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«Picard»: «Star Trek» is Back!

Das Jahr ist gerade angebrochen und schon startet mit «Star Trek: Picard» eine der sehnlichst erwarteten Serien des Jahres. Hält der First Look auf die ersten drei Episoden den Erwartungen stand?

Der Weg zu «Star Trek: Picard»


Fast 18 Jahre ist es her, seit sich die Crew der kultigen Serie «Star Trek: The Next Generation» mit dem gefloppten Kinofilm «Star Trek: Nemesis» im Jahr 2002 von den Leinwänden und TV-Bildschirmen dieser Welt verabschiedete. Seitdem träumten Fans davon, dass die Geschichte um Captain Picard, Commander William Riker und Data weitergeführt würde. Ein Jahr zuvor war mit «Enterprise» eine Prequel-Serie gestartet, die die Fangemeinde in weiten Teilen tief spaltete. Es erschien unlogisch und inkonsequent, den Wünschen der Zuschauer zu widersprechen und die Geschichte des ersten Warp-5-Raumschiffes namens Enterprise zu erzählen, wenn es doch in der fernen Zukunft so viel Neues zu entdecken gab.

Was viele nicht wussten: Dass das Thema «Star Trek» inzwischen in den Chefetagen von Paramount zu einem Reizthema geworden war. Seit 1987 beherrschte die nächste Generation nach Captain Kirk die Science-Fiction-Fernsehlandschaft. In insgesamt 526 Episoden und drei Serien führte Rick Berman mit wechselnden Showrunnern das fort, was er als Erbe des „Great Bird of the Galaxy“, Gene Roddenberry, betrachtete. Und das mit sinkendem Erfolg. War «Star Trek: The Next Generation» noch zu einem echten Hit geworden, hatte die Nachfolge-Show «Star Trek: Deep Space Nine» bereits mit leicht sinkenden Zuschauerzahlen zu kämpfen. Der Negativtrend setzte sich mit «Star Trek: Voyager» (1995 bis 2001) weiter fort und kulminierte schließlich in dem bereits erwähnten finanziellen Desaster um den zehnten Kinofilm der Reihe. «Enterprise», die später in «Star Trek: Enterprise» umbenannt wurde, erging es noch schlechter. Die Zuschauerzahlen sackten von über zwölf Millionen auf unter vier Millionen, was konsequenterweise zur Absetzung führte.

2009 belebte J. J. Abrams das Franchise mit einer, "Kelvin Timeline" genannten, alternativen Zeitlinie neu und machte es wieder kino- und massentauglich. Der Clou an der Geschichte war, dass die ersten Minuten des «Star Trek» genannten Kinofilms im 24. Jahrhundert angesiedelt sind, der Zeitlinie also, die Fans und Kenner aus der goldenen Epoche kannten und liebten. Eine Supernova zerstört in diesem Film den Planeten Romulus und reißt ein romulanisches Schiff mit dem von Eric Bana gespielten Bösewicht Nero in eine alternative Zeitlinie, in der er gegen Captain Kirk (Chris Pine) und die Mannschaft der USS Enterprise 1701 antreten muss. Doch auch mit diesem Ansatz zeigten sich die alteingesessenen Fans wenig zufrieden, obwohl der Film das „unbedarfte“ Publikum sowie die meisten Kritiker durchaus überzeugen konnte. Spätestens mit dem zweiten Kinofilm, 2013 «Star Trek: Into Darkness» erstarkten aber die Stimmen, die die Zukunft des riesigen SciFi-Universums wieder auf dem kleinen Screen sahen, immer mehr.

Im November 2015, noch vor der Veröffentlichung des bislang letzten Kinofilms «Star Trek Beyond», platzte dann die Bombe. CBS kündigte mit «Star Trek: Discovery» die erste Star-Trek-TV-Serie seit 2005 an und versetzte die Fanwelt in Verzückung. Die Vorfreude ebbte schnell wieder ab, als bekannt wurde, dass auch dies wieder ein Prequel und kein Sequel werden würde und so flammten die Diskussionen über Sinn und Unsinn einer Serie, die die Vorgeschichte zur originalen Serie von 1966 erzählt, wieder auf. Noch während die zweite Staffel bei CBS All Access lief, gab Alex Kurtzman, der just einen Fünf-Jahres-Vertrag mit CBS unterzeichnet hatte und nun die volle Verantwortung über das «Star Trek»-Franchise übernahm bekannt, dass sich weitere Serien in Planung befänden. Im Mai 2019 nannte Kurtzman mit großem Medien-Tam-Tam den Titel der neuen Serie: «Star Trek Picard», die nun ab 24. Januar 2020 in Deutschland auf Amazon Prime zu sehen ist.

