Basierend auf dem gleichnamigen Roman von H.G. Wells geht es in «Der Unsichtbare» um eine außergewöhnliche Bedrohung. Doch Regisseur Leigh Whannell erfindet für seine Neuverfilmung einen neuen, smarten Dreh.
Filmfacts: «Der Unsichtbare»
Start: 27. Februar 2020
Genre: Horror/Drama
FSK: 16
Laufzeit: 125 Min.
Kamera: Stefan Duscio
Musik: Benjamin Wallfisch
Buch und Regie: Leigh Whannell
Darsteller: Elisabeth Moss, Aldis Hodge, Storm Reid, Harriet Dyer, Michael Dorman, Benedict Hardie, Sam Smith, Amali Golden
OT: The Invisible Man (AUS/USA 2020)
Horrorfilme von heute dienen längst nicht mehr nur dazu, ihre Zuschauer für ein paar Stunden so richtig zum Schaudern zu bringen. Spätestens seit «Der Babadook» aus dem Jahr 2014 verhandeln die Gruseldramen aus einer Generation junger Horrorfilmer unter dem Deckmantel klassischer Genrekost Themen wie toxische Liebesbeziehungen («Midsommar»), Rassismus («Get Out») oder den politischen Umbruch im Nachkriegsdeutschland («Suspiria»). Leigh Whannells freie Neuinterpretation des britischen Schauerklassikers von H.G. Wells reiht sich nun ebenfalls hier ein. In seinem mit einigen wenigen, klassischen Horrorelementen versehenen Drama geht es primär darum, wie sich eine Frau ihres Stalkers zu entledigen versucht. Und da ist es letztlich auch nur zweitranging, dass sich ihr brutaler Ex-Freund mithilfe eines futuristischen Anzugs unsichtbar machen kann. Der hier auch als Drehbuchautor fungierende Leigh Whannell («Upgrade») konzentriert sich die komplette erste Hälfte auf die instabile Psyche seiner durch den Terror ihres vermeintlich verstorbenen Partners vollkommen verstörten Protagonistin, die ihr Umfeld lange Zeit einfach für hysterisch hält.
Darin liegt hier nämlich der wahre Horror: Eine Misshandelte muss ihr Umfeld erst einmal von ihrem Opfer-Dasein überzeugen, damit man ihr Glauben und später Schutz schenkt. Elisabeth Moss («Wir») ist in der Rolle der Cecilia Kass also das genaue Gegenteil vom heroischen „Final Girl“.
Gefangen in einer toxischen Beziehung
Cecilia Kass (Elisabeth Moss) fühlt sich in der von Gewalt geprägten Beziehung mit einem wohlhabenden und genialen Wissenschaftler gefangen. Um sich vor ihrem kontrollsüchtigen Partner zu verstecken, flieht sie mitten in der Nacht, mit Hilfe ihrer Schwester (Harriet Dyer), ihres Kindheitsfreundes James (Aldis Hodge) und seiner Teenager-Tochter Sydney (Storm Reid). Als ihr handgreiflicher Ex Adrian (Oliver Jackson-Cohen) Selbstmord begeht und ihr einen erheblichen Teil seines großen Vermögens hinterlässt, befürchtet Cecilia, er habe seinen Tod inszeniert. Tatsächlich beginnt anschließend eine Serie unheimlicher Zufälle mit tödlichem Ausgang, deren Ziel ihre am meisten geliebten Menschen sind. Verzweifelt versucht Cecilia nun zu beweisen, dass sie von etwas gejagt wird, das niemand sehen kann. Ein Kampf, der sie zunehmend an den Rand des Wahnsinns treibt.
