«Lucy in the Sky» - Natalie Portman fliegt ins All
Als hätte sich Terrence Malick an «Aufbruch zum Mond» versucht – treffender ließe sich Noah Hawleys von wahren Ereignissen inspiriertes Astronautinnen-Drama «Lucy in the Sky» kaum beschreiben.
Filmfacts: «Lucy in the Sky»
VÖ: iTunes US
R-Rated
Genre: Drama/Biopic
Laufzeit: 124 Min.
Kamera: Polly Morgan
Musik: Jeff Russo
Buch: Brian C. Brown, Elliott DiGuiseppi, Noah Hawley
Regie: Noah Hawley
Darsteller: Natalie Portman, Jon Hamm, Zazie Beetz, Dan Stevens, Ellen Burstyn, Tig Notaro
OT: Lucy in the Sky (USA 2019)
2018 überwältigte «La La Land»-Regisseur Damien Chazelle mit seinem Weltdraumdrama «Aufbruch zum Mond» in erzählerischer Intimität wie inszenatorischer Wucht und lieferte damit einen der besten Filme seines Jahrgangs ab. Dass Noah Hawley («Bones – Die Knochenjägerin») in seinem ersten Spielfilm nun nur ein Drehjahr später von einer weiblichen Astronautin und ihrer Reise ins Weltall erzählt, erinnert da auf den ersten Blick an den aktuellen und von #MeToo und Co. angestoßenen Trend, verstärkt Filme über Frauen zu drehen und diese thematisch auf eine Ebene mit den unzähligen Werken über populäre Männer zu stellen. Sollte dem tatsächlich so sein, lässt sich nur sagen: Schade, dass es dafür erst eine Online-Kampagne benötigte. Doch «Lucy in the Sky» wirkt ganz und gar nicht wie eine aus der Not oder dem Zwang heraus geborene Arbeit, sondern wie eine Geschichte, die voll und ganz erzählwürdig ist.
Im Mittelpunkt steht die Astronautin Lucy Cola, deren Figur von der 1963 geborenen Lisa Marie Nowak inspiriert wurde. Nowak war (wie Lucy im Film) ein einziges Mal Teil einer Raumfahrer-Crew und begann anschließend eine kriminelle „Karriere“.
Zurück auf der Erde
Die ehrgeizige junge Astronautin Lucy Cola (Natalie Portman) ist gerade von ihrer ersten Weltraummission zurückgekehrt. Sie hat den Blauen Planeten von oben gesehen und ist von diesem Anblick noch immer hin und weg. Wieder auf der Erde angekommen, gehen ihr diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Fortan fühlt sie sich klein und unbedeutend, findet nicht mehr in ihren Alltag als Mutter und Ehefrau zurück. Lucy möchte so schnell es geht wieder ins Weltall hinauf. Über ihre Anpassungsprobleme in der realen Welt spricht sie derweil mit einem Psychiater. Dieser realisiert Lucys psychischen Probleme, was der jungen Frau Unbehagen bereitet. Immer mehr droht Lucy, den Bezug zur Realität zur verlieren und steigert sich in einen Wahn hinein, der für ihr Umfeld nur schwer zu ertragen ist. Und er wird eskalieren…
So viel sei direkt verraten: «Lucy in the Sky» ist – anders als der zunächst zitierte «Aufbruch zum Mond», kein klassischer Weltraumfilm, sondern befasst sich vorwiegend mit den Folgen nach einer Mission sowie den Vorbereitungen für den nächsten Flug. Vor allem aber erzählt das von Eliott DiGuiseppi und Brian C. Brown (konzeptionierten auch gemeinsam die «About a Boy»-Serie) verfasste Skript von den emotionalen Auswüchsen der Protagonistin, die nach ihrer Reise ins All unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet. «Lucy in the Sky» ist also vor allem ein Charakterdrama, dass Noah Hawley vorwiegend assoziativ mit verhältnismäßig wenig Dialog, dafür unter Zuhilfenahme einiger vorzüglicher visueller Spielereien inszeniert. Vor allem Lucys Gefühl der emotionalen Verlorenheit in der ganz normalen Welt fängt Hawley respektive seine Kamerafrau Polly Morgan («Legion») wunderbar ästhetisch ein, wenn sich nicht etwa Lucy durch die Räume bewegt, sondern die Räume (= die Welt um sie herum) wie schwerelos an ihr vorbeiziehen.
Irgendwann bekommt man auch als Zuschauer das Gefühl, dass diese Frau im Hier und Jetzt gar nichts zu suchen hat und im All deutlich besser aufgehoben ist.
Gleichwohl muss man sagen, dass es einem das Skript aufgrund der auf das Notwendigste reduzierten Erzählweise nicht leicht macht. Insbesondere über die Hauptfigur (ausgerechnet!) erfährt man kaum etwas. Und Natalie Portman («Auslöschung») gibt sich alle Mühe, diesen Eindruck der Unnahbarkeit bis zum bittersüßen Ende aufrecht zu erhalten. Mit ihr und den Außenstehenden mitzuleiden, fällt da mitunter schwer; zumal Lucys Umfeld nicht viel mehr Zuwendung zuteilwird. Lucys harsche Mutter muss sich mit der Charakterisierung der klischeehaften „Eislaufmutter“ begnügen, ihr von Lucy selbst auf Distanz gehaltener Ehemann (Dan Stevens) darf nur zwei, drei Sätze überhaupt sagen und Jon Hamm («Der Fall Richard Jewell») holt zwar noch das Beste aus seiner verführerischen Kollegenrolle heraus, wirkt aber mindestens genauso verschenkt wie «Joker»-Star Zazie Beetz, deren Figur nur dazu dient, eine auf das Finale hinzusteuernde Dreiecksgeschichte zu provozieren.
Am Ende sind vor allem all jene Szenen interessant, in denen wir Lucys Welt aus ihrer Perspektive wahrnehmen; die Faszination für die Raumfahrt genauso wie das Desinteresse an der normalen Welt. Hier wird Noah Hawley in seiner Aneinanderreihung gleichermaßen assoziativer wie wunderschöner Bildabfolgen bisweilen ähnlich undurchsichtig wie sein Kollege Terrence Malick. Und bei dem gilt ja umso mehr: Das muss man mögen!
Fazit
«Lucy in the Sky» folgt einer an posttraumatischen Belastungsstörungen leidenden Astronautin durch die Welt und auf dem Weg zum nächsten Einsatz. Das Geschehen bleibt merkwürdig distanziert, entfaltet aber eine Faszination, sofern man sich auf die Inszenierung einlassen kann und keinen „«Aufbruch zum Mond» mit einer Frau“ erwartet.
«Lucy in the Sky» soll demnächst in die deutschen Kinos kommen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel