Pünktlich zum Valentinstag beschert uns Netflix eine Romantic Comedy made in Germany. Ein neuer Impuls für das Genre – oder doch nur wieder ein beliebiges ungleiches Liebespaar?
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Lisa Vicari als Isi
Dennis Mojen als Ossi
Ernst Stötzner als Ossis Opa
Christina Hecke als Isis Mutter
Hans-Jochen Wagner als Isis Vater
Zoë Straub als Camilla
Lisa Hagmeister als Ossis Mutter
Hinter der Kamera:
Produktion: X Filme Creative Pool GmbH
Drehbuch und Regie: Oliver Kienle
Kamera: Yoshi Heimrath
Produzenten: Uwe Schott und Stefan Arndt
Isi (Lisa Vicari) aus Heidelberg und Ossi (Dennis Mojen) aus Mannheim trennt eigentlich nur der Neckar. Und trotzdem könnten sie genauso gut auf unterschiedlichen Planeten leben. Denn während der Kontostand von Isis Eltern zehn Stellen vor dem Komma aufweist, hat Ossis Mutter nicht einmal einen lumpigen Hunderter auf der hohen Kante liegen. Die Vermögensunterschiede der beiden Familien haben sich auch auf nahezu alle anderen Lebensbereiche durchgeschlagen: Isi hat sich die ganze Gymnasialzeit über nichts aus Schule gemacht, sodass eben die patenten Anwälte der Eltern das Lehrerkollegium so lange drangsaliert haben, bis am Schluss ein passables Abiturzeugnis stand.
In Ossis Familie war Bildung im Speziellen und langfristiges Denken im Allgemeinen nie eine Priorität: Essen auf den Tisch zu stellen, war genug der Herausforderung. Seine alleinerziehende Mutter schwimmt als Kleinunternehmerin mit einer schlecht laufenden Tanke in den Schulden, sein Großvater hat wegen verbaselter Überfälle eineinhalb Jahrzehnte hinter Gittern zugebracht. Ossis Ziel: Profiboxer werden. Doch für den ersten großen Schritt fehlen ihm einige Tausend Euro.
Während er darüber gerade in einem schrammeligen Burgerladen mit seinem Kumpel Kriegsrat hält, marschiert Isi zur Tür herein, erbost über ihre Eltern, die Welt und am allermeisten sich selbst, weil sie in ihrem Leben aus eigener Kraft nichts auf die Kette gekriegt hat. Anstatt artig BWL zu studieren, will sie sich in New York zur Spitzenköchin ausbilden lassen. Doch dafür rücken die Eltern nicht mit der Kohle raus.
Töchter aus gutem Hause wissen, was nun schnell fruchtet: Erpressung. Also verabschiedet sich Isi aus dem Leben der Oberoberoberschicht und heuert in der ranzigen Burgerbraterei an. Der etwas prollige, aber intelligente Ossi wird prompt zu einer weiteren Komponente des Konzepts und für 25.000 Euro als neuer Pseudo-Boyfriend eingekauft. Dass das „Pseudo“ alsbald entfallen wird und der vertragsähnliche Zustand zwischen den beiden Hotties nicht lange bestehen bleiben kann, dürfte nicht nur anhand des Veröffentlichungsdatums dieses Films keine Überraschung sein, sondern auch wegen der eher amerikanischen Romcom-Erzähllogik, der «Isi & Ossi» folgt.
Daraus ergibt sich auch, wie der Film seine Zuschauerschaft von der ersten Minute an kriegen will – samt allen Nachteilen: Denn während man eine so hohe Pointendichte im deutschen Fernsehen (oder Internet) lange nicht gesehen hat, bleiben die angestoßenen Beobachtungen über die Lebensrealität junger Menschen am obersten und untersten Ende der sozioökonomischen Skala allzu oberflächlich. Diesen Kritikpunkt werden manche durch den nachdrücklichen Hinweis entwerten wollen, das hier sei „Satire“ und für ein „junges Publikum“ – doch die wirklich guten Satiren vereinigen ihren enormen Einfallsreichtum (den man «Isi & Ossi» nicht absprechen kann) eben mit einem tiefen Verständnis für ihre Figuren und einer ernsthaften Begegnung mit ihrer Lebensrealität, um dann immer im rechten Moment zur nächsten Pointe anzusetzen.
Denn auch die bestens gefüllte Gag-Wundertüte trägt keine zwei Stunden Film und gibt ihre Charaktere irgendwann zum Spott frei. Autor und Regisseur Oliver Kienle («Bad Banks») hat dieses Problem wohl kommen sehen und vielleicht deshalb einen so illustren Reigen aus wirklich witzigen Nebenfiguren ins Ensemble aufgenommen. Denn das eigentliche dramaturgische Rückgrat dieser Geschichte – die sich anbahnende, von Missverständnissen und Standesunterschieden geprägte Beziehung zwischen Isi und Ossi – ist eigentlich eine Nebenbaustelle, und selbst die schwerwiegenderen Plot-Twists (der Proll lädt irgendwann bloßstellende Videos der Heidelberg-Trulla ins Internet) werden zügig und unterkomplex wegskandiert. Besser gefällt da schon die Betrachtung von Ossis Knacki-Opa, den Ernst Stötzner erstaunlich authentisch zum Geronten-Eminem hochspielt. Dafür hat Kienle seinen Protagonisten aus allen Milieus, Schichten und Altersgruppen genau auf den Mund geschaut, und ihre Manierismen, Sprachbilder und Ausdrucksmarotten angenehm subtil in das Drehbuch eingearbeitet.
«Isi & Ossi» ist ab dem 14. Februar auf Netflix verfügbar.
13.02.2020 12:00 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/115851
Julian Miller
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