Die erste Staffel «Bad Banks» war schnell erzählt und doch mit psychologischem Tiefgang, dynamisch, modern und klug. Kann die zweite Season da mithalten?
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Paula Beer als Jana Liekam
Barry Atsma als Gabriel Fenger
Désirée Nosbusch als Christelle Leblanc
Albrecht Schuch als Adam Pohl
Mai Duong Kieu als Thao Hoang
Tobias Moretti als Quirin Sydow
Noah Saavedra als Ben Kaufmann
Hinter der Kamera:
Produktion: Letterbox Filmproduktion GmbH, Iris Productions SA, Real Film Berlin GmbH, ZDF und arte
Drehbuch und Story: Oliver Kienle
nach einer Idee von Dr. Lisa Blumenberg
Konzeptentwicklung: Jana Burbach, Jan Galli, Ron Markus und Wolf-Alexis Puttfarken
Regie: Christian Zübert
Kamera: J. Moritz Kaethner, Ngo The Chau und Markus Zucker
Produzenten: Dr. Lisa Blumenberg und Nicolas SteilZumindest in einer Hinsicht erkennt «Bad Banks» die Zeichen der Zeit: Das Geschäftsmodell „Investment Banking“ pfeift – mitunter dank einschneidender supranationaler Regulierungen in allen relevanten Märkten – aus dem letzten Loch, und den Tradern, die früher mit enormem Erfolg mittels manischer Telefonate Schrottpapiere an Grenzdebile vertickt haben, bricht die Arbeit weg. Die Zukunft liegt in der Welt von Fintech, wo Algorithmen in Form von Roboadvisern Geldanlagen verwalten – ohne überbezahlte Fonds-Manager, die früher einen großen Teil der Kursgewinne und Dividenden absaugten. Bevor die Automatisierung in Daimler- und VW-Werken voll zuschlägt, setzt sie bisher gutverdiendende, hochintelligente Finanztalente auf die Straße.
Doch Menschen (oder Figuren) wie Jana Liekam (Paula Beer), Adam Pohl (Albrecht Schuch) und Thao Hoang (Mai Duong Kieu) sind klug, flexibel, jung und ungebunden genug, um auch auf durchgreifende Veränderungen souverän reagieren zu können. Sogar ihr starres Konzerngerippe, die „Deutsche Global Invest“, – weiterhin eine Mischung aus misgemanagter Commerzbank, dahinsiechender Deutschen Bank und um die Ohren fliegender Hypo Real Estate – gründet einen „Start-up-Inkubator“ in Berlin. Und da Jana und ihre Bande schon lange zum Spielball der Konzernspitze beim gegenseitigen Intrigieren geworden sind, führt sie die neue Staffel in die pulsierende, hippe, selbstbesoffene Gründerszene, die anscheinend ziellos, aber irgendwie effektiv zwischen blauäugiger Weltverbesserungsideologie und eiskaltem kapitalistischen Kahlschlag alterniert.
Geht man von den Aspekten aus, die die erste Staffel von «Bad Banks» zu so einem erstaunlichen und gelungenen Seherlebnis machten, müsste nun – statt einer kohärenten, klugen, umsichtigen, und von ehrlichem Interesse am Milieu statt gängigen populistischen Vorurteilen getriebenen Dekonstruktion der Bankenwelt – eine intelligente Beschäftigung mit den Reizen, Abgründen und Daseinsrealitäten der europäischen Start-up-Szene folgen, ebenso elegant und subtil eingebettet in die dynamischen und wendungsreichen, aber glaubhaften Plots.
Doch hier hat die zweite Staffel von «Bad Banks» ihren Groove verloren, denn die Start-up-Welt bleibt ein weitgehend beliebiger Schauplatz, dessen Dissonanz zwischen nachhaltig-grünem Anstrich in der Außenwirkung, der marktradikalen Realität und der Enttäuschung ehrlich idealistischer Mitarbeiter zwar folgerichtig und intelligent beschrieben wird: Doch das Milieu wächst nicht über seine Funktion als austauschbarer Hintergrund hinaus, vor dem sich die Protagonisten ihren allzu vorhersehbaren und sonderbar überdrehten Machtspielchen hingeben.
Die Komplexität der neuen Folgen von «Bad Banks» beschränkt sich nahezu vollständig auf das schwer durchschaubare Geflecht aus Allianzen und Verpflichtungen zwischen den Figuren. Psychologisch und inhaltlich hat sich die Serie hingegen von den diffizilen, abwägenden, betrachtungsreichen Sichtweisen und Haltungen ihrer ersten Staffel verabschiedet und geht nun den Weg eines «Dallas» der Hochfinanz, eines «Dynasty» der Gründerszene.
Mit zunehmendem Handlungsverlauf scheinen irgendwann die Ideen ausgegangen zu sein. Die große Klimax der aufeinander treffenden Interessen gerät zur müden Schlägerei vor einer Luxemburger Villa mit anschließendem Versöhnungs- und Intrigantenfrühstück, nachdem am toten Punkt der Dramaturgie die alten zwischenmenschlichen Spannungen eben auf sexuellem Wege entladen werden sollen – ein zu einfaches, billiges Denken für ein «Bad Banks», das mal mit Authentizität und aufrichtigem Willen zur Komplexität überzeugt hat.
Um im – gerne französisch geprägten – Duktus dieser Serie zu bleiben: In nahezu jeder Hinsicht ist die neue Staffel
surjoué: irgendwie überkandidelt, überzeichnet, überreizt, wörtlich: über-spielt. Denn das dichte Geflecht aus schwer durchschaubaren Allianzen und Loyalitäten kaschiert nur mühsam die eigentliche Inhaltsleere, die nichts Neues zu sagen hat als das, was sie den Zuschauern schon im ersten Jahr – damals aber um ein Vielfaches kunstvoller und überzeugender – mitzugeben vermochte: Auf einen bestimmten Schlag intelligenter, ambitionierter Menschen übt die
cut-throat-ige, aber von Kompetenz und intellektuellen Herausforderungen geprägte
Finance-Welt einen verständlichen Reiz aus.
Einzig Jana Liekam bleibt als Figur auch in der zweiten Runde wirklich spannend – insbesondere wegen der sehr widerspruchsfreien Führung ihrer völlig unterschiedlichen Charakterzüge: Sie ist strebsam, gewinnsüchtig, getrieben, mitunter eiskalt – und gleichzeitig zärtlich, fürsorglich, warmherzig und liebevoll. Paula Beer nutzt die ihr vom Drehbuch gebotenen Möglichkeiten weiterhin bravourös und gibt der Serie so immerhin eine nahbare, verständige und komplexe Seele.
«Bad Banks» ist nun bei Netflix verfügbar.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
07.02.2020 12:42 Uhr 1