Der von Sat.1 als „Nacktheitsexperiment“ betitelte Neustart setzt anders als vielleicht vermutet in erster Linie nicht auf nackte Tatsache. Vielmehr geht es darum, den Teilnehmern Selbstbewusstsein und Liebe zu sich selbst zu vermitteln, was sehr löblich ist...
Es sind erschreckende Zahlen, mit denen die neue Sat.1-Sendung
«No Body is perfect» ihre Zuschauer zu Anfang konfrontiert. Angeblich findet sich nicht einmal die Hälfte der Deutschen attraktiv, 20 Prozent geben sogar an, unglücklich mit ihrem Aussehen zu sein. Drei Menschen, die mit ihrem Körper hochgradig unzufrieden sind, lernt der Zuschauer in «No Body is perfect» kennen. Es handelt sich um Tatjana (20), Patrick (29) und Stephanie (47). Sie sind die Teilnehmer an der ersten Folge der neuen Sat.1-Sendung und wissen laut eigener Aussage nicht genau, was auf sie zukommt. Dem Zuschauer verrät es Sat.1 hingegen gleich zu Beginn: Ziel der Sendung ist ein Besuch nackt am Strand.
Das klingt auf den ersten Blick zwar nach «Adam sucht Eva», sex sells und abgedrehtem Trash, entpuppt sich im Verlauf der Folge aber als ziemlich harmlos. Tatsächlich geht es Sat.1 in «No Body is perfect» nicht darum, auf Geschlechtsteile zu halten wie das etwa bei «Naked Attraction» der Fall ist (das wäre in einer Primetime-Sendung aber auch kaum möglich gewesen). Stattdessen liegt der Fokus auf einem Experiment, in dem sich die Teilnehmer selbst lieben lernen sollen. Vollständige Nacktheit spielt eigentlich nur in der letzten Viertelstunde eine Rolle - dann nämlich, wenn es für die Teilnehmer an den "Naked Beach" geht.
Davor werden die Teinehmer von Sexpertin Paula Lambert, Curvy-Model Silvana Denker, Tanzpädagogin Sandra Wurster und Plus-Size-Model Daniel Schneider zu verschiedenen Aufgaben angeleitet. Sie übernehmen in der Sendung die Rolle der Coaches. Dass diese über die gesamte Zeit hinweg fast vollkommen nackt sind, wirkt auf den ersten Blick skurril, soll aber im Dienste der Wissenschaft erfolgen. Grundlage des TV-Experiments ist eine Studie des Sozialpsychologen Dr. Keon West. Er konnte in Experimenten zeigen, dass die Auseinandersetzung mit normalen Körpern das Selbstbewusstsein steigert. Lambert, Denker, Wurster und Schneider haben keine klassischen Modelmaße, sie sind normale Menschen und schämen sich nicht für ihre Macken.
Das sollen auch die Teilnehmer lernen, die zunächst nicht explizit mit dem Thema Nacktheit konfrontiert werden. Jeden Abend müssen sie sich stattdessen vor den Spiegel stellen, sich 20 Minuten lang betrachten und selbst Komplimente machen. Was einfach klingt, erweist sich besonders für die beiden Frauen als schwieriger als gedacht. Hier ist es aber schön, dass «No Body is perfect» jedem Teilnehmer die Chance gibt, sich in seinem eigenen Tempo zu entwickeln. Es gibt keine Stufen oder Phasen, die jeder zu einem gewissen Zeitpunkt durchlaufen haben muss. Am Ende darf sich jeder Teilnehmer komplett am Strand entkleiden, man gilt bei «No Body is perfect» aber auch nicht als Verlierer, wenn man dies nicht schafft und möchte.
Obwohl die Sendung also als Nacktheitsexperiment betitelt wird, geht es weniger um nackte Tatsachen selbst als vielmehr um ein positives Körperbild und eine individuelle Entwicklung. „Ich hab mich noch nie in meinem Leben so lächeln gesehen“, sagt etwa Patrick nach einer Bewegungsübung, zu der er von den Coaches angeleitet wurde. Man nimmt ihm die ehrliche Freude in diesem Moment ab. Tatsächlich schätzen sich alle Teilnehmer am Ende des Experiments auf der griechischen Insel Mykonos etwas attraktiver ein als zu Beginn, was auf einen Erfolg schließen lässt.
Gewissermaßen ist «No Body is perfect» die Antwort auf Instagram, «Germany’s Next Topmodel» und Co. Auf ein paar überzogene Superlative („Ein Experiment, über das ganz Deutschland diskutieren wird“) kann die Sendung zwar nicht verzichten, das sei dem Format an dieser Stelle aber verziehen. Viel wichtiger ist, dass die Produktion von Tresor TV Menschen mit ihren ganz persönlichen Macken zeigt und dabei darauf verzichtet, sie vorzuführen. «No Body is perfect» feiert die individuelle Unvollkommenheit als das Normalste der Welt und macht womöglich all denen Mut, die ebenfalls nicht zufrieden mit ihrem Körper sind.
Angenehm ist nebenbei bemerkt auch die Laufzeit der Sendung, mit rund 75 Minuten kommt sie nicht unnötig lang daher. Schwer zu sagen ist hingegen, ob das Konzept tatsächlich auch staffelweise trägt oder ob sich die Geschichten nicht schnell wiederholen und abnutzen. Für den Auftakt ist bei «No Body is perfect» aber Vieles gelungen. Bleibt nur zu hoffen, dass vor allem all diejenigen, die nicht zufrieden mit ihrem Körper sind, nun auch selbst auf die Sendung aufmerksam werden. Das Experiment wider den Schönheitswahn setzt ein angenehmes Zeichen in Zeiten ständiger Optimierung.
«No Body is perfect - Das Nacktexperiment» läuft in den kommenden Wochen immer montags um 20.15 Uhr in Sat.1.
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