Ein öffentlich-rechtlicher Krimi wie eine Parodie bei «Switch Reloaded»: Wo Heimat Bummsfallera heißt und die Tuba zum patenten Mordwerkzeug wird.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Kai Scheve als Robert Winkler
Lara Mandoki als Karina Szabo
Teresa Weißbach als Saskia Bergelt
Adina Vetter als Charlotte von Selin
Adrian Topol als Maik
Andreas Schmidt-Schaller als Georg Bergelt
Tim Bergmann als Peter Wiese
Hinter der Kamera:
Produktion: NFP
Drehbuch: Leo P. Ard (d. i. Jürgen Pomorin) und Rainer Jahreis
Regie: Ulrich Zrenner
Kamera: Wolfgang Siegelmann
Produzenten: Clemens Schaeffer und Rainer JahreisDas neunsilbige Wort „Sellerieüberempfindlichkeit“ ist mit Sicherheit eines der unsexysten der deutschen Sprache, gleich nach „Fäkalienhebeanlage“ und „Analfissurbehandlung“. Und trotzdem haben die Autoren des neuen «Erzgebirgskrimis» ganze Passagen um dieses artikulatorische Ungetüm herumgebaut, weil eine Figur aus dem Kreis der Verdächtigen mit dem ominösen Gewürzpulver ermordet wurde, das dem leidenschaftlichen Laienmusikanten auf das Mundstück seiner Tuba gestreut worden war.
Man muss seinen Blick also oft sehr genau auf das Logo in der linken oberen Bildschirmecke richten, um sich zu vergewissern, dass man tatsächlich beim ernst gemeinten ZDF-Krimi gelandet ist und nicht bei einer belämmerten «Switch-Reloaded»-Parodie, in der die berechneten bis sonderbaren Stereotypen dieser Samstagabend-Spielart ins hemmungslos Satirische überdreht wurden. Destilliert man die Quintessenz des Stoffes in einen einzigen Satz, wird der Unterschied nicht deutlicher: Eine Landschaftsarchitektin hat einer Tubazusammenschrauberin den Geologiegutachter ausgespannt, der nach ihrer Ermordung nun eine Affäre mit der Geschäftsführerin des örtlichen Metallblasinstrumentenherstellers hat, die ihren Ehemann betrügt.
À propos Blasinstrumente: Denn Erzgebirge bedeutet für diesen Krimi vor allem Bummsfallera, und wer sich jedes Mal, wenn mit zünftigem Wumms das Steigerlied erklingt, einen Augustus Rex hinter die Binde kippt, dürfte spätestens zur Hälfte knülle genug sein, um dem Dreiklang aus im Wald ermordeten Akademikerinnen, deren griesgrämigen Gärtnerbrüdern und einem dubiosen Ökotrophologen, der mit grenzenloser Inkompetenz den massiven Radonbefall des Ortes verschleiern will, nicht mehr abschließend folgen zu können. Oder zu müssen.
Während die Episodenrollen von Anfang an durchschaubar bleiben und ihr Handlungszweck sich weitgehend darauf beschränkt, dass die Tölpel einander Alibis fälschen, bleiben die Ermittlerfiguren – allen zuvorderst Neuling Robert Winkler (Kai Scheve), der nach Jahrzehnten des Exils als Kommissar zurück in die ländliche Heimat torkelt, – ebenso eine misslich klingende Kadenz aus Stereotypen und Klischees: Lange bevor Winklers Jugendtrauma endlich offen diskutiert wird, hat man alles Notwendige schon eine halbe Stunde zuvor geahnt, als der Heimkehrer zur Nervtötung seiner Kollegin auf dem Beifahrersitz mitten auf der Landstraße kurz Halt macht, um auszusteigen und theatralisch seine Hand auf einen voluminösen Baumstamm zu legen.
Derweil meint der neue «Erzgebirgskrimi», dem Zuschauer ständig seinen Spielort erklären zu müssen, als handele es sich bei ihm nicht um einen Teil Deutschlands, sondern um ein fernes, seltsames Land, mit für unser Publikum allerhand unverständlichen Bräuchen und gänzlich unbekannten geografischen Gegebenheiten: „Winkler is‘ hier ja auch kein ungewöhnlicher Name“, wird das
Foreshadowing zur totgefahrenen Freundin des Kommissars eingeleitet; das exotische Karlsbad „is‘ ja gleich ums Eck in Tschechien“, wird uns auseinandergesetzt, auch wenn man dem sabbernden ZDF-Zuschauer wohl sicherheitshalber gleich eine Landkarte hätte einblenden sollen, falls der nicht weiß, was Tschechien ist; und Teresa Weißbach darf als gebürtige Zwickauerin mit „Die haben ‘ne kleene Tochter“ zwar ein bisschen sächseln, aber ja nicht so stark, dass es an einschlägige Maschendrahtzaun-Beispiele erinnert. Lokalkolorit für Zuschauer, die keine Vorstellung davon haben, welche Lokalität hier koloriert werden soll.
Das ZDF zeigt «Erzgebirgskrimi – Tödlicher Akkord» am Samstag, den 7. März um 20.15 Uhr.
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