Kühle Entscheidungen und Machogehabe, das seinesgleichen sucht: In «The Assistant»: folgen wir einer Einsteigerin in das testosterongeladene Business namens Film.
Filmfacts «The Assistant»
- Regie und Drehbuch: Kitty Green
- Produktion: Kitty Green, James Schamus, Scott Macaulay, P. Jennifer Dana, Ross Jacobson
- Cast: Julia Garner, Matthew Macfadyen, Makenzie Leigh, Kristine Froseth, Noah Robbins, Jon Orsini
- Musik: Tamar-kali
- Kamera: Michael Latham
- Schnitt: Kitty Green, Blair McClendon
- Laufzeit: 85 Minuten
Seit die im Zuge des Weinstein-Skandals 2017 ins Leben gerufene #MeToo-Kampagne auf die Wahrnehmung von Frauen im Entertainment-Business sowie die damit einhergehende, unveränderte Machtposition der Männer aufmerksam gemacht hat, sprießen nun sukzessive immer mehr themenverwandte Filme aus dem Boden. Ganz so, als hätten die Filmemacher nur darauf gewartet, dieses bis dato heiße Eisen endlich anpacken zu können. Und das sowohl im Segment der Dokumentation («Unantastbar – Der Fall Harvey Weinstein») als auch im fiktionalen Bereich («Bombshell – Das Ende des Schweigens»), der jetzt mit «The Assistant» einen weiteren, starken Vertreter erhält. Bislang tingelte Kitty Greens Spielfilmdebüt durch einige Filmfestivals (unter anderem Toronto und Berlin); in Großbritannien ist das Drama ab Mai als Stream abrufbar. Ob und wie man den Film hierzulande sehen können wird, steht aktuell noch in den Sternen. Derzeit hat er nicht einmal einen Verleih (in den USA hat sich Universal die Rechte geschnappt), was nicht gerade eine schnelle Veröffentlichung in Aussicht stellt. Dabei sollte einen Film wie «The Assistant» jeder gesehen haben, der beim Alltag in Büros nicht amüsiert lächelnd an «Stromberg» denkt, sondern weiß, dass er bisweilen einen Spießroutenlauf durch Schikane, Ausbeutung und Einsamkeit bedeuten kann.
Sie ist morgens die erste und abends die letzte: Jane (Julia Garner) arbeitet seit zwei Monaten als Assistentin eines mächtigen Medienmoguls in Hollywood. Sie möchte später selbst einmal Produzentin werden. Doch erst einmal muss sie Kaffee kochen, kopieren und Anrufe entgegen nehmen. Alles nur halb so schlimm, wäre da nicht das extrem toxische Umfeld, in dem sie ihren Job verrichten muss. Ihre Kollegen behandeln sie wie einen Fußabtreter und der Chef verlangt bei jedem noch so kleinen Faux-Pas eine persönliche Entschuldigung, sofern er sich nicht gerade mit jungen Frauen in Hotels trifft. Doch etwas dagegen unternehmen kann Jane nicht. Alle Versuche werden abgeblockt. Denn bevor sich Jemand an so Mächtigen wie ihren Boss herantraut, droht man ihr lieber selbst mit Kündigung. Ein Teufelskreis…
Wenn Jane frühmorgens die Shedules an ihre Kollegen verteilt und sich mit einem müden „Wie war dein Wochenende?“ halbherzig in Smalltalk versucht, wird ihre vordergründig optimistische Art ab dem Moment gebrochen, in dem ihre nächste Antwort auf die Frage „Gut und deines?“ „Ich war hier!“ lautet, was ihr Gegenüber mit absoluter Selbstverständlichkeit hinnimmt. Jane sitzt mit zwei Männern in einem Büro. Beide lassen sie weitestgehend in Ruhe, nehmen die Art, wie Jane ihren Job versteht, jedoch mit einem Schulterzucken wahr. Egal ob sie ihnen Kaffee kocht, kleine Snacks reicht oder den Kopierer von einem Papierstau befreit: Ein „Danke“ fällt hier nie. Auch sonst wird sich kaum unterhalten, selten gelacht (nur einmal, wenn die beiden Herren am Telefon miteinander herumalbern). Und wenn sich die beiden ihrer neuen Kollegin gegenüber doch einmal zu einer netten Geste herablassen, dann sieht diese so aus, dass sie ihr dabei helfen, eine Art Bittbrief an den machtversessenen Boss zu verfassen, wenn dieser wieder einmal für eine Nichtigkeit eine schriftliche Entschuldigung (!) verlangt.
Nun sind das alles zwar nur Kleinigkeiten, die vermutlich jeder schon mal in mehr oder minder direkter Art erlebt hat, der irgendwann einmal in einem Büro gearbeitet hat – man kann ja nicht auf Anhieb mit jedem gleich befreundet sein. Doch Kitty Green, die neben der Regie auch das Drehbuch verantwortet, streut im Minutentakt derartige Beobachtungen, sodass «The Assistant» den Zuschauer nach und nach nicht nur für die überdeutlichen Gesten zwischenmenschlicher Schikane und Ablehnung sensibilisiert, sondern erst recht für die deutlich kleineren, unscheinbaren – die, die ganz einfach Alltag geworden sind, obwohl sie das eigentlich nicht sein dürften.
Wenn sich Jane am Morgen eine Kaffeetasse aus dem Schrank nimmt, dann wählt sie nicht wie alle anderen im Büro eine langweilige weiße, sondern eine mit der Aufschrift „Big Hug Mug“. Wenn sie die Essensreste ihrer Kollegen abräumt und beherzt in eine übrig gebliebene Hähnchenkeule beißt, geben ihr die Blicke der Umstehenden zu verstehen, dass sie ja froh sein müsse, würde man sie dafür nicht verpfeifen. Und die abschätzigen Blicke der (sehr wenigen!) weiblichen Kolleginnen sind für sie herabwürdigend und in gewisser Weise schützend zugleich. Schließlich kleidet sie sich längst nicht so aufreizend wie die anderen Frauen hier und entspricht auch sonst nur bedingt dem gängigen Schönheitsideal, sodass sie, anders als die anderen Frauen, vor den Übergriffen des Bosses geschützt ist. Etwas, was man ihr in ihren ersten Wochen sogar ins Gesicht gesagt hat.
Überhaupt fragt man sich natürlich, ob dieser nie zu sehende Boss Harvey Weinstein sein soll, oder irgendein anderes, für diesen Film erfundenen Medienmogul. Letztlich ist das egal. Schließlich ist der Weinstein-Skandal nur die Spitze eines systematischen Eisbergs aus Unterdrückung und Machtspielerei. Dass es neben ihm noch viele weitere im Business gab und gibt, die es genauso handhab(t)en wie er, glaubt man sofort. So wird in «The Assistant» auch gar nicht groß mit Namen von Menschen oder Filmen herumhantiert. Schließlich geht es ohnehin in erster Linie um Jane und ihre Wahrnehmung dieses toxischen Umfelds. Irgendwann möchte man diese in antrainierter Duckmäusigkeit durch die grauen Gänge schleichende junge Frau einfach nur noch in den Arm nehmen.
Doch die bislang eher in Serien auftretende Schauspielerin Julia Garner («Maniac») legt ihre Rolle längst nicht automatisch als die eines Opfers an – auch wenn die präzise Kameraarbeit von Michael Latham («Strange Colours») sie immer wieder an den Bildrand zu drängen versucht, erkämpft sie sich zumeist ihren Weg in die Mitte. Zudem ist es ihre genaue Beobachtungsgabe, die sie auch zu einer Form des Aufbegehrens animiert – etwa, wenn sie einem Mitarbeiter der Personalabteilung (hervorragend unangenehm: Matthew Macfayden, «Der Nussknacker und die vier Reiche») ihre gut begründete Vermutung schildert, der Boss würde sich in diesem Moment mit einem sehr viel jüngeren Mädchen treffen, das er ohne jeden ersichtlichen Grund in ein Nobelhotel einquartiert hat.
Es ist nicht nur den hervorragend lebensechten Dialoge zu verdanken, dass einem diese Szene bravourös die festgefahrenen Strukturen innerhalb dieser Firma veranschaulicht (am Ende vermittelt der Mitarbeiter Jane sogar das Gefühl, sie selbst sei undankbar und falsch). Diese Szene zeigt vor allem auf, wie Jane selbst zum Teil dieses Konstrukts wird. Schließlich waren es ja damals längst nicht nur Männer, die bei Weinsteins Machenschaften weggeblickt haben, sondern auch Frauen. Eine aktive (Mit-)Täterin ist Jane dadurch jedoch noch lange nicht. Zumal es das weitestgehend offene Ende (der Film bildet einfach nur einen normalen Bürotag von morgens bis abends ab) auch zulässt, dass Jane ihren Job bald aufgeben könnte. Es wäre ihr zu wünschen.
Fazit: «The Assistant» ist eine präzise beobachtende Studie über das Arbeiten in toxischer Atmosphäre, die enorm viel Aufschluss über die Machtverhältnisse hinter den Kulissen Hollywoods bietet. Auch ganz ohne das direkte Zeigen von Übergriffen.
«The Assistant» ist bei iTunes US streambar.
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