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Die Kritiker: «Spreewaldkrimi – Zeit der Wölfe»

Der zwölfte «Spreewaldkrimi» gehört wieder zu den gelungenen Ausgaben der Reihe: Soghaft, desolat und fiebrig.

Cast und Crew

  • Regie: Pia Strietmann
  • Cast: Christian Redl, Thorsten Merten, Alina Stiegler, Sascha Alexander Gersak, Bernhard Schütz, Claudia Geisler-Bading, David Bredin, Annika Kuhl, Oli Bigalke, Hendrik Heutmann, Kai Maertens
  • Drehbuch: Thomas Kirchner
  • Kamera: Philipp Kirsamer
  • Schnitt: Sebastian Thümler
  • Musik: Martina Eisenreich
Regionalkrimis der anderen Sorte: Dafür steht die ZDF-Krimireihe «Spreewaldkrimi» seit etwa 14 Jahren und zwölf Teilen. Kein ständiges Beteuern, wie "original-gemütlich" ja nur die Rheinländer, äh, nur die Bayern, äh, nur die Pfälzer, äh, nur die echten Nordlichter, äh, nur die echt unbekümmerten Berliner sind. Kein ungleiches Duo, das sich unentwegt neckt. Keine Standard-Kriminalfälle, in die ab und zu ein paar lokale Eigenheiten eingepflegt werden. Nein, der «Spreewaldkrimi» lebt vor, wie viel kreative Freiheit in diesem Subgenre gegeben ist, wenn man denn als Sender gewillt ist, die Kreativköpfe schalten und walten zu lassen. Das ist zwar nicht immer ein Treffer, manche Ausgaben dieser Reihe greifen sogar richtig daneben, ist aber stets zumindest interessant und auffällig – und oft genug eben doch richtig stark.

Die ZDF-Reihe interpretiert den bundesweit für seine Gurken bekannten Spreewald als magischen Hort sonderbarer Ereignisse und poetisch überhöhter Gefühle, in dem nachdenklich mäandert werden darf. Unterstrichen wird dies im Regelfall durch eine hypnotische Bildsprache, ominös-leidvolle Musik und einen assoziativen Schnitt, in dem Träume, Gedanken, Rückblenden und Wahrhaftiges verschmelzen. Mal wahrlich atmosphärisch dicht und fiebrig, mal "für einen öffentlich-rechtlichen Primetime-Krimi durchaus gewagt".

Eines der Geheimnisse hinter dieser Rezeptur: Die Geschichten von «Spreewaldkrimi»-Autor Thomas Kirchner werden im Schneideraum freimütig umstrukturiert. Nicht alle, aber einige Ausgaben dieser Reihe verharren daher mitunter doppelt so lange im Schneideprozess als bei Fernsehfilmen üblich. Laut Senderangaben war das bei «Spreewaldkrimi – Zeit der Wölfe» wieder einmal der Fall …

Im Spreewald sterben kurz hintereinander zwei Menschen. Doch obwohl sich einer der beiden Todesfälle bei Forstarbeiten zugetragen hat und der andere bei einem Motorradunfall, vermutet Fichte, dass es einen Zusammenhang gibt. Er glaubt, dass die kurz vorher aus Süddeutschland hierher gezogene Rockerbande "Die Wölfe" dahintersteckt. Um dieser Spur nachzugehen, braucht Fichte Unterstützung von Kommissar Krüger. Der jedoch weigert sich, in der Sache aktiv zu werden.

Grund dafür ist seine schwere Sinnkrise – und Krügers Verweigerung wiederum führt zum Bruch zwischen ihm und Fichte. Der tut sich daraufhin mit der ehrgeizigen Polizeianwärterin Luise Bohn zusammen, um die Todesfälle aufzuklären. Krüger indes zieht sich mehr denn je zurück. Aber schon bald wird sein Einsiedlerdasein durch den Jäger Drilling gestört, der einen eingewanderten Wolf erschießen will. Krüger glaubt, dass ihm das Schicksal eine Metapher für die zunehmende Vereinsamung und Verrohung in der Gesellschaft und sich selbst vor die Füße legt …

Mit Pia Strietmann inszeniert zum zweiten Mal einen Teil der «Spreewaldkrimi»-Reihe. Die «Sturköpfe»- und «Endlich Witwer»-Regisseurin kreiert eine Bildsprache, die sich sehr gut mit den Voraussetzungen für einen gelungenen «Spreewaldkrimi» fügt. Sie zeigt einen dichten Wald, an dem es selbst tagsüber zumeist aussieht, als würde jeden Augenblick die Nacht einbrechen, die raren Sonnenstrahlen die Wahrnehmung verzerren und zwischendurch sattgrüne Oasen eine heile Märchenwelt vorgaukeln. In den Landschaftsaufnahmen blitzen zuweilen sanft an David Lynch anmutende, verzerrte Visionen von Menschen in Hasenmasken auf, oder aber das gegenwärtige Geschehen gleitet nahezu nahtlos in eine Rückblende oder einen Tagtraum über.

Strietmann erzeugt so eine packend-desolate Grundstimmung, dessen ungeachtet setzt sie nicht darauf, das Publikum zu verwirren: Wer darauf achtet, kann anhand der Farbsättigung und Lichttemperatur jederzeit den Überblick behalten, was auf welcher Ebene geschieht. So bringt sie das Publikum, obwohl sie das Grundgemüt der Filmreihe aufrecht erhält, subtil in die Position Krügers, dem seine Eingebung abhanden gekommen ist.

Auf thematischer Ebene entwirft der neue «Spreewaldkrimi» derweil ein zerrüttetes, besorgniserregendes Politbild – durchzogen vom metaphorisch mehrfach aufgeladenen Bild des Wolfs. Dient der Wolf im kürzlich von uns besprochenen Drama «Kopfplatzen» als Verdeutlichung der gefährlichen Seite des Protagonisten, ist er hier Sinnbild für Krügers Einzelgängerdasein, aber auch politisch komplex konnotiert. Der im Film behandelte Wolf ist aus dem Osten eingewandert und bringt somit eine Immigrationskomponente mit, gleichwohl dient der Wolf auch als Vorbote eines anderen, urdeutschen Problems: In «Zeit der Wölfe» geht es nämlich auch um zornige Bürger, die ihre eigene, engstirnige Deutung von Recht und Ordnung durchsetzen wollen.

Diese komplexe, innere Verzahnung von Bildnissen könnte, nicht zuletzt aufgrund eines sehr passioniert dargebotenen, boshaften Monologs bei manchen Fernsehenden für Verwirrung dahingegend sorgen, welche Stellung der Film beziehen will. Dabei machen Klangästhetik und die Reaktionen einer Sympathieträgerin durchaus klar, was die Kernaussage des Films ist, wenn man sich nicht von dieser Darbietung umwickeln lässt. Und die Vieldeutigkeit des Wolfs-Symbols ist schlussendlich auch ein bewusster, gekonnter Reizpunkt – denn so einen dicht verwobenen Teppich aus Stimmungen, Gedanken und metaphorischen Ansätzen gibt es nur selten in Primetime-Krimis zu sehen. Und dann ist dieser «Spreewaldkrimi» zudem ausdrucksstark gespielt und fesselnd inszeniert.

«Spreewaldkrimi – Zeit der Wölfe» ist am 27. April 2020 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
26.04.2020 13:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/117701
Sidney Schering

super
schade

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Tags

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Montgomery
26.04.2020 19:27 Uhr 1
Allein durch Christian Redls markante Stimme lohnt es sich, den Spreewald-Krimi zu schauen. Ein Schauer läuft einem den Rücken runter.
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