Inszeniert von einem provokanten Fotografen, von Kritikern verrissen. Und womöglich verkannt?
Filmfacts «Final Girl»
- Regie: Tyler Shields
- Produktion: Jack Nasser, Rob Carliner, Joseph Nasser
- Drehbuch: Adam Prince
- Story: Stephen Scarlata, Alejandro Seri, Johnny Silver
- Cast: Abigail Breslin, Alexander Ludwig, Wes Bentley, Cameron Bright, Francesca Eastwood
- Musik: Marc Canham
- Kamera: Gregory Middleton
- Schnitt: Trevor Mirosh
- Laufzeit: 84 Minuten
Vor bald fünf Jahren gelang «Final Girl» limitiert in die US-Kinos. Das Regiedebüt von Profi-Skater und Fotograf Tyler Shields ging seinerzeit weitestgehend unter. Die Kritiken waren mau bis aggressiv-negativ (ein US-Kritiker schimpfte, dass sich Hauptdarstellerin Abigail Breslin als frühere Oscar-Nominierte diesen Film nicht einmal anschauen dürfte, geschweige denn darin mitspielen), die Einnahmen mickrig. Es sollte seither nur noch eine zweite Langfilm-Regiearbeit Shields' folgen – «Outlaw», ein Film, in dem er selber die Hauptrolle spielt und einen berühmten Fotografen verkörpert, der seine Freundin und seinen besten Freund in flagranti bei einer Affäre erwischt. Dennoch sorgte Shields weiter für Aufsehen – primär mit seiner Arbeit als Fotograf.
Shields wurde schon vor seinem Einstand ins Filmgeschäft mehrfach für seine grafischen Fotografien von Frauen kritisiert – wobei er stets festhielt, Themen wie häusliche Gewalt anklagen zu wollen, statt sie zu verherrlichen. Zudem musste er sich mehrmals Vorwürfe des Ideendiebstahls anhören. Doch seine wohl berühmteste Fotografie zeigt Kathy Griffin mit einem blutigen, abgetrennten Kopf, der nach Donald Trumps Vorbild modelliert wurde. Kurzum: Shields ist als Kunstschaffender durchaus eine interessante Persönlichkeit. Und es drängt sich durchaus die Frage auf: Wurde «Final Girl» vielleicht vorschnell als lahmer Thriller abgetan?
«Final Girl» erzählt von Veronica, die in frühem Alter zur Vollwaisen und von William (Wes Bentley) aufgelesen wurde. Veronica weckt die Neugier des dubiosen Mannes, als sie die Tragödie eiskalt als etwas abtut, das halt passiert. Daraufhin beschließt William, Veronica zur Killerin großzuziehen. Zwölf Jahre später (und zu Abigail Breslin herangewachsen) steht Veronica kurz davor, ihre Ausbildung abzuschließen. Als letzten Schritt muss sie eine vierköpfige Gruppe Halbstarker töten, die junge Frauen aus Spaß verführt, foltert und tötet …
Sheridan inszeniert «Final Girl» in einer arg reduzierten Stilistik, in der 1950er-Ikonografie auf menschenleere Gegenden trifft sowie auf artifizielle Innenräume, in denen sattes Schwarz fast alles verschluckt, was sich nicht im unmittelbaren Umfeld der zentralen Figuren befindet. Der Wald, in dem sich der Schlussakt des Films abspielt, ist wiederum in tiefster Nacht, nahezu gleich, wo man sich befindet, so erleuchtet, als wäre hinter zwei, drei Reihen von Bäumen gigantische Fluchtlichter aufgebaut, so dass es den Anschein erweckt, die handelnden Personen befänden sich auf einer Bühne mit semi-abstrakter Waldkulisse.
Es ist ein sehr aufgesetzter, somit illusionsbrechender Stil, der zusammen mit den langsam gehauchten und gepressten Dialogen sowie Monologen der Figuren eine Distanz zwischen Publikum und Geschehen aufbaut. Sheridan will nicht, dass wir «Final Girl» als aufregenden Horrorthriller konsumieren, der unsere Nerven kitzelt, und ebenso wenig, dass er als Exploitation-Rachefilm Genuss bereitet. Es ist eine stilistische Fingerübung – eine etwas unrunde, aber faszinierende. Sheridan und sein Kameramann Gregory Middleton (der für seine Arbeit an «Game of Thrones» Emmy-Nominierungen einheimsen sollte) erschaffen eine entrückt-arrangierte, kalte, dunkle 50er-Diorama-Welt. In Bewegung fehlt ihr der letzte Schliff (Trevor Miroshs Schnittarbeit ist etwas zäh, Sheridans Szenenarrangement ist teils spröde), doch sie beschwört evokative Einzelbilder herauf, in denen der Clash aus Heile-Welt-Nostalgie, veralteten Rollenbildern und der Filmhandlung sehr wohl zündet.
