Eine junge spanische Autorin kämpft mit ihrem ersten Roman, und die ganze Netflix-Welt darf mitfiebern. Was «Girls» furchtbar misslang, gelingt dieser Serie spielend.
Darsteller
Diana Gómez als Valeria
Silma López als Lola
Paula Malia als Carmen
Teresa Riott als Nerea
Maxi Iglesias als Victor
Ibrahim Al Shami J als Adrián
Juanlu González als BorjaWenn man Ende zwanzig oder Anfang dreißig ist, und alles an theoretischen Abhandlungen und praktischen Ausführungsbeispielen gelesen hat, was man im Romanistik-, Literatur- oder Philosophiestudium zu lesen bekommt, sitzt man dann also – ganz gleich, ob in New York, Paris, Berlin oder Madrid – in seiner schrammeligen Quarterlife-Wohnung am Schreibtisch. Auf der Straße unten grölen die streikenden Taxifahrer, in der Wohnküche nervt der Fotografen-Gatte, und man weiß jetzt einfach nicht, wie man mit dem Roman des Jahrtausends loslegen soll. Dessen Abgabetermin in dreißig Tagen ansteht. Und man hat: nichts.
So wie Tausenden jungen LiteratInnen geht es Valeria (Diana Gómez) aus der neuen gleichnamigen Netflix-Serie aus Spanien, in der neben dem Dramolett um die junge Autorin auch die Malaise der langsam sesshaft werdenden frühen Lebensenttäuschungen verhandelt werden soll, und die südeuropäische Wirtschaftsdepression aus Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Prekarität sowieso.
Nun gibt es natürlich schon Dutzende von Serien, die sich genau dieses Themas, dieser Lebenskonstellation und auch dieser Haltung angenommen haben, zumeist mit mäßigem inhaltlichen Erfolg: zuvorderst das HBO-Beispiel «Girls» von Lena Dunham, das zwar viele Kritiker mit seiner frischen, unprätentiösen und (vermeintlich?) authentischen Tonart überzeugte, aber sich unangenehm an seinem Status als Pars pro toto für das Lebensgefühl einer ganzen Generation besoff.
© Netflix
Die Schriftstellerin Valeria steckt voll in der Krise, und das nicht wegen ihres Romans. Wie gut, dass ihre besten Freundinnen Carmen, Lola und Nerea ihr bei all ihren Abenteuern zur Seite stehen, während auch bei ihnen so einiges los ist.
Wahrscheinlich gerade wegen der etwas zurückgeschraubten erzählerischen Ambition gefällt «Valeria» dafür umso besser: Denn diese Serie konzentriert sich nicht vornehmlich auf den nächsten Tabubruch, das Zeigen des vermeintlich Unzeigbaren, die Stilisierung ihrer Figuren als Facetten eines übergeordneten Lebensstils und das angestrebte Traktat über die Zwänge der
Gig Economy, sondern einfach auf eine gute Geschichte und interessante Figuren, die (zumindest für die Verhältnisse von Fernsehserien aus der spanischsprachigen Welt) nur wenig überstilisiert werden.
Valerias langsam einsetzende Hinterfragung ihrer jungen Ehe, ihr permanentes Verzweifeln vor dem Laptop, die beruflichen Fehltritte und persönlichen Katastrophen ihrer Freundinnen – das alles darf erst einmal für sich stehen, ohne mit selbstgefälliger Generationenselbstbeobachtung und einer First-World-Abrechnung mit den wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten für Menschen unter 40 vollgepfercht zu werden. Und genau deshalb gelingt es «Valeria», all diese Themen haltungsstark und angenehm subtil zu kommentieren. Denn wenn man wirklich weiß, was man erzählen will, schreibt sich auch der Roman einer ganzen Generation wie von selbst.
Acht Folgen von «Valeria» sind bei Netflix zu sehen.
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