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Die Kritiker: «Unter Verdacht - Evas letzter Gang»

Ein letztes Mal ermittelt am Samstagabend Senta Bergers Dr. Eva Prohacek in ihrer preisgekrönten Reihe «Unter Verdacht». Sie wird uns fehlen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Senta Berger als Dr. Eva Maria Prohacek
Rudolf Krause als André Langner
Gerd Anthoff als Dr. Claus Reiter
Heinz-Josef Braun als Bangert
Julia Franz Richter als Sarah Weiss
Anton Spieker als Lukas Weiss
Svenja Jung als Anna

Hinter der Kamera:
Produktion: Eikon Media GmbH
Drehbuch: Stefan Holtz und Florian Iwersen
auf Grundlage der Drehbücher und Figuren der erste beiden Folgen von «Unter Verdacht» aus der Feder von Alexander Adolph
Regie: Andreas Herzog
Kamera: Wolfgang Aichholzer
Abschiede liegen Dr. Eva Prohacek (Senta Berger) nicht. Denn sentimental war sie nie. Und als Kollege Langner (Rudolf Krause) an ihrem letzten Diensttag Sekt ausschenkt und ihr einen Gutschein überreicht, überfordert sie das eher, als dass sie sich sichtlich darüber freuen könnte. Beide tapsen und sprechen ungelenk aneinander vorbei, wollen einander nicht kränken und tun es doch, und sind sich trotzdem ihrer wechselseitigen Wertschätzung und Sympathie gewiss. Darin zeigt sich ein letztes Mal: «Unter Verdacht» ist eine der ganz wenigen deutschen Krimi-Reihen, der diese Eisbergdramaturgie wirklich gelingt, die mit ein paar wohldurchdachten Ansätzen einen wahren Schatz an Zwischentönen und psychologischer Komplexität sichtbar machen kann.

Als Dr. Claus Reiter (Gerd Anthoff) wenig später im Atrium eine bürokratisch pflichtbewusste (und tonal natürlich völlig falsche) Ansprache Prohacek zu Ehren hält, marschiert sie irgendwann mittendrin einfach vom Podium. Die Reflexion über das Karriereende ist zu unbarmherzig. Siebzehn Jahre hat sie als Interne Ermittlerin eine exponierte Position im Landeskriminalamt bekleidet, und wenn sie sich die Niederungen ihres aktuellen Falls ansieht, ist die Bilanz nur schwer erträglich: In fast zwei Jahrzehnten hat sie eigentlich nichts erreicht; die Kriminalität hört nie auf.

Und doch kann sie in ihrer letzten Folge zumindest mit einer Sache abschließen: dem bisher ungeklärten Rattenschwanz hinter ihrem ersten Fall. Damals war eine junge Mutter bei einem Brand ums Leben gekommen, was den Auftakt zu allerhand dubiosen Grundstücksgeschäften gab – und mittendrin: Dr. Claus Reiter. Die beiden Kinder des Opfers sind heute erwachsen und seit jeher davon überzeugt, dass ihre Mutter damals ermordet worden sei. Eine ist heute in München als Polizistin tätig und nutzt diese Position seit einiger Zeit aus, um sich Zugang zu reihenweise Unterlagen und Beweismitteln zu verschaffen. Als sich ihr (deutlich älterer) Kollege und Liebhaber in ihrer Wohnung vor ihren Augen erschießt, ruft das Dr. Prohacek auf den Plan und stößt ihre letzte Reise in den Sumpf aus Korruption und gewaltbereiter Vetternwirtschaft an.

Völlig unplakativ und trotzdem angenehm deutlich stellen die Autoren dabei das Offensichtliche dar: Der Ruhestand von Dr. Prohacek geht nicht ohne den Fall von Dr. Reiter. Beide waren dreißig Folgen lang Antipoden gewesen: sie die stets Korrekte, Pflichtbewusste, immer ernsthaft um Aufrichtigkeit Bemühte – und er im besten Falle eine etwas verharmlosende Karikatur des urbayerischen Bazitums, der Münchener Schickeria-Klüngelei, und im schlimmsten ein raffgieriger Psychopath, der in einer Kurzschlusshaltung auch mal über Leichen geht, wenn er genug unter Druck steht. Dass er von gediegenen Frauen der Finanzelite des Freistaats dabei als unheimlich charmant wahrgenommen wird, „mit so einer warmherzigen Art“, ist dabei kein charakterliches Gegengewicht, sondern folgerichtiger Ausfluss seiner gesellschaftlichen Stellung. Nicht alle Mordanstifter und Gelegenheitserpresser sind daueralkoholisierte Hartz-IV-Empfänger.

«Unter Verdacht» zeichnete sich immer durch ein gewisses Understatement aus. Die Figuren durften in dieser Reihe komplexer sein als in den meisten anderen der zahlreichen Samstagabendkrimis, die das ZDF über die Jahrzehnte etabliert hat, ihre Geschichten waren interessanter, und das folgenübergreifende Ensemble aus Senta Berger, Rudolf Krause und Gerd Anthoff eine wunderbare Besetzung. Man merkte, wie gut sie ihre Figuren kannten, wie wunderbar sie ihnen nachfühlen konnten. Gleichzeitig musste sich «Unter Verdacht» nicht schon im Titel über seinen Spielort definieren und war doch unverwechselbar in Bayern angesiedelt, ohne alle kahlen Stellen mit krachertem Lokalkolorit vollstopfen zu müssen. Diese Reihe wusste, was sie erzählen wollte, sie hatte etwas zu sagen, und das feinfühlige Portrait der nahbaren und doch menschlich manchmal schwierigen, oft merklich distanzierten Dr. Prohacek wird hoffentlich noch etwas länger nachhallen – gerne auch als Vorbild für alle neuen Krimiformate, die ihr auf diesem Sendeplatz irgendwann nachfolgen werden.

Das ZDF zeigt «Unter Verdacht – Evas letzter Gang» am Samstag, den 28. März um 20.15 Uhr.
27.03.2020 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/117080
Julian Miller

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Unter Verdacht Unter Verdacht – Evas letzter Gang

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
27.03.2020 18:02 Uhr 2
Joar, DAS ist zum Glück alles Geschmackssache, mit der angeblich "besten deutschen Schauspielerin"!! Ich konnte Frau Berger nämlich noch nie so recht leiden!
Princeps
27.03.2020 21:41 Uhr 3
Nein, Sentinel. Es ist Geschmacksache, ob dir die Arbeit von Senta Berger gefällt. Muss sie nicht, absolut legitim. Es ist aber keine Geschmacksache, ob Senta Berger eine gute Schauspielerin ist. Das ist sie nämlich, so oder so.
Kaffeesachse
28.03.2020 22:06 Uhr 4
Schon ein bissel traurig, dass nun alle großen Damen des Samstagskrimis weg sind. Rosa Roth, Bella Block und nun Frau Dr. Prohacek. :'(
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