Radio mit Reichweiten-Plus in Corona-Zeiten
Nach aktuellen Zahlen hat die Nutzung des Mediums Radio in Zeiten von Corona deutlich zugenommen. Klassische Radioquoten werden nur zwei Mal pro Jahr erhoben; daher geben die klassischen Media-Analysen kaum Aufschluss über kurzzeitige Nutzungs-Effekte. Etwas mehr Einblicke bietet da schon die neue IP-Audio-Analyse, die quasi die Aufrufzahlen der Webstreams angibt. Die neue IP Audio ergibt: Im März 2020 wurden die teilnehmenden Angebote rund 450 Millionen Mal genutzt. Dies entspricht einer Steigerung der Sessions um 20,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat Februar. Während die Web-Only-Angebote um 13 Prozent zulegten, gelang den Simulcast-Angeboten (also klassische Radiosender, die ihr Programm auch im Netz streamen) ein Anstieg um sogar 27,2 Prozent. Knapp 249 Millionen Aufrufe wurden demnach im März verbucht.
Die reinen Hörstunden stiegen im März um etwas mehr als 23 Prozent (Simulcast). Den Zuwächsen bei der Hördauer stehen massive Einbrüche im Umsatzbereich gegenüber. Land auf, landab klagen Radiosender über fehlende Werbeschaltungen. Deutschlands größter Privatsender, Antenne Bayern, der laut vergangener MA knapp 900.000 Hörer in der Durchschnittsstunde hat, hat gegenüber Quotenmeter.de Zahlen genannt.
Im März habe der Werbeumsatz bereits 30 Prozent unter dem ursprünglichen Plan gelegen, im April liegt dieser bereits 60 Prozent unter dem Plan. Auch dem niedersächsischen ffn macht die Werbekrise zu schaffen. Geschäftsführer Harald Gehrung sagt: „Die ‚Corona Krise‘ setzt gerade dem regionalen und lokalen Handel stark zu. Werbebudgets werden eingefroren und davon ist unser Unternehmen stark betroffen. Wir möchten aber gerade jetzt alle Unternehmen dazu animieren, das Medium Radio für ihre Werbebotschaften zu nutzen. Noch nie wurde mehr Radio gehört als jetzt. Ich danke allen Werbekunden, die ffn jetzt die Treue halten“. Die Lokalradios in NRW berichteten vor einigen Tagen über Rückgänge von 25 Prozent im Monat März. Im Lokalradiomarkt NRW mussten sogar schon Maßnahmen zur Einsparung von Kosten getätigt werden.
Kovac fordert Werbebeschränkung
Wegen der Umsatzkrise im deutschen Privatradio hat sich am Freitag Felix Kovac, Geschäftsführer von Antenne Bayern, in einer Medienmitteilung zu Wort gemeldet. Er hat eine klare Forderung an die Politik: Er will bundeseinheitlichen Regelungen für Werbebeschränkungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und meint, dass pro Anstalt 60 Minuten Werbung am Tag reichen müssten. „Werbung sollte nur in jeweils einem Programm pro ARD-Landesrundfunkanstalt buchbar sein und sich auf nationale Werbung beschränken.“
Kovac sagt: „Angesichts der bevorstehenden Rezession, die sich nach Auffassung zahlreicher Wirtschaftsexperten über mehrere Jahre hinweg ziehen kann, sind seitens der Medienpolitik Maßnahmen zu ergreifen, die dazu führen müssen, dass der private Rundfunk handlungsfähig bleibt“. Kovac tätigt diese Aussage nicht nur als seit knapp einem Jahr amtierender Chef von Antenne Bayern, sondern auch als Mitglied des Gesamtvorstands des VAUNET / Vereinigung Privater Rundfunk e. V. In der Radiobranche sorgte die Forderung zuweilen für Verwunderung: Denn der innerhalb der VAUNET für den Hörfunkbereich zuständige Klaus Schunk (Chef von Radio Regenbogen) hat sich dazu noch nicht geäußert. Das mag auch daran liegen, dass bei Antenne Bayern noch an anderer Stelle der Schuh drückt. Der Sender hat jüngst viele Hörer verloren – erreichte nun im Frühjahr die schlechtesten Radioquoten seit über einem Jahrzehnt. Und wird – sollte sich der Trend im Juli nicht drehen – daher ab 2021 auch allgemein niedrigere Werbepreise veranschlagen müssen.
Strategiewechsel
Das hat auch Auswirkungen auf das Programm von Antenne Bayern: Schon im
Quotenmeter-Exklusiv-Interview kündigte Kovac, der seit nunmehr fast neun Monaten auch kommissarischer Programmchef seines Senders ist, Überraschungen ein. Eine davon: Kovac weicht von seiner Strategie und Überzeugung ab, dass die Zeit langer Musikstrecken im Radio vorbei ist. Diese These stellte er im August 2019 vor dem damaligen Programmrelaunch auf. Seine Antenne wollte in der Saison 19/20 wieder mit Wort und journalistischen Inhalten punkten. Jetzt steht Antenne Bayern für „Bayerns meiste Musik“. Das heißt: In der überwiegenden Anzahl der Sendestunden läuft auf Antenne Bayern in den ersten 30 Minuten einer Sendestunde Musik nonstop. Es gibt keine Moderation.
