Seit Jahrzehnten ist Karlo Hackenberger als Synchronsprecher tätig, darüber hinaus führt er auch Synchronregie und textet Synchronbücher. Mit Quotenmeter.de spricht er über seine Lieblingsarbeiten.
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Visitenkarten
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Es gibt wenig, womit man angeben kann.
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Karlo Hackenberger
Obwohl Hackenberger Synchro-Vollprofi ist, durchläuft er alle Höhen und Tiefen des Film- und Serienaufgebots: "Man macht ja auch viel Mist als Synchronsprecher", stellt er trocken fest. "Und viel Kleinkram. Hier mal eine Episodenrolle in einer guten Serie, da in einer schlechten Serie, dann eine Nebenrolle in einem Direct-to-DVD-Horrorfilm, hier mal eine Doku, dann einen Werbespot. Es gibt wenig, womit man angeben kann – nur wenige von uns sind die Stammstimme von George Clooney oder so etwas."
Ein Beispiel, wo Hackenberger aber ebenso stolz auf seine eigene Leistung ist, wie er riesige Freude für das filmische Gesamtkunstwerk mitbringt, ist der Pixar-Animationsfilm «Coco», über dessen Bildgewalt und liebevoll-detaillierte Figurenanimation er minutenlang ins Schwärmen geraten kann. Und er ist sehr glücklich über die Rolle, die er in der deutschen Version gesprochen hat, das freundliche Skelett Héctor.
"Es ist eine meiner Lieblingsrollen – die ist für mich zu einer Visitenkarte geworden", sagt Hackenberger mit fröhlich singender Stimme. "Den Film trage ich ganz stolz vor mir her, er ist so süß und so liebevoll-präzise animiert." Für Hackenberger steht außer Frage, dass «Coco» in einer anderen Kinoära auch beim breiten Publikum so einen hohen Stellenwert hätte, wie bei ihm selbst: "Wären wir nicht in einer so schnelllebigen Zeit, ich glaube, er wäre so ein großer Klassiker wie «Das Dschungelbuch». Aber jetzt kommen in so hoher Schlagzahl andauernd neue Filme raus, dass es so schwer wird, sich wirklich ins Herz des Publikums zu kämpfen."
Diese Liebe zum Film trägt nicht nur Hackenberger mit sich – das Synchronteam von «Coco» war laut ihm generell vom Film angetan und steckte daher große Mühen in seine Arbeit: "Wir haben erst die Dialoge eingesprochen und dann als krönenden Abschluss an zwei Tagen die Lieder. Eigentlich war nur ein Tag eingeplant, aber wir haben uns da so ins Detail verloren, weil wir es perfekt machen wollten, dass wir einen zweiten Tag dran gehängt haben."
Was «Coco» in der Filmwelt, ist «Willkommen in Gravity Falls» für Karlo Hackenberger in der jüngeren Seriengeschichte. "Die Serie ist so großartig", jubelt er über das Format, in dem er als Sprecher tätig war und bei dem er außerdem in der Synchronregie saß und über den Synchronbüchern brütete. Vor dem Serienschöpfer hat er daher größten Respekt: "Hut ab vor Alex Hirsch, der erst eine so starke, intelligente, spaßige Serie entwickelt und dann sagt 'Nach zwei Staffeln ist das Ding durch.'" Er führt weiter aus: "So eine runde Sache – einerseits natürlich schade, ich habe die Serie liebend gerne getextet und hätte das noch jahrelang weiter machen können. Aber es ist aus künstlerischer Sicht die richtige Entscheidung, beneidenswert integer."
Die Arbeit an den «Willkommen in Gravity Falls»-Büchern war für Hackenberg zwar sehr herausfordernd, aber aufgrund der Qualität der Serie machte ihm das nichts aus: "Die Serie ist so durchdacht, wirklich jede noch so kleine Figur hat Persönlichkeit und seine eigene Geschichte. Und dann macht das Texten auch direkt viel mehr Spaß – es war eine sehr schwere Serie, mit den ganzen Vorgriffen, Wortspielen, Geheimnissen und Rückverweisen. Aber es hat riesigen Spaß gemacht, weil es so gut war."
Schummeln darf sein
Es ist keineswegs so, als würde Hackenberger mit jeder Serie, die er bearbeitet, solch eine emotionale Bindung eingehen. "Ich bearbeite aktuell eine Realserie, in der die Serienmutter sehr bescheiden spielt", verrät Hackenberger, der im selben Atemzug das Schauspiel im Format generell anzweifelt – sowie die Texte, die er zu übersetzen hat. "Die sagen in jedem dritten Satz 'ok' oder 'you know' oder 'oh my god', und die reden sich ununterbrochen mit den Vornamen an." Er verzweifelt fast: "Es ist schlecht getextet und schlecht gespielt, die vergessen dauernd ihren Text und daher gibt es ständig Füllwörter und Wiederholungen. Und das kann ich unmöglich guten Gewissens so weitergeben. Ich kann die nicht so reden lassen."
