Inzest geht immer, und wenn man gar nicht mehr weiterkommt, kann immer noch der Ex-Knacki eine Tankstelle zusammenschießen. Die neue «Stralsund»-Folge ist eher ein Setzkasten als ein fertiger Film.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Katharina Wackernagel als Nina Petersen
Alexander Held als Karl Hidde
Karim Günes als Karim Uthman
Andreas Schröders als Techniker Stein
Johannes Zirner als Thomas Jung
Franziska Hartmann als Maren Brandt
Barnaby Metschurat als Henrik Brandt
Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch: Olaf Kraemer
Regie: Lars Henning
Kamera: Andreas Köhler
Produzent: Wolfgang CimeraWeil bei ZDF-Samstagabendkrimis auch immer ein bisschen der Service-Gedanke greifen muss, stellt die neue Folge von «Stralsund» ihre wichtigste Lektion gleich an den Anfang: Aufpassen beim Kellerumbau! Denn wenn Ihre aus Polen importierte Hilfskraft mit dem Bohrhammer zu tief im Fundament herumwühlt, wird sie irgendwann die Arbeit einstellen und mit ganz entgeistertem Gesichtsausdruck vor Ihnen stehen, weil zwischen durchnässten Zementbrocke ein eingedrücktes Frauengesicht zum Vorschein kommt.
Ihre Umbauarbeiten muss Familie Brandt also erst einmal auf Eis legen und stattdessen der Polizei jede Menge Fragen beantworten. Denn die Tote ist eine alte Bekannte, mit der das Geschwisterpaar am Tag ihres Verschwindens vor 25 Jahren noch inmitten starker wechselseitiger sexueller Spannungen am See herumgealbert und -gepimpert hat. Die Maren Brandt (Franziska Hartmann) von heute ist nun bekanntermaßen damit beschäftigt, das Haus ihres Vaters in die Bewohnbarkeit renovieren zu lassen, nachdem sie den tatterigen alten Mann ins Heim gegeben hat, während ihr Bruder gerade wieder einmal aus einer Haftanstalt entlassen worden ist.
Irgendwie soll nun für jeden was dabei sein: Dass die Verschwundene damals eine ganz reizende junge Frau gewesen sein muss – „Sie war immer verliebt: in Jungen wie in Mädchen“, resümiert ihre mittlerweile steinalte Mutter, den Blick in die herbstlich-triste Ferne schweifend, – eröffnet den Reigen für allerhand säftelnd vorgetragene Jugenderotik, die an einer schier unerträglichen Sentimentalität erstickt. Wer es dagegen etwas härter mag, für den schießt Ex- und Wohl-bald-wieder-Knacki Henrik Brandt (Barnaby Metschurat) bald eine Tankstelle zusammen und nimmt eine gelangweilte blonde Zigarettenverkäuferin als Geisel. Und für diejenigen, die wegen alter DDR-Geschichten zugeschaltet haben, erzählt Karl Hidde (Alexander Held) noch von berüchtigten mecklenburgischen Garottenmorden aus den siebziger Jahren, die die SED unter den Teppich gekehrt hat.
Zu einem konsequenten, sinnigen Ganzen summieren sich diese Elemente natürlich nie auf: Zu unterschiedlich die (versuchten) Stilrichtungen, zu beliebig die Motive und Handlungsstränge, zu egal die Charaktere. Denn über wen haben wir bisher noch gar nicht gesprochen? Richtig: Hauptfigur Nina Petersen, der in „Blutlinien“ allein die Aufgabe zuteilwird, das damalige Opfer ganz gut gekannt zu haben, und die mit ihre befreundeten Inzest-Brandts (Natürlich läuft zwischen den Geschwistern was!) sowieso. Petersens Darstellerin Katharina Wackernagel bleibt da gar nicht viel anderes übrig, als ihre Interpretation der Rolle mit einem verdrucksten Herumstehen in der Halbtotalen und möglichst mitfühlenden Blicken zu bestreiten.
Das ZDF zeigt «Stralsund – Blutlinien» am Samstag, den 9. Mai um 20.15 Uhr.
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