Woody Allens neuester Film «A rainy Day in New York» wirkt wie aus der Zeit gefallen. Und das ist im Falle des streitbaren Regisseurs ausnahmsweise durch und durch negativ zu verstehen.
Filmfacts: «A rainy Day in New York»
Start: 5. Dezember 2019
Genre: Romanze/Komödie
FSK: o.Al.
Laufzeit: 92 Min.
Kamera: Vittorio Storaro
Buch & Regie: Woody Allen
Darsteller: Elle Fanning, Timothée Chalamet, Liev Schreiber, Selena Gomez, Jude Law, Diego Luna
OT: A rainy Day in New York (USA 2019)
Woody Allen war über viele Jahrzehnte eine Konstante im internationalen Filmgeschäft. Seit 1977 bringt der Regisseur und Drehbuchautor mindestens einen Film pro Jahr heraus. Die Stars rennen ihm die Bude ein, Geldgeber finden sich rasch. Nach «Wonder Wheel», der Anfang 2017 in die Kinos kam, vergingen nun allerdings gleich zwei Jahre. Kein Drama, möchte man bei dem mittlerweile fortgeschrittenen Alter des Meisters meinen. Dreht er halt nur noch alle zwei Jahre, mag man denken. Doch im Falle von «A Rainy Day in New York» brauchte Allen nicht deutlich länger, um den Film fertigzustellen: Allen beendete seine Arbeit an dem Film im dritten Quartal 2018 – rechtzeitig, um seine Arbeitsserie lückenlos fortzuführen. Die Amazon Studios, die mit Woody Allen schon zuvor an zwei Filmen sowie einer Serie mitwirkten, bekamen kalte Füße und weigerten sich, den Film in ihren Märkten zu veröffentlichen. Auch international brachen viele Verleiher weg – in Deutschland etwa ließ Warner Bros. nach jahrelanger Woody-Allen-Treue von «A Rainy Day in New York» ab. Neue Verleiher hat Allens neuester Film zwar mittlerweile in vielen Märkten gefunden (nicht aber in den USA), doch nach dem zähen «Wonder Wheel» folgt mit «A Rainy Day in New York» nun nicht etwa seine nächste Offenbarung, sondern ein Film, der die glanzvollen Jahre des gebürtig aus Brooklyn stammenden Auteurs allenfalls erahnen lässt.
Dabei hat Allen ein gewohnt hochklassiges Ensemble vor der Kamera versammeln können – wenngleich sich im Zuge der #MeToo-Debatten viele Cast-Mitglieder vom Film distanzierten und mitteilten, ihre Gage zu spenden. Und, wenn wir schon dabei sind: Obwohl sein Film inhaltlich eigentlich überhaupt nichts mit den seit Jahren existierenden Missbrauchsvorwürfen gegen Allen zu tun hat, wirkt «A Rainy Day in New York» auf äußerst unangenehme Weise wie ein trotziger Kommentar an seine Kritiker. Und der ist nicht etwa treffend-böse geraten, sondern eher bestätigend-missglückt.
Streifzug durch den Big Apple
Mit seiner College-Liebe Ashleigh (Elle Fanning) plant Gatsby (Timothée Chalamet) ein romantisches Wochenende in New York. Ashleigh soll für die College-Zeitung den berühmten Regisseur Roland Pollard (Liev Schreiber) interviewen, in der verbleibenden Zeit möchte Gatsby ihr seine Stadt zeigen – und das ist vor allem das alte New York mit Klassikern wie der Bemelmans Bar und einer Kutschfahrt durch den Central Park. Doch Ashleigh wird von Roland Pollard nach dem Interview zu einem Screening seines neuesten Films eingeladen. Während sie mit ihm, seinem Drehbuchautor Ted Davidoff (Jude Law) und dem gefeierten Filmstar Francisco Vega (Diego Luna) von einer unerwarteten Situation in die nächste schlittert, muss sie Gatsby immer wieder vertrösten. Auf sich allein gestellt lässt dieser sich im Regen durch die Straßen New Yorks treiben. Und trifft dabei nicht nur auf Chan (Selena Gomez), die schlagfertige jüngere Schwester seiner Ex-Freundin, er hat auch ein Gespräch mit seiner Mutter (Cherry Jones), das für ihn alles verändert. So ist am Ende eines regnerischen Tages für beide, Gatsby und Ashleigh, nichts mehr so, wie sie es zuvor erwartet hatten…
«A rainy Day in New York» besteht erst einmal aus den gängigen Zutaten eines jeden Woody-Allen-Films: dem Big Apple als Kulisse, kauzigen Haupt- und Nebenfiguren, amourösen Verwicklungen und jeder Menge First-World-Problems. Dass Allen seine Filme von Grund auf nur wenig variiert (schon das Design von Vor- und Abspann ist grundsätzlich identisch), war in den vergangenen Jahren nie ein Problem. Am Ende hat er seinen Geschichten meist ja doch noch irgendeinen hübschen Dreh und mindestens gute bis bisweilen überragende Dialoge abgewinnen können. In «A rainy Day in New York» geht die übliche Formel nun aber nicht (mehr) auf. Vielleicht, weil man mittlerweile einfach zu sensibilisiert dafür ist, welch veraltete Rollenmuster und -Klischees Allen hier einmal mehr mit absoluter Selbstverständlichkeit aufgreift. Vielleicht aber auch deshalb, weil er genau das in «A rainy Day in New York» noch viel mehr tut als in seinen bisherigen Filmen.
In der Grundkonstellation folgt er einem jungen Pärchen von der Provinz nach New York. Hier soll sie einen berühmten Hollywood-Regisseur interviewen (dessen Name Roland Pollard sicher nur zufällig an den nicht minder umstrittenen Roman Polanski erinnert…), was er nur genervt hinnimmt. Aus einem harmlosen Frage-Antwort-Spiel zwischen Interviewerin und Interviewtem wird schon bald ein intensives Gespräch, in dessen weiterem Verlauf sie ihm voll und ganz verfällt. Aus der selbstbewussten Nachwuchsjournalistin wird relativ zügig eine sehr naive Schwärmerin, die sich von den unterschwelligen Avancen ihres Gegenübers spielend leicht um den Finger wickeln lässt. Nicht nur aufgrund des durch das Spiel beider Darsteller deutlich herausgestellten Altersunterschieds wirkt das mehr als befremdlich.
Missratener Einblick in Woody Allens Weltsicht?
Mithilfe subtiler verbaler Unterdrückung gibt Roland Pollard jederzeit die Rollenverteilung vor: Er der mächtige (wenngleich sich in bester „Fishing for Compliments“-Manier selbst bemitleidende) Regiesuperstar, sie die im Business völlig unerfahrene Schreiberin. Er ködert sie mit privaten Kinobesuchen seines neuesten Films und Einladungen zu angesagten VIP-Partys, sie schreibt im Gegenzug über ebendiese Filme. Anstatt anhand dieser Ausgangslage den ganz normalen Hollywood-Irrsinn auf gewitzte Weise zu beobachten und im besten Falle sogar zu hinterfragen, zementiert Regisseur und Drehbuchautor Woody Allen einfach nur gängige Klischees der Traumfabrik und zieht seine grenzenlos naive Protagonistin immer weiter in einen Sumpf aus gegenseitiger Abhängigkeit. Elle Fannings Ashleigh wird von einem mächtigen Filmschaffenden in die Arme des nächsten gehetzt, bis sie irgendwann halb nackt in der Wohnung eines Superstars steht, um – eben noch prüde und zurückhaltend, nun unter dem Einfluss von Alkohol – mit ihm Sex zu haben.
Dieser Charakterwandel ist in dieser kurzen Erzählzeit nicht nur absolut unglaubwürdig, er wirkt im Rahmen dieses nahezu dreisten Plots von einer Frau, die sich den schönen Augen erfolgreicher Männer zwangsläufig nicht entziehen kann, egal als wie smart und clever sie zunächst eingeführt wird, fast schon parodistisch. So wirkt «A rainy Day in New York» übrigens an vielen Stellen und damit wie eine Art „Jetzt erst recht!“-Kommentar Allens auf die Vorwürfe, die ihm im Rahmen seiner Karriere immer wieder gemacht wurden. Und egal ob gewollt oder nicht: Das Endergebnis ist in jedem Fall fragwürdig.
Auch durch das immer wieder die Grenzen zum Overacting überschreitende, die Figur der Ashleigh allen voran äußerst nervtötend machende Spiel von Elle Fanning («The Neon Demon») rückt alles um sie und ihre Verwicklungen in der Hollywood-Szene klar in den Mittelpunkt von «A rainy Day in New York». Dabei kann Woody Allen mit dem später zum Subplot degradierten Handlungsstrang rund um Ashleighs Freund Gatsby zeitweise ein wenig seiner alten Klasse wieder emporholen. Wenn der in Abwesenheit seiner Freundin auf sich allein gestellte junge Mann durch das verregnete New York schlendert, sich mit einer guten Freundin trifft, zufällig alten Bekannten über den Weg läuft und auf einen Abstecher bei seinem Vater und dessen neuer Partnerin sowie seiner Mutter vorbei schaut (ein spätes Gespräch zwischen Gatsby und seiner Mum ist klar die beste Szene des Films), gelingen Allen in diesen kurzen Gesprächen immerhin hin und wieder nette Detailbeobachtung.
Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen Gatsby und Chan. Timothée Chalamet («Beautiful Boy») und Selena Gomez («The Dead don’t die») harmonieren als Vielleicht-vielleicht-auch-nicht-Pärchen, unter dem noch längst nicht alles ausgesprochen ist, was ausgesprochen werden müsste, hervorragend und verhelfen «A rainy Day in New York» wenigstens für ein paar Szenen zu der Leichtigkeit klassischer Woody-Allen-Liebesfilme. Doch am Ende verlässt sich die Geschichte zu sehr auf ihre dampfplaudernde Hollywood-Jungfrau in den Armen alternder Filmstars – diesen Film 2019 herauszubringen, ist mindestens mutig wenn nicht gar vollkommen unangebracht.
Fazit
Egal ob Woody Allen «A rainy Day in New York» als filmischen Rundumschlag gegenüber seiner Kritiker angelegt hat, oder ob es einfach nur verdammt deutlich danach aussieht: Diesen Film hat in dieser Form keiner gebraucht.
«A rainy Day in New York» ist ab dem 5. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel