Leben retten, sich um seine Haarpracht sorgen, eine neue Station aufbauen, als alternder weißer Mann für Vielfalt sorgen: Rob Lowe hat viel vor.
Executive Producer
- Ryan Murphy
- Brad Falchuk
- Tim Minear
- Alexis Martin Woodall
- Bradley Buecker
- Angela Bassett
- Peter Krause
Obwohl Serienmacher Ryan Murphy schon vor zwei Jahren bei Netflix unterschrieben hat, finden noch immer neue Produktionen des «Glee»- und «American Horror Story»-Schöpfers ihren Weg ins lineare Fernsehen. So startete Anfang des Jahres auf dem US-Network FOX (nicht verbandelt mit Disney) die Action-Drama-Serie «9-1-1: Lone Star», die wiederum ein Ableger des 2018 gestarteten US-Reichweitenerfolgs «9-1-1» ist. Produziert wird das Ganze von Murphy, seinem Dauerkollaborateur Brad Falchuk, «American Horror Story»-Autor Tim Minear und der Produktionsfirma 20th Century Fox Television (geschluckt von Disney).
Obwohl es sich bei «9-1-1: Lone Star» um eine Ablegerserie handelt, ist die Verbindung zwischen beiden Formaten spärlich: Frei nach alter «CSI»-Regel bleiben Produzentenrollen, US-Heimatsender und die Dachmarke gleich, zudem gibt es gewisse tonale Ähnlichkeiten. Bei «9-1-1» und «9-1-1: Lone Star» bedeutet das: Ein durchaus beachtlicher Action-Anteil für ein Procedural, turbulente Unfall- und Katastrophenszenen sowie eine gemeinsame, spezielle Tonalität (dazu später mehr). Die Hauptfiguren in «9-1-1: Lone Star» sind dagegen neu – und nicht etwa aus «9-1-1» ausgestiegene Figuren, die nun ihr eigenes Ding drehen.
Im Zentrum von «9-1-1: Lone Star» steht der sehr engagierte Feuerwehrmann Owen Strand (Rob Lowe), der einst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 seine Station in New York ganz neu aufbauen musste. Mit seinem großen Engagement in diesen schweren Stunden New Yorks hat er sich eine Lungenkrebserkrankung eingefangen, die ihn aber nicht von der Arbeit abhalten kann. Nun macht er sich sogar auf nach Austin, Texas: Zusammen mit seinem erwachsenen Sohn will er dort ein neues Team an Lebensrettern aufbauen, nachdem bei einem dummen wie tragischen Unfall die Feuerwehrstation abbrannte und fast alle Einsatzkräfte ums Leben kamen. Unterstützung erhalten Owen und sein Sohn TK (Ronen Rubinstein) von der resoluten Sanitäterin Michelle Blake (Liv Tyler) …
«9-1-1: Lone Star» beginnt damit, dass ein Kerl ein riesiges Feuer verursacht, weil er seinen in Alufolie gewickelten Snack in die Mikrowelle packt und lodernd wieder aus dem Gerät heraus holt, woraufhin er ihn natürlich fallen lässt und sich die Flammen ihren Weg bahnen können. Das ist obendrein so sketchartig inszeniert, dass man sich fast in einer Katastrophenfilmparodie glaubt – und dann ändert sich schlagartig der Tonfall und die Szenerie wird tragisch.
Solche schlagartigen Tonfallwechsel sind zum Markenzeichen für Ryan-Murphy-Produktionen geworden –
was mal bewusst absurde Formen annimmt, andere Male hingegen ungelenk und störend sein kann. «9-1-1: Lone Star» gelingt dieser Spagat nicht durchweg galant (die Katastrophen in dieser Serie werden mitunter himmelschreiend-abstrus eingefädelt und stehen mit ihrer Knalligkeit der Stimmung der zwischenmenschlichen Szenen im Weg), dennoch ist dieses Action-Drama durchaus unterhaltsam-eklektisch geraten.
Zu verdanken ist das vor allem Rob Lowes Darstellung des Protagonisten Owen, der als überaus hilfsbereiter, kerniger Kerl mit New Yorker Aufgeschlossenheit nach Texas kommt. Wenn er verwundert kommentiert, wieso gerade er als weißer Typ im nicht-mehr-allerbesten Alter in Texas für mehr Diversität sorgen soll, kommt das Lowe mit genau der Mixtur aus Charakterzeichnung und Meta-Kommentar über die Lippen, dass man über die Serienkonstellation schmunzeln kann und Owen als bescheidenen Kerl anerkennt, der seine Situation einzuschätzen weiß.
Und nur wenige Schauspieler würden es so wie Lowe vermögen, einen Feuerwehrmann zu spielen, der 9/11 hautnah miterlebt hat und dessen größte, schwerste Angst einzig und allein ist, wie sehr seine Krebsbehandlung sein Aussehen beeinträchtigen könnte. Lowe zeigt genug Selbstironie, dass Owen nicht wie ein Schnösel wirkt, und hat dennoch genug Gravitas, dass «9-1-1: Lone Star» trotz dieser Momente noch immer als (sehr leichtes) Action-Drama mit Comedy-Elementen durchgeht, statt als schnippischer Genrekommentar.
Vielleicht liegt es daran, dass an anderer Stelle etwas zurückhaltender vorgegangen wird: Die Einsätze, denen sich die von Owen aufgebaute Truppe annimmt, sind bei aller Übertreibung noch immer längst nicht derart cartoonig wie im Original-«9-1-1». Dafür strotzen die figurenbasierten Passagen, die das Leben und zwischenmenschliche Treiben in Austin zeigen, vor Texas-Klischees. Line Dance, Cowboyhüte, Yiieh-haaw und Longhorns sorgen nicht etwa für Lokalkolorit, sondern für eine etwas augenzwinkernde, etwas platte Texas-Soße, die dem Ableger eine eigene Identität verleihen soll.
Ähnlich verhält es sich damit, wie die restlichen zentralen Figuren der Serie etabliert werden: Zugespitzt und etwas seicht. Liv Tyler ist zunächst kaum mehr als eine nette Frau, die etwas von ihrem Job versteht, und Natacha Karam sowie Brian Michael Smith sind als frühe Teammitglieder Owens kaum über ihren Diversitäts-Status hinaus entwickelt. Man kann die Serienverantwortlichen durchaus dafür loben, wie selbstverständlich sie eine Muslimin und einen Transman als kompetente Feuerwehr-Mitglieder zeigen – der nächste Schritt wäre halt, diesen Rollen auch Persönlichkeit zu verleihen. Davon hat, abseits Owens, noch TK am meisten, den Ronen Rubinstein durchaus rührend als wohlmeinenden, aber von seiner Drogenvergangenheit geplagten jungen Mann spielt und somit als wandelnde Seele des Formats.
Fazit: «9-1-1: Lone Star» ist ein bisschen knallig, dennoch ein bisschen ruhiger als der Vorläufer, und vor allem typisch Ryan Murphy.
«9-1-1: Lone Star» ist auf Sky One ab sofort immer mittwochs um 20.15 Uhr zu sehen.
Unser First Look basiert auf den ersten beiden Folgen der Serie.
Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
22.04.2020 15:17 Uhr 5
Man muss auch immer mal ein wenig die Tragfähigkeit dieser Konzepte anschauen. Ein "Chernobly" ist als Mini-Serie gut, aber beispielsweise braucht kein Mensch 200 Folgen "Parks and Recreation", irgendwann sind die Beamten-Witze auch erschöpft. Das hat "Stromberg" im Übrigen sehr gut gelöst, man schaut sich die Serie an und sagt nach der letzten Folge: "Das war schön, mehr brauche ich nicht."
22.04.2020 15:26 Uhr 6
22.04.2020 16:01 Uhr 7
Nur Schwarz und Weiß Denke verlangt ja keiner. Schaue ich mir die aktuellen Serien der angesprochenen Netzwerke aber an, entdeckt man zumeist Schema F. Hochglanzbilder, hochattraktiver Hauptdarsteller hat on-off Beziehung mit hochattraktiver Hauptdarstellerin und löst nebenbei Fälle und/oder rettet Leben. Keiner dieser Sender geht mit einer Serie mal ein Wagnis ein bzw. traut sich mal raus seiner Komfortzone. Der immergleiche Schmu, nach der immergleichen Formel.