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«Einsam zweisam» - Die Story vor der Lovestory

Was geschieht eigentlich vor ein klassischen Leinwand-Liebesgeschichte? Regisseur Cédric Klapisch gibt mit seiner gleichermaßen charmanten wie durch und durch melancholischen Anti-Romanze «Einsam zweisam» die erhellende Antwort.

Filmfacts: «Einsam zweisam»

  • Start: 19. Dezember 2019
  • Genre: Tragikomödie
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 101 Min.
  • Kamera: Élodie Tahtane
  • Musik: Loïc Dury, Christophe Minck
  • Buch und Regie: Cédric Klapisch
  • Darsteller: François Civil, Ana Girardot, Camille Cottin, François Berléand, Simon Abkarian, Eye Haidara, Pierre Niney
  • OT: The Farewell (FR/BEL 2019)
Wenn sich im Kino zwei Menschen ineinander verlieben, dann tun sie das in der Regel ganz am Anfang des Films, werden im Laufe der eineinhalb bis zwei Stunden mit allerlei künstlich herbeigeführten Hindernissen konfrontiert, eh schließlich doch das Happy End auf sie wartet. Doch was geschieht eigentlich in der Phase davor? In einer Phase, in der man vielleicht noch gar nicht bereit dafür ist, sich auf jemanden einzulassen respektive sich zu verleben, weil man erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen muss? Genau diesem Abschnitt widmet sich nun der französische Ausnahmeregisseur Cédric Klapisch («Der Wein und der Wind») und zeigt insbesondere mithilfe solcher Szenen, in denen sich seine Hauptfiguren immer wieder beinahe begegnen aber die Anziehungskraft des jeweils anderen noch gar nicht wahrzunehmen in der Lage sind, auf, dass die beiden Nachbarn Rémy und Mélanie einfach noch überhaupt nicht dafür bereit sind, jemand Neues in ihr Leben zu lassen. Um das zu veranschaulichen, wählt Klapisch für «Einsam zweisam» die Form von zwei für sich stehenden Porträts.

Sowohl sie als auch er müssen erst einmal unabhängig voneinander bis in die Gegenwart geschleppte Probleme der Vergangenheit bewältigen, um sich für die Zukunft freizumachen. Der Film steuert zwar nicht auf einen spektakulären Twist zu. Trotzdem ist es spannend, zu entdecken, wie sich bei Rémy und Mélanie nach und nach ebenjene Dinge herauskristallisieren, die ihnen der Abschluss mit Vergangenem so schwer macht.



So nah und doch so fern


Rémy (François Civil) ist dreißig Jahre alt und Single. Gerade hat er andere Probleme als sein brachliegendes Beziehungsleben. Auf der Arbeit wurden außer ihm alle entlassen. In seinem neuen Job findet er sich nur mühsam zurecht. Und die ihm kürzlich zugelaufene Katze hat sich ebenfalls schneller von ihm verabschiedet, als es ihm lieb war. Seit einem Schwächeanfall in der Bahn geht er regelmäßig zu einem Psychotherapeuten, von dem er sich erhofft, seinem niedergeschlagenen Gemütszustand auf den Grund zu gehen. Ganz ähnlich ergeht es nur ein Haus weiter der ebenfalls dreißigjährigen Mélanie (Ana Girardot). Sie trauert einer unglücklichen Beziehung hinterher, leidet unter Schlaflosigkeit und fühlt sich generell von ihrem Umfeld missverstanden. Immerhin ihre Therapeutin hört ihr einmal die Woche aufmerksam zu. Zwei Menschen in Paris, beide mit sich und ihrem Leben unzufrieden und obwohl sie sich stets näher sind als gedacht, finden sie einfach nicht zueinander…