Ursprünglich hatte Universal Pictures bereits 2014 den Startschuss für das sogenannte „Monster Universe“ abgegeben. Damals erhoffte man sich von der «Dracula»-Neuinterpretation «Dracula Untold», dass der anhaltende Hype um Film-Universen auch im Horrorbereich dauerhaft Geld in die Studiokassen spülen würde. Doch weder «Dracula Untold» (trotz vielversprechendem Cliffhanger) noch der zweite Versuch «Die Mumie» mit Tom Cruise schürten das Interesse bei den Zuschauern. Das ist im Anbetracht von «Der Unsichtbare» aber auch ganz gut so. Denn selbst wenn der Terminus „Monster Universe“ immer mal wieder im Umfeld der Premieren fiel und sich auch Blumhouse-CEO Jason Blum nicht davon abgeneigt zeigte, den Film in ein ausladendes Franchise einzubetten, steht der Film viel besser alleine da; und zwar nicht als reißerische Neuinterpretation des mittlerweile schon fünfmal für die Leinwand adaptierte Stoffes (zuletzt im Jahr 2000 als «Hollow Man» mit Kevin Bacon), sondern als zeitgemäßes Drama.
Das könnte einige ins Kino Verirrte auf den ersten Blick irritieren. Erst recht, weil ja mit dem Blumhouse-Studio ein Konzern hinter der Verfilmung steht, der mit einigen Ausnahmen («Get Out» gehört dazu) vornehmlich für standardisierte Horrorkost bekannt ist. Und gewiss steigt «Der Unsichtbare» nicht bis in die dramatischen Sphären eines «Hereditary» auf und kann auch mit komplex erzählten Schockern à la «Suspiria» nicht mithalten. Doch mit welcher Konsequenz Leigh Whannell hier seinen Missbrauchs-Subtext in ein Sci-Fi-Horrorgewand hüllt, kann sich wahrlich sehen lassen.
Elisabeth Moss in einer Tour-de-Force
Das beginnt schon damit, wie Whannell in den ersten zehn Minuten Spannung mittels klassischer Horrormechanismen schürt, in Wirklichkeit aber gar nicht von etwas Übernatürlichem oder auf andere konventionelle Art und Weise Grauenvollem erzählt, sondern ganz simpel mithilfe der Angst seiner Hauptfigur vor ihrem Freund. Cecilia erwacht in einem riesengroßen, lichtdurfluteten Anwesen am Strand. Ihren mit ihr im Bett liegenden Freund hat sie mithilfe von Beruhigungstabletten ausgeknockt. Nach ausgeklügelten Vorkehrungen packt sie ihre Sachen, versorgt den Hund, schaltet sämtliche Sicherheitsvorkehrungen im Haus ab und behält den Schlafenden dabei ständig mithilfe einer Kamera im Blick. Die Anspannung in diesen Minuten ist von vornherein kaum zum Aushalten. Und dieser Szenenaufbau allein genügt zudem, um sich ein Bild davon zu machen, welche Qualen die junge Frau in der Beziehung offenbar erdulden musste, wenn es einen derart durchdachten, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgeführten Plan benötigt, an dessen Ende Cecilia noch nicht einmal einen Schlüssel besitzt, um aus dem Haus zu kommen, sondern stattdessen eine steile Mauer hinaufklettern muss, um endlich frei zu sein.
Die innerhalb dieser Szene aufgebaute Verstörung wird auf die Spitze getrieben, wenn wir den Mann für ein paar Sekunden dann eben doch noch zu Gesicht bekommen; und dieser mit aller Kraft (im wahrsten Sinne des Wortes!) versucht, „seine“ Frau wieder zu sich zurückzuholen. Nichts an diesem Umstand hat irgendetwas mit Paranormalität oder Übernatürlichkeit, geschweige denn bereits mit dem später im Mittelpunkt stehenden Unsichtbarkeits-Phänomen zu tun. Und doch kreiert Whannell ein beklemmendes Schockszenario, dessen emotionale Wucht in der ersten halben Stunde nicht abfällt. Zum einen, weil Elisabeth Moss das von der Beziehung zurückgebliebene Trauma bis zuletzt in Gesicht geschrieben steht. Zum anderen, weil ihr Umfeld dieses immer wieder emporkramt. Denn so mitfühlend und aufopferungsvoll Cecilias Kumpel James zunächst auch reagieren mag, so wenig Verständnis zeigt er doch, als ihre Ängste auch mit der Zeit nicht abklingen mögen. Und da ist noch lange nicht die Rede von Unsichtbarkeit und so…
Mit dieser überhöht Whannell die eigentliche Thematik schließlich nur, während die seelische Verfassung seiner Protagonistin stets das Zentrum bleibt. Nicht einmal besonders viele Jumpscares wendet er auf (insgesamt haben wir in den 100 Minuten drei Stück gezählt), um aus der ohnehin unsichtbaren Bedrohung noch irgendeinen Schockeffekt zu kreieren. Stattdessen macht er aus der Not (man kann etwas, was man nicht sehen kann, ja schlecht nutzen, um es dem Zuschauer ins Gesicht springen zu lassen) eine Tugend: Die simpel aber effektiv getricksten Momente, in denen die Kamera (Stefan Duscio) einfach nur sehr lange eine bestimmte Kulisse abfilmt, entwickeln ihre Spannung häufig nur aus minimalen Änderungen; etwa wenn ohne sichtbares Zutun plötzlich der Herd hochgedreht wird. Noch mehr Anspannung kreieren die Macher aber ironischerweise dann, wenn einfach überhaupt nichts passiert, man dank der zielgerichteten Kameraführung, zumeist aus Cecilias Perspektive, aber weiß, dass etwas im Raum sein muss, was man nur eben nicht sieht. Und wenn man gerade in der ersten Filmhälfte noch überhaupt nicht einschätzen kann, ob sich Cecilia das alles nicht vielleicht doch einbildet – ihr skeptisches Umfeld leistet in seiner Beständigkeit, ihr eine Verrücktheit einzureden, ganze Arbeit – funktionieren diese Szenen besser als jeder noch so routinierte Schockmoment.
Von dieser inszenatorischen Ruhe kommt «Der Unsichtbare» im Finale los. Das ist ein wenig schade, auch wenn Stefan Duscio hier einmal mehr mit denselben Kameraspielereien auffahren kann, wie bereits in seinem Action-Kleinod «Upgrade». Immer wieder klebt die Kamera förmlich an den gerade eingefangenen Menschen, sodass sich einige großartige Perspektiven ergeben; etwa, wenn Opfer nach einem Schusswechsel krachend zu Boden fallen. Überhaupt sind die Szenen, in denen Sichtbare gegen Unsichtbare kämpfen, ziemlich formidabel choreographiert und entschädigen dafür, dass Whannell am Ende vielleicht einfach einen Tick zu viel Action haben wollte, bevor er im Finale mit einem Twist aufwartet, der den Film wahlweise mit einem Happy End, oder einfach nur extrem böse enden lässt.
Fazit
Am Ende geht «Der Unsichtbare» ein wenig die Puste auf. Davor gelingt Leigh Whannell allerdings ein sehr smartes, atmosphärisch inszeniertes Drama über häusliche Gewalt und Missbrauch, das den gut getricksten Unsichtbarkeits-Überbau eigentlich gar nicht bräuchte, um verdammt unheimlich zu sein.
«Der Unsichtbare» ist ab dem 27. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
Das wird wahrscheinlich schon mein 2. Film dieses Jahr im Kino werden....und, das schon im Februar!! Wow, das habe ich schon lange nicht mehr geschafft, dass ich schon im 2. Monat des Jahres 2 Filme im Kino sehe....:-)
Ja, es hat sich leider sehr viel zu Ungunsten des Kino*s geändert seit den Streaming Diensten....man ist "faul" geworden und bequemer....
Sentinel2003 11.03.2020 10:10 Uhr 2
Diese Lobhudelei auf diesen Film "Hereditary" kann ich weiterhin null nach vollziehen!! Da hat mir dieser Horror Film weitaus viel besser sogar gefallen!!
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
25.02.2020 11:23 Uhr 1
Ja, es hat sich leider sehr viel zu Ungunsten des Kino*s geändert seit den Streaming Diensten....man ist "faul" geworden und bequemer....
11.03.2020 10:10 Uhr 2