«6 Underground»: Michael Bay hat einen Blankoscheck, und verdammich, er nutzt ihn auch!
«Armageddon»-Regisseur Michael Bay dreht völlig frei. Manche würden sagen: Er dreht völlig durch. Das Ergebnis? Leider geil.
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Ist das tiefschürfendes Geschichtenerzählen, das komplexe Figuren mit Identifikationspotential erschafft? Zur Hölle, nein! Ist es anspruchvolles Filmemachen, das Bay hier vollführt? Auf gewisse Weise: Ja, da dieser Volle-Energie-voraus-Regisseur Informationen nicht vorkaut, sondern auf das intuitive Gespür und filmmechanische Vorwissen des Publikums vertraut. Bay ist kein minutiös-filigraner Impressionist, er ist ein ungezügelter Expressionist. Er ist kein Autor, der sich bis in den kleinsten Widerhaken der menschlichen Befindlichkeit hineinsteigert, sondern ein knalliger Performer, der eine perfekt geschmierte Show abliefert.
«6 Underground» erzählt (oder eher: performt) von einer unabhängig handelnden Heldengruppe: Sechs Leute führen, nachdem sie ihren Tod vorgetäuscht haben, waghalsige Beinahe-Suizidmissionen aus, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Angeführt von #1 (Ryan Reynolds) wollen sie einen Diktator stürzen, indem sie dessen Demokratie liebenden Bruder befreien und sein friedliebendes Volk zur Revolution inspirieren. Ende Gelände, mehr muss man nicht wissen.
Die Action ist wild. Eine XXL-Verfolgungsjagd durch Florenz (unter anderem unterlegt mit einem Elektro-Remix von Carmina Burana) wirbelt und dreht und kurvt nur so vor sich hin, mit knalligen Zeitsprüngen, die nur dazu da sind, um den Film mit einem peppigeren Takt loszutreten. Eine Befreiungsaktion in Hong Kong umfasst brutale Schießereien, markant ausgeleuchtete Stunts, eine nahezu halsbrecherische Parcours-Hoppserei und viele, viele süffisante Filmzitate. Und dann wird im Finale noch genüsslich-bescheuerter Schabernack mit Magneten getrieben und die Gewaltschraube hochgedreht. Es ist ein Rockkonzert von einem Actionfilm, nur mit Action, wo normalerweise Songs vorkämen, und mit einer Licht- und Feuershow, die selbst Rammstein neidisch machen dürfte. Ist dir das zu flach, schaust du aus der falschen Perspektive darauf!
Netflix bewirbt «6 Underground» sowohl mit dem Schlagwort "aalglatt" als auch mit dem Schlagwort "brutal", und so selten diese beiden Beschreibungen auf ein und denselben Actionfilm zutreffen, so sehr passen sie hier wie frisch durch eine Explosion erzeugte Schädelfetzen auf die zuvor noch blitzeblanke Wand: «6 Underground» geht mit seinem Style, seinem Vorwärtsdrang und seinen abgebrühten Teflon-Charakteren runter wie Öl, aber mit seiner immer wieder aufkommenden, derben Härte, seiner brennenden Zerstörungswut und seiner beißenden Ignoranz gegenüber Realweltlogik ist es auch ein echt brutales Gesöff, das man sich da reinkippt.
Hin und wieder wird die Michael-Bay-Krachbumm-Power-Party jedoch durch den Soundtrack gebremst: Einerseits hinkt die Songauswahl alles in allem in ihrer Wucht hinter dem Großteil früherer Bay-Arbeiten hinterher (selbst wenn einzelne Songeinsätze auf fast schon urkomisch-deutliche Art zum Gezeigten passen), andererseits hält Lorne Balfes Instrumentalmusik nur phasenweise mit der Dynamik und der Brachialgewalt der Actionpassagen mit.
Wenn Balfe in besonders turbulenten Passagen dissonantes Quietschen und Surren mit treibenden elektrischen Bässen verquickt, wird deutlich, welch exzessives Potential er in den längeren Strecken liegen lässt, in denen er vornehmlich kühle Streicher und langsam-pathetische Blechbläser für funktionale Begleitatmo einsetzt. Ohne markante Melodien einerseits und mit gezügeltem Klangwahnwitz andererseits, knallt der «6 Underground»-Score einfach nicht derart, wie es diese Bilder und diese Erzähllogik gestatten oder gar verlangen. Ein Jammer, dass hier nicht Trevor Rabin («Armageddon», «Bad Boys II»), ein völlig frei drehender Hans Zimmer («The Rock») oder Henry Jackman im eisern-schneidigen «The Return of the Winter Soldier»-Modus am Werk war.
