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'Der Florida-Stil ist bei aller Freude an der Grenzüberschreitung immer auch sehr zugewandt und warm'

Die Show-Schmiede Florida Entertainment geht in den Fiction-Bereich. Wir haben mit Lars Jessen, Showrunner der neuen Florida Film, und Creative Director Thomas Schmitt über ihre Pläne gesprochen.

Seite 1 Auf die Gefahr hin, dass ihr die Frage aktuell andauernd zu hören bekommt: Warum jetzt?
Thomas Schmitt: Das kommt für uns nicht überraschend. Wir haben bereits mit der Bird & Bird die Entwicklung von «Check Check» und anderen Stoffen vorangetrieben. Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert, deshalb haben wir schon früh die Weichen gestellt, damit Bird & Bird und Florida zusammenwachsen und so die Florida Film für fiktionale Stoffe entstehen kann. Zudem bin ich froh, dass wir mit Lars Jessen jemanden gefunden haben, der perfekt in unsere Familie hineinpasst. Seine Denke und sein Geschmack bei Projekten liegen genau auf der Wellenlänge der Florida.

Lars Jessen: Aus meiner Sicht ist das ein fließender Übergang. Es ist nicht so, als würden wir uns alle jetzt zum ersten Mal sehen. Die Verbindungen bestehen ja schon auf persönlicher Ebene länger und wir haben auch schon Sachen zusammen produziert. So gesehen starten wir jetzt einfach nur unter einem neuen, gemeinsamen Namen.

Wir befinden uns ja in einem Medienzeitalter, in dem "Brand Identity" immer wichtiger wird, immer mehr Marken hoffen, eine Persönlichkeit auszustrahlen. Die Florida hat bisher eine Identität, ihren Shows und auch ihren Werbekampagnen merkt man an, aus welchem Haus sie stammen. Soll auch Florida Film diesen Geist beibehalten?
Thomas Schmitt: Ich sehe es erst einmal als Kompliment, wenn man unseren Shows eine Handschrift zuschreibt und wäre froh, wenn sich diese auch in den Projekten der Florida Film erkennen lässt. Gerne auch komplett unabhängig davon, ob Protagonisten, die häufiger in unseren Shows auftauchen, auch in Projekten der Florida Film vorkommen.

Lars Jessen: Man sieht ja schon an «Check Check», wie sehr unsere Welten miteinander harmonieren. Ich komme mehr aus der öffentlich-rechtlichen Ecke und mit dem Ergebnis, das wir da hinbekommen haben, ist «Check Check» trotzdem hundertprozentig eine Florida-Marke. Nicht nur weil Klaas der Hauptdarsteller ist, sondern auch, weil ein Humor vorherrscht, der sich bestens mit der Florida deckt. Gleichzeitig konnte ich der Serie eine melancholische Note mitgeben, die den Stoff erdet. Uns hat es allen Spaß gemacht auszuloten, wie breit man den Spagat machen kann.

Es geht uns bei Florida immer darum, etwas zu machen, hinter dem wir zu 100 Prozent stehen und auf das wir im Idealfall auch stolz sind, wenn wir es im Fernsehen, im Kino oder auf einer Streamingplattform sehen. Der Gedanke, möglichst schnell möglichst reich zu werden, hat uns bei der Auswahl unserer Projekte noch nie angetrieben.
Thomas Schmitt
Thomas Schmitt: Es geht uns bei Florida immer darum, etwas zu machen, hinter dem wir zu 100 Prozent stehen und auf das wir im Idealfall auch stolz sind, wenn wir es im Fernsehen, im Kino oder auf einer Streamingplattform sehen. Der Gedanke, möglichst schnell möglichst reich zu werden, hat uns bei der Auswahl unserer Projekte noch nie angetrieben. Das wird auch bei Florida Film so bleiben. Daher machen wir uns keine Sorge, dass unseren fiktionalen Projekten der "Florida-Spirit" fehlen wird.

Wieso wollt ihr nicht möglichst schnell möglich reich werden – versucht das doch, dann habt ihr es hinter euch. (lacht)
Thomas Schmitt: Aber was wäre das für ein trauriges Leben, dann sitzt man wie Pablo Escobar in «Narcos» auf seiner Hollywoodschaukel und starrt ins Leere (lacht). Wir bleiben lieber aktiv und setzen Projekte um, von denen wir überzeugt sind. Das ist so viel schöner, als wenn man Projekte unambitioniert und lieblos abarbeiten muss. Für reine Fließbandware sind wir nicht zur Arbeit angetreten.

Das ist schön, wenn man das sagen kann – ich glaub, das können nicht viele.
Lars Jessen: Wir können das aus vollem Herzen sagen. Es hilft auch, dass wir uns immer aufeinander und auf die gemeinsame Arbeit freuen. Über Geld habe ich beim Aussuchen meiner Jobs persönlich noch nie nachgedacht. Mir geht es mehr darum, mit meiner Arbeit keinen Dreck zu hinterlassen. Deswegen arbeiten wir mit Hochdruck daran von den enormen CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Fiction-Programmen entstehen, runter zu kommen.

Selbst wenn ihr sagt, nie Fließbandware gemacht zu haben – gab es trotzdem Fälle, wo ihr sagt "Wir haben es zwar gerne gemacht, aber rückblickend hätten wir da anders ran gehen müssen?" Sei es, dass es an neuen Ideen mangelte, an Mut, oder vielleicht doch am letzten Tropfen Herzblut?
Thomas Schmitt: Unter den großen Projekten, die wir in den letzten Jahren angegangen sind, gibt es das tatsächlich nicht. Es gab sicher mal die eine oder andere kleinere Sache, wo wir denken "Das haben wir unterschätzt" oder "Das haben wir überschätzt". Aber da ist nichts dabei, das wir als dunklen Fleck einsortieren würden. Aber bitte nicht falsch verstehen: Wir sind schon ein sehr selbstkritischer Haufen und finden längst nicht jede Folge unserer Sendungen gut, wir hinterfragen uns sehr. Aber wir gehen immer mit viel Herzblut an unsere Stoffe heran. Wir haben uns auch eine sehr kritische Zuschauerschaft aufgebaut. Daher arbeiten wir immer an uns selbst. Wir machen Unterhaltung und wir machen sie so, dass wir hoffen, dass der Spaß, den wir beim Produzieren haben, auch beim Zuschauer ankommt.

Lars Jessen: Bei mir sieht es ähnlich aus. Wenn man in meine Filmografie guckt, wird man das eine oder andere Projekt aus der Kategorie "Mittel zum Zweck" finden, aber es ist nichts dabei, wofür ich mich schäme. Aber, ja, eines der erklärten Ziele, weshalb wir jetzt Florida Film machen, ist, dass wir so etwas nie wieder machen müssen, sondern nur noch die Sachen, auf die wir total Bock haben und die wir unbedingt sehen wollen.

Eines der erklärten Ziele, weshalb wir jetzt Florida Film machen, ist, dass wir nur noch die Sachen machen, auf die wir total Bock haben und die wir unbedingt sehen wollen.
Lars Jessen
Florida Entertainment ist zwar nicht der größte Fisch im deutschen Medienteich, aber sie ist natürlich größer als es die Bird & Bird alleine war. War das also auch ein Grund, mit Florida Film zu starten – der Gedanke, durch dieses Wachstum mehr Möglichkeiten zu erhalten?
Lars Jessen: Ja, das ist sicherlich auch ein Grund, aber der Hauptgrund ist Kräftebündelung. Dass die Florida bei sich auch ein paar junge, kreative Kräfte sitzen hat, die viel Potential haben, auch mal etwas anderes als Fernsehshows zu machen, finde ich auch sehr spannend. In diesem Sinne möchten wir unser kreatives Potential zusammenbringen und uns gegenseitig zu frischen Ideen inspirieren.

Thomas Schmitt: Das Produzieren fiktionaler Inhalte fasziniert uns sehr, ebenso die Herausforderung, etwas völlig Neues zu machen. Die wenigsten Mitarbeiter bei der Florida haben mit dem Gedanken angefangen,für immer und ewig klassisches Unterhaltungsfernsehen zu machen, sondern waren immer daran interessiert, sich auch in anderen Feldern auszuprobieren und Raum für Experimente zu haben. Glücklicherweise konnten wir uns mit der Florida eine Blase schaffe, in der kreative Freiheit möglich ist und man Fernsehen machen darf, mit dem wir uns identifizieren. Es ist schön, sich nun im Fiktionalen ausprobieren und sich als Kreativschaffende weiterentwickeln zu können.

Dass die Florida sich fürs Fiktionale begeistert, merkt man zum Beispiel dem «Duell um die Welt» an, dessen Einspieler ja sehr filmisch erzählt sind. War das Format womöglich ein frühes, bewusstes Signal, um zu zeigen: "Schaut mal, wir von der Florida können auch Film?"
Thomas Schmitt: Ja, das ist durchaus ein bewusstes Element hinter der Show, das uns auch großen Spaß macht. Als wir «Duell um die Welt» entwickelt haben, wussten wir, dass wir damit eine Challengeshow entwerfen, die es uns erlaubt, um die Welt zu reisen. Das war unser Ausgangspunkt. Uns war aber auch schnell bewusst, dass wir nicht den Johnny Knoxville machen werden, sich Klaas auf einen Turm stellt und sagt: "Ich bin Klaas Heufer-Umlauf und das ist «Joko gegen Klaas»" und dann springt er runter.

Der Spaß daran, «Duell um die Welt» zu entwickeln, war einen eigenen Hebel zu finden. Und so sind wir auf Mechanismen gekommen, die wohl auch zum Erfolg der Sendung geführt haben: Einsprengsel filmischer Parodien und der Umstand, dass wir visueller erzählen als es im Unterhaltungsfernsehen üblich war. Man kann das nun gut oder schlecht finden, Fakt ist aber, dass es damals als Wagnis galt, eine Samstagabend-Fernsehshow zu entwickeln, bei der die Einspieler über fünf Minuten gehen. Ich glaube, das wäre uns auch um die Ohren geflogen, würden wir nicht so penibel auf die Dramaturgie der Einspieler achten und Schauwerte mitbringen, von denen wir immer hoffen, dass sie "filmreif sind".

Von daher, ja: Es war durchaus kalkuliert, «Duell um die Welt» so aufzuzäumen, dass wir auch dem Genre Show- oder Reality-Entertainment unseren eigenen Stempel aufdrücken können.
weiter »
15.12.2019 12:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/114367
Sidney Schering

super
schade

88 %
12 %

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