Samuel L. Jackson und Anthony Mackie geben ein Banker-Duo aus den 50er und 60er Jahren. Ein Befreiungsschlag für den Streaming-Anbieter?
Stellen Sie sich «The Wolf of Wall Street» im Mietgewerbe vor, in schwarz und seriös, in historisch und ohne all den Exzess. Dann wird von Scorseses dekadentem Film nicht viel übrig bleiben außer einer jenseits jeder Ironie liegenden Verklärung des Raubtierkapitalismus, dem das Obszöne genommen wurde. Das Resultat könnte ein bisschen so aussehen wie AppleTV+‘ prominent besetzter Spielfilm, der lose die Biographie des afroamerikanischen Finanziers Bernard Garrett (Anthony Mackie) nachzeichnet.
In dieser Filmversion notiert sich Bernard schon als texanischer Shoeshine Boy die besten Finanzanalysen der Banker, denen er vor der Kreditanstalt die Lackschuhe poliert. Das so ergatterte Zahlenmaterial jagt er dann durch Differentialgleichungen, an denen die meisten Abiturienten schier verzweifeln dürften. Fünfzehn Jahre später zieht er mit Frau, Kind und finanzstarkem Zahlengefühl nach Los Angeles, um sich dort als Vermieter ein auskömmliches Leben aufzubauen. Die in Kalifornien weniger extremen, aber doch schmerzhaften rassistischen Zurückweisungen machen ihn nur ambitionierter: Er will das höchste Gebäude der Innenstadt kaufen, in dem zahlreiche Banken ihren Geschäftssitz haben, die ihn bisher bei seinen Kreditanträgen zumeist auflaufen ließen.
Das dafür nötige Kapital kommt vom unverhofften Venture-Partner Joe Morris (Samuel L. Jackson), einem steinreichen Variété-Showmaster, den Garretts Frau aus alten Zeiten kennt. Mit seinem üppigen Lebensstil, seiner geselligen, trinkfreudigen, ungezwungenen Art und seinem tiefen Menschenpessimismus ist Morris eine ganz andere Persönlichkeit als der professionelle, zurückhaltende, ehrgeizige Garrett – doch nach anfänglichen Reibereien ziehen beide rasch am selben Strang.
Einer fehlt nun noch zum Triumvirat: ein weißer Strohmann, der die Türen öffnet, damit die Deals nicht schon platzen, bevor die Unterschriftstinte trocken ist. Matt Steiner (Nicholas Hoult) hat ein gutes Herz und eigentlich auch ziemlich viel Verstand, ist auf dem Finanzterrain und in höherer Gesellschaft aber ein absoluter Neuling. Jetzt hat er einiges zu lernen, – Golfspielen, Hummeressen, Abzinsraten – um Morris und Garrett den Weg zu ebnen: zuerst zum Bankergebäude in Los Angeles, und später in Garretts texanischer Heimat, wo die drei ein Bankenimperium aufbauen und darin an einer Schwelle des Civil Rights Movements eine Möglichkeit sehen, der schwarzen Community aus der Armut zu helfen.
So versessen wie Bernard Garrett seine unternehmerischen Plänen angeht, so besessen ist «The Banker» derweil von seinem zentralen Thema: Identität. Mühsam und allzu dialogisiert dekliniert er Rassen-, Standes- und Herkunftsunterschiede durch, ohne jemals zu einer konsistenten Haltung oder sinnigen Schlussfolgerung zu kommen. Stattdessen werden viele Szenen allzu bemüht um ihren Kerninhalt herumgeschrieben: Für einen reichen Schwarzen aus Kalifornien, der mit dem silbernen Löffel im Mund geboren wurde, ist es eher wie Verkleidenspielen, wenn er den Chauffeur seines weißen Strohmanns mimt. Für den Schwarzen aus dem ländlichen Texas, der sich mit allerhand Mühe in die finanzielle Stabilität hat durchkämpfen müssen, kostet es dagegen eimerweise Überwindung. Und auch im vergleichsweise wenig von Rassenhass durchsetzten Kalifornien bekommt es Garrett mit ältlichen Mieterinnen zu tun, die ob des Schocks eines schwarzen Vermieters das Weite suchen, ebenso wie mit übergriffigen Polizisten, für die er eine Kopie aus dem Grundbuch immer bei sich trägt, wenn er an einem seiner Mietobjekte werkelt.
Dieser allzu kristalline, wenig ambivalente Duktus macht den Film bisweilen arg didaktisch und – wie es angelsächsische Kritiker nennen würden: – preachy. Doch das Problem liegt tiefer: Denn «The Banker» suggeriert eine klare soziale Trennlinie, die auch in den 50er und 60er Jahren manchmal unscharf, viel weniger linear und viel komplizierter war, als dieser Film sie abbilden will. So verleiht er seiner (in der Sache ja korrekten) Check-your-Privilege-Haltung vielleicht eine etwas größere Klarheit, verzichtet dabei aber auf eine soziologisch und psychologisch wirklich komplexe Ausdifferenzierung, die man gerade bei diesem Stoff gerne gesehen hätte.
«The Banker» ist bei AppleTV+ zu sehen.
25.03.2020 11:20 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/117028
Julian Miller
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