«Tage des letzten Schnees» ist ein Film, der vieles richtig macht und trotzdem als herbe Enttäuschung endet – sehenswert, und doch ernüchternd.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Henry Hübchen als Johannes Fischer
Bjarne Mädel als Markus Sellin
Barnaby Metschurat als Lars Eckert
Victoria Meyer als Kirsten Eckert
Victoria Trauttmannsdorff als Konstanze Satorius
Christina Große als Tanja Sellin
Mercedes Müller als Lisa Marin
Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch: Nils-Morten Osburg
nach dem gleichnamigen Roman von Jan Costin Wagner
Regie: Lars-Gunnar Lotz
Kamera: Jan Prahl
Produzenten: Silke Pützer und Wolfgang CimeraIm späten Winter, als der letzte Schnee vor dem anbrechenden Frühjahr fällt, kommt Lars Eckert (Barnaby Metschurat) beim Autofahren von der Straße ab, nachdem er einen Sekundenbruchteil von einem anderen Fahrzeug irritiert worden ist. Lars‘ Wagen überschlägt sich mehrmals so heftig, dass er dabei das Bewusstsein verliert. Als er wieder zu sich kommt, wird er schon aus dem Wrack gezerrt – und darüber informiert, dass seine elfjährige Tochter, die auf der Rückbank saß, den Unfall nicht überlebt hat.
Acht Wochen zuvor hat der Hamburger Banker Markus Sellin (Bjarne Mädel) auf einer Geschäftsreise in der Disco eine attraktive junge Frau namens Lisa (Mercedes Müller) kennen gelernt: Schon kurze Zeit später mietet er für sie eine Wohnung in der heimischen Hansestadt an, damit sie dort ungestört in seiner Nähe an ihrer Masterarbeit schreiben kann. Die Ehe mit seiner depressiven Frau ist da schon seit langer Zeit zerrüttet.
Unterdessen begleiten wir die Eckerts in Frankfurt bei der angenehm reduziert erzählten Trauerarbeit. Besonders zermürbt wird das Paar vom Ermittlungsstand der Polizei, die am Tatort keine Spuren eines anderen Wagens finden konnte – womit für den Vater die erdrückende Schuld im Raum steht, für den Tod seiner eigenen Tochter verantwortlich zu sein.
Unterdessen wird auf einer Parkbank die Leiche von Lisa gefunden, die Kommissar Fischer (Henry Hübchen), im Privaten ein entfernter Bekannter der Eckerts, schnell im Bordellmilieu verortet. Ihre finanziell ergiebigste Masche bestand darin, emotional anfällige reiche Männer um den Finger zu wickeln, von denen sie sich und ihre verarmte Familie in der rumänischen Heimat dann aushalten ließ.
© ZDF/Marion von der Mehden
Kommissar Fischer (Henry Hübchen, l.) befragt gerade Markus Sellins Frau (Christina Große, r.). Als Markus (Bjarne Mädel, M.) nach Hause zurückkehrt, sind schon belastende Indizien gefunden.
Auch wenn sich der Film bemerkenswert viel Zeit für die psychologische Entwicklung seiner Charaktere nimmt, krankt er doch an der ihm aufgezwungenen Genre-Struktur: Die inhaltlich eigentlich interessanten Fragen – die mögliche Schuld am Tod des eigenen Kindes, der in die Prostitution und menschliche Zurückweisung führende Pauperismus einer in Deutschland mutterseelenallein gelassenen jungen Frau, die bittere Enttäuschung eines starken, aber emotional vernachlässigten Mannes – müssen zwanghaft um eine generische Krimi-Dramaturgie herumgeschrieben werden, damit der Zuschauer artig mitknobeln kann, wie die verschiedenen Plotstränge wohl ineinander verlaufen werden, und er sich ja nicht zu lange und intensiv mit den ihm vorgeführten seelischen Abgründen beschäftigen muss oder vielleicht sogar ins Reflektieren abrutscht.
So viel süffisante Boshaftigkeit muss an dieser Stelle sein, denn mit den hier erzählten Geschichten und dem handverlesenen Cast wäre großes Fernsehen möglich gewesen: Henry Hübchen spielt mit wunderbarer Warmherzigkeit einen trauernden alten Mann, Bjarne Mädel legt seinen Alltagsmenschen mit einer angenehmen Beiläufigkeit an, die seine Alltäglichkeit nicht schon wieder als etwas Außergewöhnliches betonen muss, und Mercedes Müller stellt ihre Figur mit einer beeindruckenden emotionalen Ambivalenz dar, ohne auf naheliegend-klischeehafte Motive zurückgreifen zu müssen.
Doch trotz all dieser besonders starken Darstellungen – und gerade weil bei der Geschichte so viel richtig gemacht wurde, nur um dann unbedingt den alltäglichen, konventionellen, unkünstlerischen Weg einzuschlagen, – ist dieser Film eine große Enttäuschung. Das Spiel mit den Blickwinkeln, den versetzten Zeitebenen und den sich (zuerst) nicht kennenden Figuren bleibt ein Spiel, ein Zeitvertreib, ein Rätselspaß, und darf nie Anstoß zu tiefgehender Reflexion oder einer ehrlichen, haltungsstarken, einnehmenden Begegnung mit den verhandelten Themen werden.
Das ZDF zeigt «Tage des letzten Schnees» am Montag, den 3. Februar um 20.15 Uhr.
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