Der Netflix-Animationsfilm «Familie Willoughby» zeigt die chaotische Geschichte von vier Geschwistern, die ihre Eltern loswerden wollen.
Filmfacts «Familie Willoughby»
- Regie: Kris Pearn
- Produktion: Brenda Gilbert, Luke Carroll
- Drehbuch: Kris Pearn, Mark Stanleigh
- Story: Kris Pearn, basierend auf dem Kinderbuch von Lois Lowry
- Musik: Mark Mothersbaugh
- Kamera: Sebastian Brodin
- Schnitt: Fiona Toth, Ken Schretzmann
- Laufzeit: 92 Minuten
Drei Jahre lang veröffentlichte Netflix stets im Januar neue Folgen der Serie «Eine Reihe betrüblicher Ereignisse», die sich darum dreht, dass die Geschwister Violet, Klaus und Sunny Baudelaire versuchen, ihrem miesen Vormund Graf Olaf zu entkommen und einen liebevolleren Erziehungsberechtigten zu finden. Wenn man so will, schließt «Familie Willoughby» eine Lücke, die seit der Beendung der Realserie von und mit Neil Patrick Harris auf dem Video-on-Demand-Dienst besteht: Der auf einem Kinderbuch von Louis Lowry basierende Animationsfilm dreht sich ebenfalls um Geschwister (dieses Mal vier), die unter ihrer Familie leiden, und sich daher nach neuer Obhut sehnen. Und auch wenn «Familie Willoughby» längst nicht derart schwarzen Humor aufweist wie «Eine Reihe betrüblicher Ereignisse», so ist der Film sehr wohl ziemlich bissig. Vor allem aber bleibt sein ungewöhnlicher Animationsstil in Erinnerung.
Erzählt wird «Familie Willoughby» von einem sarkastischen Kater, der bei seinen Streifzügen durch die Großstadt über das altmodische, kantige, ebenso imposante wie beengende Heim des Willoughby-Clans stolpert. Dort lebt eine lange Zeit ehrwürdige und angesehene Familie, die für ihre buschigen, leuchtend-roten Haare berühmt ist und Männer mit prächtigen, mächtigen Schnäuzern hervorgebracht hat. Aber mit dem spitzbärtigen, trotteligen und vollkommen herzlosen Vater Willoughby, der seine Gattin Mama nennt, ging der Clan zugrunde. Eines Tages beschließen die vier Willoughby-Kinder, Tim, Jane und die Barnaby-Zwillinge, sich von ihren gemeinen Eltern zu emanzipieren – aber das ist schwerer als gedacht. Denn auch in Abwesenheit ihrer Eltern bleiben in den Köpfen der Sprösslinge ihre Einflüsse spürbar …
© Netflix
„The Willoughbys“ ist ein äußerst stilisierter computeranimierter Spielfilm von Drehbuchautor und Regisseur Kris Pearn („Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2“), der derzeit bei BRON Animation in Vancouver produziert wird. Als die vier Willoughby-Kinder von ihren eigennützigen Eltern verlassen werden, müssen sie ihre altmodischen Werte an eine moderne Welt anpassen, um zu einer neuen, zeitgemäßen Familie zu werden. Die Serie basiert auf dem Buch der preisgekrönten Autorin Lois Lowry. In der englischsprachigen Fassung sind Ricky Gervais, Maya Rudolph, Will Forte, Martin Short, Alessia Cara und Jane Krakowski zu hören.
Basierend auf Lowrys Vorlage machen Regisseur/Autor Kris Pearn und Autor Mark Stanleigh aus «Familie Willoughby» einen Film voller gut sitzendem, cartoonigem Slapstick und sarkastischem Dialogwitz, dessen Kern sich darum dreht, wie sehr ein kaputtes Familienverhältnis einen beeinflussen kann – und dass es trotzdem einen Ausweg gibt. Denn der rationale Tim, die peppige Jane und die wortkargen, erfinderischen Zwillinge haben ihr ganzes Leben über nur Verachtung und drakonische Strafen vorgelebt bekommen, weshalb sie im Laufe von «Familie Willoughby» mehrmals wohlmeinende Gesten anderer Erwachsener nicht richtig einschätzen zu wissen und selber Gefühle wie Kummer, Misstrauen, Wut oder Enttäuschung völlig übertrieben ausdrücken. Einfach, weil sie es nicht anders kennen, und erst lernen müssen, dass es auch anders geht.
Dank eines gewitzten, dennoch die emotional verkorkste Lage der Willoughby-Kinder niemals auf die leichte Schulter nehmenden, Skripts und der ausdrucksstarken Animation gerät dies sehr kurzweilig und zwischenzeitlich auch rührend. Die Umsetzung ist zwar nicht durchweg markant, so dass «Familie Willoughby» spitzzüngig und subversiv beginnt, aber gegen Ende etwas konventioneller sowie vorhersehbarer wird – trotzdem bleibt es eine kecke Story mit wichtiger Aussage. Gleichwohl ist es die Ästhetik von «Familie Willoughby», die konsequenter verfolgt ist und sich somit stärker einprägt: Pearn («Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2») setzt, passend zum erratischen Verhalten der Willoughby-Familie, auf eine computeranimierte Hommage an die bewusst stilisierte und reduzierte Stilistik der UPA-Cartoons der 1950er-Jahre.
Das bedeutet, dass die kantig entworfenen Figuren und Gegenstände aus «Familie Willoughby» nicht durchweg flüssig animiert sind, sondern sich gelegentlich etwas sprunghaft bewegen, so als würden ab und zu ein paar Frames fehlen. Das ist anfangs leicht gewöhnungsbedürftig, aber zugleich visuell interessant und erfrischend – und dank einer konsequenten Umsetzung, die obendrein zur Tonalität und dem Inhalt dieser Geschichte passt, eine sehr smarte kreative Entscheidung.
«Familie Willoughby» reicht zwar längst nicht an
Netflix' wundervolle Weihnachtsgeschichte «Klaus» heran, trotzdem unterstreicht der Film Netflix als Anlaufstelle für interessante, massentaugliche Animationsfilme, die sich zugleich ein bisschen neben der (visuellen) Norm befinden. Weiter so!
«Familie Willoughby» ist auf Netflix abrufbar.
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