb damals noch für all diese Formate verantwortlich zeichnete – als Chef von Marvel Television. Da mittlerweile allerdings Kevin Feige offiziell zum Chief Creative Officer of Marvel Entertainment befördert wurde und damit auch Hauptverantwortlicher für die TV-Sparte ist, deren Prestigeprojekte der jüngeren Vergangenheit alle entweder bereits eingestellt worden sind (wie «Marvel’s Runaways») oder nie über das Entwicklungsstadium hinauskamen (wie «Marvel’s Howard the Duck»), wird sich von nun an ohnehin viel ändern. Besagte Personalentscheidung dürfte ein eindeutiger Beleg dafür sein, dass man nun endgültig alle kreativen „Bewegtbildkräfte" im „Hause der Ideen" bündeln will und gerade, was das Trendmedium unserer Zeit, die Serie, angeht, klotzen und nicht kleckern wird. Man sieht also: Die Ambitionen sind weiterhin riesig, und eine Menge spricht dafür, dass es zu einer „Superhero Fatigue“, also einer „Superheldenmüdigkeit“, in näherer Zukunft nicht kommen wird. Darauf eine weitere Mid-Credits-Scene!

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31.05.2020 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/118712
Florian Kaiser

super
schade

75 %
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Tags

Black Widow Avengers: Infinity War. Spider-Man: Far From Home Avengers: Endgame Star Wars X-Men Spider-Man Iron Man Thor: Tag der Entscheidung The Return of the First Avenger Thor Thor: The Dark Kingdom Captain America Avengers Thor: Love and Thunder

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Varrick
31.05.2020 23:44 Uhr 1
Als großer Fan des MCU muss ich sagen, dass ich natürlich die bisherigen Filme verschlungen habe. Und dann versteh ich auch, warum Disney die Stufe4 mehr mit Disney+ verknüpfen will, um die Streaming-Plattform zu promoten.



Aber zumindest in meinem Fall könnte der Schuss nach hinten losgehen.. Mir ist nämlich dieses "hier noch ein neuer streaming-dienst" und "dort noch ein abo" langsam ein Dorn im Auge. Nicht nur, dass es ins Geld geht, verschiedene Dienste zu abonnieren. Man kommt ja auch mit dem Angebot gar nicht mehr hinterher, es zu konsumieren.



Heisst für mich: Disney+ werd ich definitiv nicht abonnieren. Und wenn ich dann aber das Gefühl habe, dass ich "außen vor", weil ich dadurch etwas vom MCU verpasse, könnte das dazu führen, dass ich künftig auch an den Kino-Filmen das Interesse verliere und mir diese dann mittel- und langfristig gar nicht mehr ansehe.



Somit wäre Disney's Schuss zumindest bei mir nach hinten losgegangen.
Vittel
02.06.2020 10:47 Uhr 2
Für mich ist mit Avengers Endgame das Kapitel Superhelden erst mal beendet. Ich habe sie wirklich (fast) alle sehr gerne gesehen, aber nach dem bombastischen Feuerwerk der beiden Avengers Filme ist das einfach genug.



Black Window z.B. interessiert mich gar nicht, ich fand Scarlett Johansson als Black Window auch am wenigsten interessant von allen Helden. Ich brauche auch nicht unbedingt noch einen weiteren Guardians Film.

Ja, ich werde die irgendwann wahrscheinlich schon mal sehen, wenn ich mir z.B. mal einen Monat Disney testweise buche, aber kann durchaus Jahre dauern.



Ich glaube, da bin ich nicht komplett alleine mit dieser Einstellung, zumindest in meiner Altersgruppe "Hab Star Wars EP3 noch im Kino gesehen" . Disney wird jetzt versuchen, die jungen Leute verstärkt abzuholen und einen ähnlichen Zyklus wieder herzustellen.
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