Vor allem das ständige "oh my god" bringt den Synchronmacher an die Decke: "Wenn ich 'Oh mein Gott' sage, muss schon etwas richtig heftiges passieren, ich sag das nicht nach jedem halblustigen Satz meiner Mitmenschen. Das geht nicht." Hackenberger nutzt daher diese ganzen Ausrufe, Wiederholungen und Stammeleien in der Originalfassung, um sich "Zusatzsilben" zu ergaunern:
"Die deutsche Sprache ist ja komplexer, daher brauchen wir mehr Silben. Und normalerweise muss man bei der Synchro dann viel drängen – und bei dieser Serie kann ich schon bei 'well … you know … well' relevante Informationen vermitteln. So werden die Dialoge spannender und ich habe ein besseres Gewissen, die Serie auf die Menschheit loszulassen." Dieses Vorgehen ist keine Selbstverständlichkeit: "Die Freiheit nehme ich mir – es wird so eine lebendigere Serie. Aber es gibt Leute, die sagen: 'Ich übersetze 1:1, und wenn die im Original dauernd über ihre Texte stolpern, machen die das bei mir auch.'"
Menschlich-hündisches Gebell
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Manchmal macht man bei Filmsynchros ja 'Blöcke', etwa einen wütenden und einen traurigen Tag. Aber das hätte meiner Meinung nach bei «Taffy» nicht funktioniert. Denn viel Witz in der Serie generiert sich aus den plötzlichen Brüchen – in einem Rutsch erst total aufgeregt rumzukläffen und auf einmal verdutzt 'w...au?' zu sagen, gibt der Serie erst ihre Würze."
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Karlo Hackenberger
An der Trickserie «Taffy» hat Hackenberger deutlich mehr Spaß – auch, weil sie ihm als Sprecher einen interessanten Spagat abverlangt: "Das Herausfordernde und Knfflige an Bentley in «Taffy» ist, dass er nicht ganz Hund, aber auch nicht wirklich vermenschlicht ist", freut sich der Synchronsprecher. "Wenn er bellt, klingt das nicht wie Hundegebell, aber es ist auch keine Sprache. Und dennoch versteht man, was er aussagen will. Ob er nun genervt 'Wau Wau Wau' oder aufgeregt 'Wau Wau Wau' sagt, ist ein riesiger Unterschied, obwohl es von Tempo und Stimmfarbe sehr ähnlich ist und bei aller Ausdrucksstärke schön hündisch bleibt. Das macht mir großen Spaß an der Rolle."
Die Synchronisation von «Taffy» erfolgte so gut es ging chronologisch. "Manchmal macht man bei Filmsynchros ja 'Blöcke', etwa einen wütenden und einen traurigen Tag. Aber das hätte meiner Meinung nach bei «Taffy» nicht funktioniert", erörtert Hackenberger. "Denn viel Witz in der Serie generiert sich aus den plötzlichen Brüchen – in einem Rutsch erst total aufgeregt rumzukläffen und auf einmal verdutzt 'w...au?' zu sagen, gibt der Serie erst ihre Würze."
Über die verschiedenen Medien, in denen er schon zu hören war, sagt er übrigens: "Zeichentrick und Realfilm zu synchronisieren ist unterschiedlich – aber es ist beides gleichermaßen herausfordernd." Einer der Unterschiede ist, dass es beim Zeichentrick laut Hackenberger einfacher ist, lippensynchron zu bleiben, weil die Mundbewegungen darin nicht so komplex wie im Realfilm sind. "Aber Zeichentrick hat so seine Tücken, die der Realfilm nicht hat", hält er fest. "Beim Zeichentrick muss man oft stärker auf den Rhythmus des Ganzen achten."
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Es gibt im Original keine Zufälle – wenn im Zeichentrick etwas vorkommt, dann ist das so gewollt. Darum erfordert es eine präzisere Synchronisation.
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Karlo Hackenberger
Und was beim Zeichentrick für die Aufgabe des Sychronteams besonders schwer ist: "Es gibt im Original keine Zufälle – wenn im Zeichentrick etwas vorkommt, dann ist das so gewollt. Darum erfordert es eine präzisere Synchronisation. Wenn ein Schauspieler kurz aufatmet, bevor er etwas sagt, ist das nicht immer Teil des Schauspiels, sondern manchmal auch einfach Natur." Das bedeutet, so Hackenberger: "Da kann man beim Synchronisieren 'schummeln', wenn es nötig ist, und vielleicht schon was Klang mitgeben oder auch nicht. Wenn eine Zeichentrickfigur hör- und sichtbar atmet, bevor sie etwas sagt, ist das Absicht und die Synchro muss das beachten, um jeden Preis."
Karlo Hackenbergers "Lieblingsherausforderung" beim Synchronisieren betrifft aber eine relativ alltägliche Floskel. Er malt eine Szene, wie sie in Filmen und Serien öfter vorkommt: "Sie kommt die Treppe runter, er ist genervt, guckt auf die Uhr, meint: 'You're late', sie ist prompt sauer." Hackenberger fasst zusammen, was das für ihn als Texter immer wieder bedeutet: "Zwei Silben, keine Labiale, kaum Lippenbewegung. Wie übersetzt du das? 'Zu spät' klingt nicht natürlich. 'Du bist zu spät' ist zu lang und alles mit 'kommen' bedeutet, dass du die Lippen zu sehr bewegst …" Er lässt die Szene im Raum hängen und sagt stolz: "Die Lösung: 'Na endlich!' Es drückt dasselbe aus. Und es passt auf die Lippen sowie auf die genervte Reaktion!"
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26.11.2019 17:40 Uhr 1