Daran trägt Kostümbildnerin Maria Livingstone einen nicht unerheblichen Anteil, kleidet sie die Männer in «Final Girl» doch so, als würden sie jeden Moment ein spießiges Swing-Album aufnehmen, in dem sie über ihr liebliches Heimchen am Herd singen, das manchmal einen Klapps auf den Po braucht, um zu spurten. Anders gesagt: Elegant an der Oberfläche, abstoßend, blickt man dahinter. Abigail Breslin dagegen wird in ein schlichtes Fiftys-Kleid gehüllt, mit dem sie locker eine Statistin in einem alten High-School-Film geben könnte, die sich in Anwesenheit des durchtrainierten Quarterbacks verschüchtert an ihre dicken Bücher klammert – wäre da nicht das leuchtende, warnende Rot, in dem es erstrahlt.
Die Ansätze sind also da. Selbst wenn sie nicht immer durchgezogen werden. Die visuelle Stilisierung von «Final Girl» könnte konsequenter, mutiger und weitreichender sein (man vergleiche Sheridans Fingerübung hier mit dem Margot-Robbie-Fiebertraum «Terminal»), und auch inhaltlich ist seine zweifelsohne feministisch gedachte Versuchsanordnung unfertig. Handelt die Rächerin an einer giftigen, tödlichen, widerlichen Männertruppe doch allein im Auftrage ihres harten Mentors, für den sie des gegebenen Altersunterschieds und all seinen fragwürdigen Trainingsmethoden zum Trotz Zuneigung empfindet. Da sifft eine potentielle Fetischisierung in Adam Princes Skript, die nicht weiter hinterfragt, gebrochen oder kommentiert wird.
Und dennoch enthält «Final Girl» Versatzstücke, die zu gut sind, als dass «Final Girl» es verdient gehabt hätte, vollkommen unterzugehen und nunmehr ein Dasein als Film zu fristen, der in Deutschland ohne Synchronfassung auf Netflix rumdümpelt … Darauf wartend, dass er zufällig gefunden und nicht aus ahnungsloser Langeweile nach ein paar Minuten abgebrochen wird, weil er nicht das ist, was die reißerische Aufmachung im Netflix-Menü aus ihm macht …
So ist das Jungs-Quartett, das Veronica erledigen soll, ein zugespitzter, aber zugleich gut beobachteter Spiegel dessen, wie erschreckend viele eingeschworene Brudi-Gangs aufgebaut sind. Da ist der "Weiberheld", der die nettesten, schmeichelhaftesten Worthülsen auswendig gelernt hat und halbwegs überzeugend daher säuselt, der aber, wenn man auf seine Körpersprache achtet, sehr leicht als übergriffig, ichbezogen und lüstern zu enttarnen ist. Da ist der (in diesem Fall manisch lachend mit der Axt schwingende) Widerling, der von seinen Kumpels mit einem "Hahaha, der macht nur Spaß, ach, das ist mein Bro, der hat mir nie was getan, lach doch mit, der meint es sicher nicht so" freigesprochen wird. Weil bellende Hunde ja nicht beißen würden (was aber auch stets nur diejenigen behaupten, die die Leine in der Hand halten). Und dann sind da noch "die zwei Anderen", die sich aneinander festklammern und tatenlos zuschauen, bevor die Situation endgültig kippt – und die willig mitmachen, sobald sie gekippt ist.
Ergänzt wird dies durch eine sehr eigenwillige, aber sich haarklein in dieses Gesamtkonstrukt fügende, Performance von Abigail Breslin, die Veronica noch entfremdeter und affektierter anlegt, als der Rest der Figuren in «Final Girl» bereits ist.
Aber als Vollwaise, der der Tod ihrer Eltern völlig egal war, und die daraufhin von einem brutalen Mentor zu einer gefühllosen Killerin erzogen wurde, die nun wiederum einen auf völlig naives Reh-im-Scheinwerferlicht machen soll, muss das auch so. Gerade in einem Film, der sein Publikum konsequent sowie bewusst am langen Arm verhungern lässt. Breslin lässt, situativ abhängig, in ihrem Gestus und der Stimmfärbung eine der Schichten Veronicas stärker durchschimmern – was offenlegt, dass es eine geplante Performance ist, und nicht etwa Hölzernheit, die halt zufälligerweise/glücklicherweise zum Konzept passt.
Sheridan hat einen Film gemacht, der gänzlich seinem Stil als Fotokünstler entspricht – inklusive stilistischer Hommagen, die sich nicht immer vollauf rationalisieren lassen. Das mag vielen Kritikern 2015 missfallen haben – aber ein zweiter Blick (oder ein erster, informierter Blick) lohnt sich dennoch.
«Final Girl» ist auf Netflix abrufbar.
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