Worum geht es?


Was hat es aber nun mit «Star Trek: Picard» auf sich? Wo setzt die Serie an? Wir schreiben das Jahr 2399. 18 Jahre sind seit der Supernova der romulanischen Sonne vergangen. Vor vierzehn Jahren, nach der Zerstörung des Mars durch von der Sternenflotte selbst geschaffene Androiden, hat Admiral Jean-Luc Picard seinen Dienst bei der Sternenflotte quittiert. Seitdem lebt er zurückgezogen mit seinem Hund "Number One" und zwei romulanischen Freunden auf dem Weingut seiner Vorfahren. Doch so sehr er auch versucht, sich heimisch zu fühlen, immer wieder plagen ihn Albträume über den Verlust seines Freundes Data und das bittere Ende seiner Karriere. Eines Tages steht eine junge, verzweifelte Frau namens Dahj vor ihm und erzählt, dass sie in der Nacht zuvor von maskierten und bewaffneten Männern überfallen und ihr Freund brutal ermordet wurde. Der Versuch, sie zu entführen, endete jedoch in einem Blutbad. Bevor die Entführer ihr Werk vollenden konnten, tötete das Mädchen alle Angreifer instinktiv – und das ohne jemals eine Kampfausbildung genossen, oder je eine Waffe in der Hand gehabt zu haben. Noch seltsamer aber ist die Tatsache, dass nach dem Kampf Picard ihr in einer Vision erschien und sie sofort ein tiefes Vertrauen in den ausgedienten Sternenflottenoffizier fasste.

Und auch Picard kann sich des Gefühls nicht erwehren, in Dahj eine Person vor sich zu sehen, die ihm so nah wie eine Tochter ist. Gemeinsam versuchen die beiden, die mysteriösen Ereignisse aufzuklären, doch schon bald lauern ihre unbekannten Gegner ihnen erneut auf. Jean-Luc Picard überlebt nur knapp, doch nur, um bereits kurze Zeit später auf seinem Chateau erneut Ziel eines Anschlages zu werden. Er entkommt seinen Häschern und es gelingt, einen der Attentäter gefangenzunehmen. Während des Verhörs wird klar, dass die Antworten auf Picards drängendste Fragen nicht auf der Erde zu finden sind. Doch mit welchem Schiff soll er die Erde verlassen und welche Crew wird ihn begleiten? Und welche Geheimnisse erwarten ihn dort draußen? Wer war Dahj und wo findet Picard ihre Schwester, von der er inzwischen erfahren hat? Und warum sollen die beiden Frauen die «Zerstörer von Welten» sein, wie es der gefangene Assassine kurz vor seinem Selbstmord verriet?

Ein starker Beginn


Selten ist es einer «Star Trek»-Serie gelungen über die ersten drei Folgen ihrer noch jungen Existenz hinweg einen so hohen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten. Ohne massive Actioneinlagen und mit sparsam eingesetztem Nostalgiefaktor gelingt es der Pilotfolge in nur wenigen Minuten, Picards letzte Jahre erzählerisch stark und mit mysteriösen Bildern untermalt aufzuarbeiten. Jean-Luc Picard ist nicht mehr der enthusiastische Diplomat und Entdecker, dem sein Dienst bei der Sternenflotte und für die Föderation alles bedeutete. Vielmehr plagen ihn Albträume über verlorene Freunde, vertane Chancen und sinnlos erscheinende Gewalt. Regisseurin Hannelle Culpepper setzt vor allem während der ersten Minuten auf eine unaufgeregte Kameraführung, die während eines Schwenks auf das einstige Flaggschiff der Sternenflotte, der USS Enterprise 1701-D, fast epische Züge annimmt. Da kommen schon einmal nostalgische Gefühle auf, die nicht nur eingefleischte Fans begeistern dürften. Die erwähnte Szene mündet in ein Pokerspiel zwischen Data und Picard, dass mit Picards fast kryptischen Worten „I don’t want the game to end“ endet und so sein innerstes Seelenleben offenbart. Dieser Einstieg gehört ohne Zweifel zu den gelungensten aller «Star Trek»-Inkarnationen und erklärt sanft, aber auch bestimmt, welchen Verwandlungsprozess der ehemalige Captain der Enterprise durchlaufen hat.

Auch der nun folgende Cut, der ebenso action- wie temporeich die zweite wichtige Figur der Serie, Dahj, einführt zeigt, mit wieviel Sorgfalt an der Pilotfolge gearbeitet wurde. Statt sofort in die Vollen zu gehen, lernen wir eine hübsche, junge Frau kennen, die mit ihrem außerirdischen Freund ihre Aufnahme am berühmten Daystrom-Institut feiert. Wiederum lässt sich Culpepper Zeit und wiegt die Zuschauer in Sicherheit, bis sie plötzlich die Hölle über das Paar hereinbrechen lässt. Die Ermordung von Dahjs Liebhaber ist ein Schockmoment. Ein Messer in der Brust, steht der schwer Verwundete noch einen Moment gerade aufrecht, bevor er langsam zusammenbricht und zur Seite wegsackt. Nun wird die Kameraführung hektischer und kündigt das eigentliche Ziel der Häscher an. Doch die geplante Entführung wird zu einer Todesfalle für die Attentäter. Sie alle sterben innerhalb von wenigen Augenblicken. Doch der Sieg befriedigt die Frau nicht, sondern lässt sie völlig verwirrt und verängstigt zurück. Statt Action um der puren Effekthascherei Willen, wird sie hier als Stilmittel eingesetzt, wirft Fragen auf, erzeugt Spannung und macht neugierig.

Ein kurzer Blick auf das Intro


Der Akt endet mit dem Bild Picards, das Dahj in der oben bereits erwähnten Vision im Geiste erblickt und führt in ein wunderschönes Intro über. Im Gegensatz zum Opening von «Star Trek: Discovery», dass im Frühjahr 2020 in die dritte Staffel geht, gelingt es dem Komponisten Jeff Russo, an die großen Eröffnungsmelodien von Alexander Courage («Star Trek: The Original Series»), Jerry Goldsmith («Star Trek: The Next Generation» und «Star Trek: Voyager») und Dennis McCarthy («Star Trek: Deep Space Nine») anzuknüpfen und das typische Trek-Feeling aufkommen zu lassen. Lediglich das Finale könnte ein wenig kraftvoller ausfallen. Gleiches gilt für die computergerenderte Bildkomposition. Lassen die ersten Sekunden des Openings noch an ein Mystery-Thema denken, offenbart sich im nächsten Augenblick der eigentliche Kerngedanke. Aus Aschefetzen setzt sich das Gesicht eines desillusionierten Jean-Luc Picards zusammen, der nun stolz und zuversichtlich in die Zukunft blickt.

Der Plot – starker Beginn, noch stärkere Fortsetzung


Das unbestreitbare Gefühl, von den Drehbuchautoren Akiva Goldsmith und James Duff eine wohl durchdachte Story präsentiert zu bekommen, setzt sich nicht nur über die 45 Minuten der ersten Episode, sondern die gesamten drei im Vorfeld freigegebenen Folgen fort. Die Suche nach der Wahrheit über Dahjs Existenz ermutigt Picard, nach den vielen Jahren seiner ungeliebten Zwangsruhe, wieder aktiv zu werden. Nach und nach lebt er auf und lässt seine Neugierde die Oberhand gewinnen. Bald stößt er auf Geheimnisse, die eine Brücke zu seinem früheren Leben schlagen. Dabei achten die Autoren peinlichst darauf, der Geschichte einen Aufhänger zu bieten, der zwar an Picards Vergangenheit anknüpft, aber dennoch einen neuen und interessanten Ansatz bietet. Der Spagat zwischen Altbewährtem und einer neuen, modernen Erzählweise gelingt und weiß auf ganzer Linie zu überzeugen. Auch über Episode zwei und drei hinweg konzentriert sich die Serie unterhaltsam auf den Aufbau der Geschichte, die erst ganz am Ende der dritten Folge wirklich zu beginnen scheint. So verfestigt sich der Eindruck eines zwar gesplitteten, aber doch insgesamt 135-minütigen Pilotfilms, der die ausführlichste Einführung in eine «Star Trek»-Serie überhaupt darstellt.

