Sigmund Freud als drogensüchtiger Mörderjäger? In einer neuen Netflix-Serie deckt der berühmte Psychologe eine Verschwörung auf, in den Tiefen der Wiener Unterwelt.
Cast & Crew «Freud»
- Showrunner: Marvin Kren
- Darsteller: Robert Finster, Ella Rumpf, Georg Friedrich, Anja Kling u.a.
- Regie: Marvin Kren
- Drehbuch: Marvin Kren, Stefan Brunner, Benjamin Hessler
- Produzenten: Heinrich Ambrosch, Moritz Polter, Sonja Hoffmann, Marvin Kren
- Produktion: ORF und Netflix
- Folgen: 8 in S1 (je ca 60 Min.)
Immer auf das Pendel achten. Wie es vor den Augen hin und her schwingt. Immer auf das Pendel achten. Die Augen schließen. Siehst du deine tote Tochter vor dir?
Die Hypnosetechnik ist Sigmund Freuds liebstes Instrument, um Traumata zu heilen. Er gegen die gesamte restliche Wissenschaft. Freud selbst bezeichnet sich als Außenseiter. Als einer, der die Kollegen Lügen strafen will – denn sie glauben nicht an die Hypnosetechnik. Dass der junge Freud selbst nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, zeigt sich aber ebenso deutlich: Um die Kollegen von der Hypnose zu überzeugen, inszeniert er bei einem wissenschaftlichen Vortrag eine Hypnose – mit seiner Haushälterin. Doch die vermasselt die Show, und Freud steht lächerlich da. Seine weiteren Probleme: Regelmäßig konsumiert er Kokain. Hat Wutanfälle. Und plötzlich liegt eine fast tote Prostituierte in seiner Wohnung.
Mit diesen Ereignissen beginnt die neue Serie «Freud», ein gemeinsames Projekt des österreichischen Rundfunks ORF mit dem Streaming-Anbieter Netflix. Das Team um Showrunner Marvin Kren kreiert dabei eine fiktive Version des berühmten Psychoanalytikers, die es in sich hat. Und einen fiktiven Wiener Kriminalfall aus dem Jahr 1886, der es noch mehr in sich hat. Denn besagte Prostituierte stirbt in Freuds Händen; er konnte sie nicht mehr retten. Wer hat die junge Frau umgebracht? Bald lernt Freud auf einer Séance die Gräfin Sophia von Szápáry kennen, die weitere düstere Visionen hat: Ein junges Mädchen verschwindet in der Wiener Kanalisation. Kurze Zeit später wird der Traum zur Wirklichkeit.
Und Sigmund Freud findet sich inmitten einer Verschwörung wieder, die immer weitere Kreise in der Wiener Bürgerschaft zieht. Mithilfe der Gräfin und ihrer Fähigkeiten versucht er, den Geheimissen auf die Spur zu kommen. Séancen, Hypnosen, blutige Horrorfiguren, eine Folterkammer, Mumien, kokaingetränktes Erbrechen, Kannibalismus – diese Serie wird immer abgedrehter, je weiter der Zuschauer in die Ereignisse abtaucht.
«Freud» bei Netflix: Verstörender Cocktail ohne Nachgeschmack
«Freud» ist eine extrem pulpige Serie ohne jeglichen Anspruch an historische Genauigkeit oder psychologische Tiefe – wie man es bei einem Stoff um den Mediziner eigentlich vermuten könnte. Die Serie nimmt sich dabei Kinofilme wie «Abraham Lincoln, Vampirjäger» oder «Stolz und Vorurteil und Zombies» als Vorbilder, die ebenso historische Stoffe in eine verzerrt-wahnsinnige Geschichte tränkten. Atmosphärisch fühlt man sich dagegen an Kubricks Klassiker «Eyes Wide Shut» erinnert, mit all den Geheimbünden, Festivitäten und Verschwörungen. Es ist eine dunkle Serie. Eine sehr dunkle.
Sobald man den fehlenden Tiefgang sowohl in Geschichte als auch bei den Figuren akzeptieren kann, erwartet den Zuschauer eine abwechslungsreiche Serie, deren Verrücktheitsgrad sich von Folge zu Folge steigert. Schauspielerisch spielt das Ensemble um Robert Finster (Sigmund Freud) großartig – eine Abneigung gegen den Wiener Dialekt darf man aber keinesfalls mitbringen. «Freud» rührt einen verstörenden, oft gedankenlosen Cocktail ohne bitteren Nachgeschmack. Und ist in diesen Zeiten damit vielleicht für manchen eine gute Flucht aus der grauen Realität.
Alle Folgen von «Freud» sind auf Netflix verfügbar.
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