Während sich «Let’s Dance» und «The Masked Singer» zuletzt auch ohne Studio-Publikum steigender Beliebtheit erfreuten, zeigten die Zuschauer spontan erdachten Quarantäne-Shows die rote Karte. Aber was zeichnet gute Fernseh-Unterhaltung in diesen besonderen Tagen eigentlich aus?
Für seinen Job in der ersten Live-Show von
«Deutschland sucht den Superstar» in diesem Jahr war Alexander Klaws nun wirklich nicht zu beneiden. Der 36-Jährige feierte an diesem Abend nicht nur sein Debüt als Moderator, zugleich war es auch die erste Folge von «DSDS», die
ohne Xavier Naidoo stattfand. Zweimal versuchte Klaws erfolglos, Dieter Bohlen zu einem Statement zu bewegen, bevor dieser - warum auch immer - erst im dritten Anlauf schmallippig zur veränderten Jury Stellung nahm. Als wäre das nicht schon herausfordernd genug gewesen, fand die gesamte Live-Phase von «DSDS» in diesem Jahr ohne Publikum statt. Nachdem in der ersten Show noch Familie und Freunde zugelassen wurden, blieb das große Studio, das sonst 1.700 Personen fasst, zuletzt vollkommen leer.
Trotz der schwierigen Umstände in Woche eins hat «DSDS» aber gezeigt, dass die Live-Shows auch ohne Publikum funktionieren können. Das liegt zum einen daran, dass Neu-Moderator Alexander Klaws mit der ungewohnten Situation innerhalb weniger Wochen vertraut wurde und vergangenen Samstag schon spürbar lockerer durch das Spektakel führte. Auch die Verpflichtung von Florian Silbereisen tat «DSDS» in den vergangenen Wochen gut, über seine Anwesenheit dürfte sich allerhöchsten Dieter Bohlen geärgert haben, der Schwergewichte am Jurypult traditionell nur schwer ertragen kann. Und auch die Quoten zeigen ein ähnliches Bild. Obwohl die Zustimmung beim jungen Publikum zuletzt rückläufig ausfiel, bewegen sich die Reichweiten derzeit weit und die Quoten zumindest leicht über dem Niveau der Live-Phase des Vorjahres.
Wenn der Applaus vom Band kommt
Besonders war die Situation in den vergangenen Wochen aber nicht nur für die Crew von «DSDS», sondern auch für René Travnicek. Er arbeitet bei diversen TV-Produktionen wie «Let’s Dance» eigentlich als Warm-Upper. In dieser Funktion bringt er das Studio-Publikum vor Sendungsbeginn in Stimmung und bereitet es auf die Show vor - eine Aufgabe, die dieser Tage logischerweise wegfällt. Am Set von «Let’s Dance» in Köln-Ossendorf ist Travnicek trotzdem nicht ohne Beschäftigung. Sein Job findet nun in der Tonregie statt.
„Während der Live-Show wähle ich aus zwölf aufgezeichneten Applausen aus, die ich auch miteinander mischen kann, und spiele diese zu den passenden Zeitpunkten ein“, so Travnicek im Gespräch mit Quotenmeter.de. Dabei handle es sich um Originalapplause, die zu Beginn der Staffel mitgeschnitten wurden. Platziert werden diese in Abstimmung mit dem Regisseur an genau den Stellen, an welchen sie René Travnicek sonst vom Publikum aus angeklatscht hätte.
Es ist eine transparente Täuschung, die RTL mit den Applausen vom Band betreibt, aber es ist eine wirksame. Was im ersten Moment befremdlich wirkt, hilft der Dramaturgie der Gesamtshow spürbar auf die Sprünge. Mit der Zeit vergisst man es als Zuschauer schlicht, dass gar kein Studio-Publikum anwesend ist. Dass die Kameras viel weniger zeigen und keine eindrucksvollen Studiofahrten hinlegen können, kann damit ein wenig kompensiert werden. Die Zuschauer scheinen mit den besonderen Lösungen gut leben zu können, erst am Freitag schalteten zur neusten Folge von «Let's Dance» wieder knapp fünf Millionen Zuschauer ein (wir
berichteten).
Doch obwohl die Applause für mehr Stimmung in der Show sorgen: Am Set spüre man die wegen Corona getroffenen Vorsorge-Maßnahmen stark. „Die Atmosphäre vor Ort ist kühler als sonst. Alle gehen sehr herzlich und nett miteinander um. Zugleich dürfen nur noch die ins Studio rein, die es müssen. Abstand halten ist die oberste Regel. Physisch ist keiner nah am anderen dran“, erklärt René Travnicek. Dass er für «Let’s Dance» überhaupt noch weiterarbeiten darf, bezeichnet er allerdings als Privileg. Im «DSDS»-Finale, das am heutigen Samstag um 20.15 Uhr auf Sendung geht, wird er ebenfalls einmalig Applause einspielen.