Neue Crew, neues Glück


Nebenbei gelingt es unaufdringlich, einige neue und interessante Figuren einzuführen. Da ist zunächst einmal die brillante, aber unsichere Kybernetikern Dr. Agnes Jurati (Alison Pill), die Picard während eines Besuchs im Daystrom-Institut kennen lernt. Der erste Eindruck, ein Mauerblümchen vor sich zu haben, das ihre Zeit lieber in einem Labor verbringt, als auf große Abenteuerfahrt zu gehen, täuscht, wie sich zum Ende der dritten Folge herausstellen wird. Hervorragend gewählt präsentiert sich auch Michelle Hurd, die Picards ehemalige erste Offizierin Raffi Musiker spielt. Zunächst unbändig wütend darüber, dass dieser mit seinem Ausscheiden aus der Sternenflotte auch ihr Karriereende besiegelte, bleibt Raffis Loyalität und Freundschaft doch ungebrochen. Hurd verleiht ihrer Figur einen kämpferischen, soldatischen Touch, der durchaus ein wenig an den Klingonen Worf erinnert. Last but not least steigt Santiago Cabrera als Captain Cristobal Rios ein und komplettiert Picards neue Mannschaft damit vorübergehend. Rios ist ein schlitzohriger ehemaliger Sternenflotten-Captain, der nur noch sich selbst treu zu sein scheint und das Coolness-Attribut in die Charakterlandschaft der Serie einführt. Eine ebenso humorige wie interessante Idee ist, dass er ein Abbild seiner selbst als EMH (Emergency Medical Hologram) einsetzt. Die daraus resultierenden Selbstgespräche führen nicht nur zu witzigen Dialogen, sondern geben auch den Blick auf einen Menschen preis, der zwar über eine gesunde Portion Egoismus verfügt, aber das Herz am rechten Fleck trägt.

Fazit: Was ist denn hier los? Weder William Riker, noch Deanna Troi oder Seven of Nine lassen sich in den ersten drei Folgen des neusten «Star Trek»-Ablegers blicken. Lediglich Brent Spiners Data, der nicht, wie häufig im Vorfeld spekuliert, als B4 aus dem Kinofilm «Star Trek: Nemesis» zurückkehrt, sondern als Abbild von Picards Erinnerungen auftritt, ist im Piloten zu sehen. Dies ist eine gute Entscheidung. Reminiszenzen an die große Next-Generation-Ära? Ja gerne, doch bitte wohl dosiert und sinnvoll eingesetzt. Niemandem nützen Cameo-Auftritte, die mit der Geschwindigkeit von Maschinengewehrsalven präsentiert lediglich als Fanservice dienen, aber ansonsten nutzlos verpuffen. Stattdessen besinnt sich «Star Trek: Picard» bislang auf die Etablierung eines starken Erzählstrangs, der routiniert und mit kinoreifen Spezialeffekten versehen in Szene gesetzt wird, ohne auf Effekthascherei zu setzen. Da reicht am Ende der dritten Folge ein schlichtes "Engage" aus dem Munde des ikonischen Sternenflotten-Captains, um eine Gänsehaut zu erzeugen und alte und neue Fans in freudige Erwartung auf die nächsten sieben Episoden zu versetzen. Sollte sich der Story-Arc in dieser Weise fortsetzen, sehen wir möglicherweise der besten «Star Trek»-Serie seit «Star Trek: Deep Space Nine» entgegen. Was «Star Trek: Enterprise» erreichen wollte und «Star Trek: Discovery» hätte gelingen können, scheint nun endlich Wirklichkeit zu werden. «Star Trek: Picard» ist vielleicht endlich die Serie, die das tiefgespaltene Star-Trek-Fandom vereint und außerdem zahlreiche neue Fans anlockt. Make it so!

«Star Trek: Picard» ist bei Amazon Prime verfügbar. Wöchentlich erscheint eine neue Folge freitags.
24.01.2020 06:28 Uhr Kurz-URL: qmde.de/115243
Reinhard Prahl

super
schade

95 %
5 %

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Tags

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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
kauai
25.01.2020 19:43 Uhr 4
Nach so vielen Jahren endlich Mal wieder etwas auf dem Star Trek steht und das mir gefällt (zumindest Stand jetzt). War natürlich auch eine gehörige Portion Nostalgie dabei, meinen Lieblings-Enterprise- Kapitän in Aktion zu sehen. Von mir aus darf es gern so weiter gehen.
Steinsand
30.01.2020 07:54 Uhr 5
Sehr gut lesbare Kritik- Danke! Im Dschungel der vielen Experten Reviews ein angenehmer Lichtblick.

Eine kleine Frage: wo hat der Autor die ersten drei Folgen schauen können?
Fabian
30.01.2020 12:20 Uhr 6
@Steinsand Wir bekommen viel Material vorab, Amazon gibt sich unter anderem sehr viel Mühe.
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