Antenne Bayern erwähnt explizit die Zeiten, in denen das der Fall ist; einfacher aber ist, wann es Wort noch in der ersten halben Stunde gibt: Werktags in Stunden, die die fünf bis acht vor der Minutenanzeige haben sowie die 13 bis 17. Und samstags und sonntags in Stunden, die mit sechs bis elf beginnen. Kurzum: Am Wochenende nur noch in 25 Prozent der Fälle, unter der Woche in 37,5 Prozent der Fälle. Bekannt ist: Längere Musikstrecken können (kurzfristig) einen Abschalt-Impuls minimieren.
Radio in Zeiten von Corona
Verschiedene Sender haben in den zurückliegenden Wochen diverse Specials auf die Antenne gebracht. Bayern 1 etwa überließ die sonst für Talks vorgesehene 19-Uhr-Stunden diversen Künstlern; so moderierten etwa James Blunt, Herbert Grönemeyer, Peter Maffay oder Rick Astley beim Oldie-Sender. Programmchef Maximilian Berg: „Große Live-Auftritte vor Publikum sind momentan ja nicht möglich. Auf diese Weise bringen wir die Fans und ihre Lieblingsstars dann aber eben über das Radio zusammen. Ich glaube, das ist eine willkommene Abwechslung in diesen Tagen und auch ein Zeichen der Solidarität aller mit allen in unserer Gesellschaft. Wir freuen uns sehr, dass all diese hochkarätigen Künstler sofort zugesagt haben und bereit sind, einmal die Rollen zu tauschen.“
Hitradio FFH hatte seine Schichtpläne angepasst – heißt: Nach der Morning-Show gab es nur noch drei Moderationsschichten. Ein Teil des umgestalteten Programms war auch die „Von-Zuhause-Show“, die Evren Gezer und Johannes Scherer präsentieren. Teils war nur einer der beiden im Studio, teils sendeten sogar beide aus den eigenen vier Wänden.
Absage
Die für Juli geplanten Lokalrundfunktage in Nürnberg sind abgesagt worden. Anstelle dessen will die Bayerische Landeszentrale für neue Medien nun eine Online-Veranstaltung abhalten. In diesem Rahmen sollen auch die Ergebnisse der Funkanalyse Bayern Radio 2020 bekannt gegeben werden. Die Online-Konferenz ist für den 7. Juli geplant. "Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit digitalen Veranstaltungen gemacht – ich freue mich auf die ersten Online-Lokalrundfunktage", sagt mit Siegfried Schneider der Präsident der Landeszentrale.
Festival-Sommer
Die Bundesregierung hat entschieden, dass bis 31. August alle Großveranstaltungen abgesagt sind - de Coronakrise frisst somit auch den Festivalsommer auf. Der landesweit empfangbare Radio Sender Rock Antenne hat nun reagiert und wird die Festivals quasi ins Radio holen. Southside/Hurricane, Deichbrand, Summer Breeze, Rock am Ring, Rock im Park, Wacken und viele andere bekommen beim Rocksender eine Heimat. Immer an den geplanten Terminen wird Rock Antenne - auch dem geplanten Timetable beim Festival folgend - Musik der angekündigten Bands im Rahmen von Spezial-Sendungen spielen.
Personalien, kurz und kompakt
1LIVE hat eine neue Moderatorin am Morgen: Weil der langjährige Moderationspartner von „dem Bursche“, Tobias Schäfer, für den WDR verstärkt anderweitig eingesetzt wird, wechselt er beim jungen Radioprogramm in die Abendstunden und moderiert wochenweise ab 18 Uhr. Neue Frühaufsteherin des Senders ist Donya Farahani.
Seit dem 6. April 2020 sind Nora Oschatz und Stefan Loll wieder als Radio Paloma Muntermacher zu hören. Die beiden sendeten bereits gemeinsam drei Jahre erfolgreich bei Deutschlands größtem Schlagersender. Nach einer Auszeit stehen sie nun wieder gemeinsam vor dem Muntermacher-Mikrofon. Programmchef Glenn Silva ist zufrieden: „Es war traurig, die beiden letztes Jahr gehen zu sehen. Nicht nur als Radiomacher, sondern auch als Zuhörer. Die beiden verstehen sich nicht nur blind, sie verstehen auch ihr Handwerk. Ich freue mich sehr, dass Nora und Stefan wieder gemeinsam unsere Schlagerfans wachmachen werden.“
Antenne Thüringen trauert: Nachrichtensprecher Jan Kätzschmann ist am Osterwochenende nach kurzer Krankheit im Alter von 45 Jahren verstorben.
Lennart Hemme ist neuer Chefredakteur von Radio Emscher Lippe. „Gerade weil er die Redaktion und das Sendegebiet in- und auswendig kennt, wird Lennart Hemme Radio Emscher Lippe für die Zukunft gut aufstellen, auch wenn der Wechsel in der Chefredaktion in eine journalistisch und wirtschaftlich herausfordernde Phase fällt“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Veranstaltergemeinschaft, Hans-Joachim Dohm.
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