Auch wenn nach Einschätzung von René Travnicek in dieser Staffel nicht mehr mit Studio-Publikum zu rechnen sein wird, geht er dennoch davon aus, dass die aktuelle «Let’s Dance»-Staffel zu Ende gebracht werden kann. Trotz anderslautender Schlagzeilen in der
Bild ist sein Eindruck, dass die meisten Tänzerinnen und Tänzer weiter Spaß an dem Format haben. „Wenn im Team kein Corona-Fall auftritt, hat «Let’s Dance» jede Chance, bis zum Ende durchproduziert zu werden“, glaubt der 44-Jährige.
Eine andere Sichtweise auf leere TV-Studios vertritt Franziska Knuppe. Bei
«The Masked Singer» schlüpfte das Model zuletzt in das Kostüm der Fledermaus, demaskiert wurde sie vor zweieinhalb Wochen, als erstmalig kein Publikum vor Ort anwesend war. „Ich habe das gar nicht so wahrgenommen, weil ich durch die Maske das Publikum eh kaum gesehen habe, bzw. es dadurch ausblenden konnte. Ich fand einfach, dass unser Rateteam so eine tolle Stimmung gemacht und es so super gemeistert hat, dass man das überhaupt nicht so gefühlt hat“, erklärte Franziska Knuppe nach ihrem Ausscheiden aus der Show gegenüber Quotenmeter.de. Übrigens: Das Thema ,Geheimhaltung‘ bei «The Masked Singer» sei in Zeiten von Corona weder schwieriger noch einfacher geworden, wie ProSieben-Sendersprecher Christoph Körfer betont. Aktuell ist die Masken-Show wegen zwei Corona-Fällen im Produktionsteam unterbrochen, übernächsten Dienstag soll es aber weitergehen.
Erprobte Show-Konzepte und eindrucksvolle Bilder machen den Unterschied
Auch wenn Publikum vor Ort für die Stimmung wichtig ist, profitieren große Shows wie «Let’s Dance» und «The Masked Singer» dieser Tage massiv von ihren erprobten und beliebten Konzepten. Sie müssen durch die vorgeschriebenen und empfohlenen Maßnahmen zwar an einigen Stellen umdenken, das Grundgerüst der Shows ist aber gesetzt. Neben den festgelegten Abläufen leben «Let’s Dance», «The Masked Singer» und Co. zudem von ihren eindrucksvollen Kulissen. Alle Shows entstehen weiterhin in den großen Studios, die auch ursprünglich mit Publikum vorgesehen waren. «Let’s Dance» funktioniert über Bilder, die Glanz und Glamour vermitteln. «The Masked Singer» mit seinen liebevoll gestalteten und bunten Kostümen entführt den Zuschauer gar in eine regelrechte Traumwelt, die von Coronavirus und Co. maximal entfernt zu liegen scheint.
Und so war auch das Hauptproblem von all den Quarantäne-Shows, die in den letzten Tagen aus dem Boden gestampft wurden, weniger das fehlende Publikum, sondern vielmehr das fehlende Konzept. Thomas Gottschalk, Günther Jauch und Oliver Pocher quatschten in der ersten Folge der «Quarantäne-WG» mehr oder minder belanglos vor sich hin, agierten ohne Plan und bewegten sich inhaltlich irgendwo zwischen spontanem Podcast, Infotainment und lauwarmer Montagabend-Show. Die «Sat.1 Comedy Konferenz» kam zwar etwas durchdachter daher, litt aber an der räumlichen Trennung der Moderatoren im Studio und der neun Promis, die von zu Hause zugeschaltet wurden. Das erinnerte mehr an eine launige Skype-Konferenz als an eine große TV-Show.
Vekehrte Richtung: Quotentrend von «Luke, allein zuhaus»
- Woche 1: 0,47 Mio. (2,0% / 4,1%)
- Woche 2: 0,36 Mio. (1,6% / 3,0%)*
*In Woche 2: Quoten von Mo bis Do
Selbst Sat.1-Hoffnungsträger Luke Mockridge musste in den vergangenen Tagen erfahren, dass er allein nicht ausreicht, um eine ganze Stunde im Fernsehen zu tragen. Lukes Show wurde erst dann merklich besser, als er begann, sich stärker auf seine prominenten Gäste zu konzentrieren. Diese fielen in der Tat bekannt aus und deckten von Christoph Maria Herbst über Sarah Lombardi bis hin zu Eckhard von Hirschhausen ein breites Spektrum ab. Dass sich die Quoten von «Luke, allein zuhaus» trotz steigendem Unterhaltungswert in die entgegengesetzte Richtung bewegten, war zumindest aus inhaltlicher Sicht unfair.
Fazit
Es ist gut und lobenswert, dass sich die Privatsender zuletzt an viele spontane Shows herangetraut haben. Vielleicht brauchte es ja genau die Quarantäne-Sendungen der letzten Tage, um noch einmal zu erkennen, was gute TV-Unterhaltung im Jahr 2020 eigentlich ausmacht. «The Masked Singer», «Let’s Dance» und «Deutschland sucht den Superstar» leben von erprobten Konzepten und glamourösen Bildern. Die Marken sind stark genug, um auch dieser Tage unter besonderen Bedingungen zu funktionieren. Und mit Publikum vor Ort kann es im nächsten Jahr dann eigentlich nur noch besser werden.
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