Klapisch zieht seine Geschichte im Stil eines Episodenfilms auf, erzählt dabei allerdings „nur“ zwei Handlungsstränge parallel. Da ist auf der einen Seite das Leben von Rémy, der Schlafprobleme hat, der kürzlich aus seinem Job entlassen wurde, in dessen Familie sich unausgesprochene Probleme aufstauen und der sich nach einem Zusammenbruch in der U-Bahn plötzlich gegenüber eines Psychotherapeuten wiederfindet. Dieser konfrontiert ihn mit der Diagnose Depression – und bietet ihm seine Hilfe an. Auf der anderen Seite ist da Mélanie, eine junge Frau, die verzweifelt via Tinder nach ihrem Glück sucht, sich aber nicht von den Schatten ihres Ex-Freundes befreien kann, die genau wie Rémy Einschlafprobleme hat und schon bald einer Psychotherapeutin gegenübersitzt. Ohne es künstlich zu forcieren, überschneiden sich die Lebenswege der beiden Haus an Haus wohnenden Menschen, die eigentlich wie füreinander geschaffen werden und einander trotzdem nicht wahrnehmen.

Immer wieder wählt Klapisch das Motiv des diesen Zustand sehr gut veranschaulichenden Hauskomplexes, in dem die beiden Balkon an Balkon wohnen und sich aufgrund der dicken Mauern aber selbst dann nicht sehen können, wenn sie zeitgleich draußen stehen. Tatsächlich kommen sich die beiden einander so ähnlichen Personen nie so nahe, wie man es bei so einer Prämisse vielleicht erwarten würde. Zwar gibt es Momente, in denen Rémy und Mélanie nur wenige Schritte vor- oder hintereinander hergehen, im selben Moment denselben Supermarkt betreten oder zeitgleich das eigene Wohnhaus verlassen. Doch Klapisch geht es bei solch beiläufig inszenierten Momenten nicht darum, mit dem Finger auf eine etwaige Fügung zu zeigen. Stattdessen geht es in «Einsam zweisam» in Wirklichkeit um etwas ganz Anderes. Und das ist erzählerisch dann doch deutlich solider als eine banale „Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?“-Geschichte.

Neben einer Erzählung darüber, was alles passieren muss, damit sich auf der Leinwand überhaupt erst eine Liebesgeschichte entspinnen kann, ist „Einsam zweisam“ auch ein einfühlsames Generationenporträt. Gleich zu Beginn werden wir Zeuge einer hektischen Welt, in der selbst sowas eigentlich Romantisches wie zwischenmenschliche Beziehungen und Dating zu austauschbaren Konsumgütern werden, die man sich via App genauso beiläufig „bestellt“ wie eine Pizza. Die Bilder, die Klapisch dafür findet, sind zwar nicht neu, aber einprägsam. So geht es auch im Folgenden weiter. Immer wieder macht der Regisseur Halt, um aufzuzeigen, wo durch das fehlende Miteinander Menschlichkeit abhanden kommt – und weshalb zum Beispiel Onlinedating eigentlich ganz schön dämlich ist. Schon in seinem letzten Film «Der Wein und der Wind» hat Klapisch eigentlich nichts Neues erzählt. Doch dank seines genauen Gespürs für emotionale Ausnahmezustände ist es ihm damals wie heute gelungen, alten Geschichten zu neuen Impulsen zu verhelfen. Und nicht zuletzt sind es auch die ein weiteres Mal für Klapisch vor der Kamera stehenden Ana Girardot und François Civil, die diese antiromantische Tragikomödie mit Leben füllen. Selten hat man einem Leinwand-Paar ihr Happy End so sehr gegönnt wie hier.

Fazit


«Einsam zweisam» erzählt die Geschichte vor der Lovestory und ist ganz nebenbei auch noch ein Porträt über eine in Überfluss und Hektik lebende Generation aus Beziehungsneurotikern, die sich am Ende doch eigentlich nur nach einem Happy End sehnen.

«Einsam zweisam» ist ab dem 17. Dezember in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
19.12.2019 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/114470
Antje Wessels

super
schade


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Der Wein und der Wind Einsam zweisam

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