«Herr und Frau Bulle» will das Motiv vom "ungleichen Ermittlerpaar" auf die Spitze treiben – und tritt dabei voll in die Gender-Falle.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Alice Dwyer als Yvonne Wills
Johann von Bülow als Heiko Wills
Tim Kalkhof als Kevin Lukowski
Birge Schade als Diane Springer
Stephan Bissmeier als Kriminaldirektor Pede
Marie-Lou Sellem als Ekaterina Milov
Fritzi Haberlandt als Ricarda Bronkewitz
Hinter der Kamera:
Produktion: Eikon Media GmbH
Drehbuch: Axel Hildebrand
Regie: Fabian Möhrke
Kamera: Tim Kuhn
Produzentin: Michaela NixErinnern Sie sich noch, was Tony Soprano damals „eigentlich“ beruflich gemacht hat? Richtig:
Waste Management. Vulgo: den Abfall rausbringen. Das klingt schon richtig schön nach mafiöser Unterwelt, nach nächtlichen Müllhalden, wo bei schummerigem Licht „Probleme beseitigt“ werden, nach
Forget about it! und Angeboten, die man nicht ablehnen kann.
Doch anscheinend hat sich nicht nur die Mafia von New Jersey gleich auf mehreren Ebenen im Abfallbeseitigungsgeschäft breitgemacht. Auch im Berliner Umland ist der Betrieb von Mülldeponien fest in der Hand der Unterwelt und wird von einer Handvoll (hauptsächlich russischstämmiger) Familien geführt, die sich immer wieder in die Haare kriegen. So sehr, dass man nun die Leiche eines Abfallmafiabosses gefunden hat, zerstückelt und auf mehrere Gräber verteilt.
Jetzt müssen «Herr und Frau Bulle» wieder ran, ein sich liebendes Ehepaar, das nach dem Willen seines gemeinsamen Dienstvorgesetzten vorzugsweise zusammen auf Ermittlungstour geschickt wird. Ihre Kompetenzen sollen sich gut ergänzen, doch die ungleiche Verteilung ihrer Begabungen sorgt eher dafür, dass Yvonne Wills (Alice Dwyer) mehr oder weniger unter die Betreuung ihres Mannes Heiko (Johann von Bülow) gestellt wird. Der kann nachts am Wohnzimmertisch nämlich mit wenigen Edding-Strichen komplizierte psychologische Sachverhalte mit minimalem geistigem Einsatz und in unter fünf Minuten skizzieren, über denen sie sich den ganzen Tag im Büro das Hirn zermartert hat.
Wofür man Yvonne dann noch braucht? Die hat statt dem geballten Fachwissen ihres „Ich-war-mal-beim-FBI“-Gatten jede Menge Empathie – und ist die Nichte einer Abfall-Patin, die sowohl ein Motiv als auch die hinreichende Kaltblütigkeit gehabt hätte, ihren Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Dass kürzlich deren Tochter entführte wurde, um wenig später von Yvonne in einer heruntergekommenen Kaschemme aufgefunden zu werden, erhärtet nicht nur bei Heiko, dem Fallanalytiker, einen gewissen Verdacht, dass innerfamiliäre Zusammenhänge noch eine Rolle spielen könnten.
«Herr und Frau Bulle» will die unterschiedlichen Talente (und Funktionen) seines ungleichen Ermittler-(Ehe-)Paares vor allem über die Sprache erklären. Er faselt von „divergierenden Opfergruppen“ und einer „Eskalation im Täterverhalten“ (amerikanische Fachterminologie, wie er betont), während sie im eher bodenständigen Flüsterton eingreifen darf, wenn er zu kriminalistisch-abstrakt eine Zeugin zutextet.
Im Ergebnis ist das leider eine ziemlich überkommene Rollenverteilung: Der Mann macht die Inhalte, und die Frau fühlt ganz toll mit. Was in dieser brachialen Einfachheit eine gewisse reaktionäre Lesart von Geschlechterverhältnissen fortschreibt, die man im Jahr 2020 in dieser Form eigentlich nicht mehr im Mainstream-Fernsehen erwarten würde. Da wäre ein „gleicheres“ Ermittlerpaar doch mal die bessere, weil ebenbürtigere Lösung gewesen.
Das ZDF zeigt «Herr und Frau Bulle – Abfall» am Samstag, den 16. Mai um 20.15 Uhr.
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