Wer «6 Underground» mit denselben Maßstäben bewertet wie das andere, extrateure Netflix-Epos dieser Tage, in dem ein namhafter Regisseur auf ausführliche Weise das abfeiert, wofür er von seinen Fans verehrt wird, isst wohl auch Schnitzel mit einem Löffel und Suppe aus einem Sieb. «6 Underground» ist perfide choreografiertes Schnittgewitter, eine technologisch ausgereifte Lichtshow und ein Showcase für die kinetische Energie ruheloser Selbstzweckaction. All das wird zwischendurch aufgelockert von Figuren, die rumlaufen und rumliegen wie in einem Hochglanzmagazin-Fotoshooting («Inglourious Basterds»-Darstellerin Mélanie Laurent gibt einen charakterbildenden Dialog, während sie sich in eine Pose wirft, die sonst nur Unterwäschemodels einnehmen), und von hohl-launigen Sprüchen wie aus einem 90er-Jahre-Popcornfilm. Bloß mit aktualisierten Popkulturreferenzen. Und mit einem "Selbst sind die Guten aus aller Welt"-Spirit, wo früher US-Militarismus Platz genommen hätte.
Macht echt Laune, das Teil. Und wer nach mehreren Litern Energy-Rummischgesöff die High-Speed-Achterbahn nicht packt, sollte nicht den Themenparkplaner anschnauzen, der hier mit einschüchternden, skurrilen Bauten der Physik trotzt. Denn das Teil steht, die Wagen flitzen wie frisch geölt und die Thrills kitzeln die Nerven. Hier wurde nicht geschludert, bloß das, was aus den High-End-Lautsprechern hämmert, das könnte noch mehr fetzen. Hält man das Spektakel nicht aus, muss man einfach einsehen: "Ja, gut, ich fahre wohl lieber Kettenkarussell." (Zugegeben: Der Themenparkbetreiber müsste einem nicht in der Warteschlange eine Energy-Rummischgesöff-Flatrate anbieten. Aber, komm, man kann das auch amüsiert weglachen.)
Leider fand auch ich diesen Film so gar nicht gelungen! Die Handlung ist 08/15 und er ist total verwirrend. Ich weiss nicht was der Drehbuchschreiber genommen hat, es war auf jeden Fall zu viel. Diese Sprünge hin und her machen keinen echten Sinn, man hätte den Film vielleicht anders schneiden sollen. Trotz allen ist natürlich die Action widerrum typisch Michael Bay. Man merkt, das Bay sich diesmal nicht um irgendwelche Altersbeschränkungen Sorgen mußte und etwas zurückhaltender sein mußte um mehr Zuschauer in ein Kino zu bekommen. Hier konnte er mal in feinster John Wick-Manier auch einiges an Blut fließen lassen. Fakt ist, so wird der Film nie im Free-TV gezeigt werden (schon gar nicht von Pro7), da es ordentlich zur Sache geht. Dennoch ist er viel zu verwirrend um wirklich zu überzeugen und wäre im Kino ein Flop!
Sentinel2003 19.12.2019 00:37 Uhr 3
Ich habe es zum 2.mal versucht gestern Abend mit meiner Nichte, die genauso wie ich großer Ryan Reynolds Fan ist....nach dieser Verfolgungsjagd kommt wie so ein knallharter Bruch und man verliert komplett den Faden und auch die Lust weiter zu gucken!! Wir haben nach etwa 1 Stunde fast schon verzweifelt aufgegeben!! :relieved:
Keine Ahnung, warum sid diesen Film so derart geil findet!
troubled 19.12.2019 13:23 Uhr 4
Also jetzt habt ihr mich aber echt mal neugierig gemacht. Das schau ich mir am Abend mal an.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
17.12.2019 16:38 Uhr 2
19.12.2019 00:37 Uhr 3
Keine Ahnung, warum sid diesen Film so derart geil findet!
19.12.2019 13:23 Uhr 4