«The Good Liar - Das alte Böse» - Wer betrügt hier wen?
Nach seiner millionenschweren Disneyproduktion «Die Schöne und das Biest» dreht Regisseur Bill Condon wieder im kleineren Kreis und entspinnt in «The Good Liar» ein schwer durchdringbares Verwirrspiel auf der Leinwand, bei dem Genie und Wahnsinn nah beieinander liegt.
Filmfacts: «The Good Liar»
Start: 28. November 2019
Genre: Thriller/Drama
FSK: 12
Laufzeit: 109 Min.
Kamera: Tobias A. Schliessler
Musik: Carter Burwell
Buch: Jeffrey Hatcher
Regie: Bill Condon
Darsteller: Helen Mirren, Ian McKellen, Russell Tovey, Jim Carter, Mark Lewis Jones
OT: The Good Liar (USA 2019)
Als Gelegenheitskinogänger zieht es einen oft in die großen Multiplexe und für die Masse konzipierten Lichtspielketten, wo präsentiert wird, was die Werbung dominiert. Wen es dagegen ab und an auch in die städtischen Programmkinos verschlägt, der kann sich einen guten Eindruck darüber verschaffen, was abseits des Mainstreamkinos so alles abgeht. Es gibt zum Beispiel eine regelrechte Übersättigung an Filmen für ein Publikum jenseits der 60; und gerade weil wir dieser Zielgruppe eben nicht automatisch unterstellen wollen, dass sie ihren Anspruch mit dem Betreten eines Kinos an der Kasse abgeben möchte, um sich einfach mal nur eineinhalb Stunden lang berieseln zu lassen, grenzt es mitunter schon an eine Frechheit, dass Filme für und über die Generation grau oft so piefig und unaufgeregt geraten («Ein letzter Job» aus diesem Jahr ist dafür das perfekte Beispiel) und nicht selten immer wieder ein und dieselben Geschichten von der Liebe im Alter, von Krankheiten oder ungeahnter Rüstigkeit erzählen.
So viel lässt sich Regisseur Bill Condon («Die Schöne und das Biest») sowie seinem neuesten Werk «The Good Liar – Das alte Böse» bereits zugutehalten: Sein mit allen möglichen Genrefacetten, von der Romanze über das Drama bis hin zu Thriller und Komödie, versehener Film über zwei sich übers Internet kennenlernende Rentner ist hochgradig mit dem Who-is-Who Hollywoods Golden Ager besetzt und deutet immer nur an, Erwartungen zu erfüllen, eh er im finalen Drittel alles vorher gesehene auf links dreht und damit wahlweise begeistert oder vor den Kopf stößt. „Immer das Gleiche“ bekommt man hiermit also nicht präsentiert. Und das ist gut. Inwiefern das aber auch auf den Film selbst zutrifft, liegt stark im Auge des Betrachters.
Charmanter Gauner, naives Opfer?
Der souveräne Berufsbetrüger Roy Courtnay (Ian McKellen) hat sein neuestes Ziel im Visier: die millionenschwere, seit Kurzem verwitwete Betty McLeish (Helen Mirren). Und Roy beabsichtigt, sich alles zu nehmen. Von ihrem ersten Treffen an beginnt Roy, Betty mit seinen bewährten Manipulationen zu umgarnen, und Betty, die von ihm sehr angetan zu sein scheint, lässt sich rasch auf ihn ein. Doch dieses Mal eskaliert das eigentlich simple Täuschungsmanöver in einem Katz-und-Maus-Spiel, bei dem alles auf dem Spiel steht – und weitere perfide Machenschaften enthüllt, die sie beide durch ein Minenfeld von Gefahr, Intrigen und Verrat führen wird.
Um «The Good Liar» angemessen zu bewerten, bedürfte es eigentlich eine ausführliche Betrachtung des finalen Twists. Da dieser wiederum seine ganze emotionale Wucht aus dem Überraschungsmoment entfaltet, wollen wir auf diesen gar nicht detaillierter näher eingehen. Nur so viel: Er steht tonal und inhaltlich in einem solch krassen Gegensatz zu den vorausgegangenen eineinhalb Stunden, dass in diesem zweifelsohne sehr mutigen Finale zu gleichen Anteilen Genie und Wahnsinn steckt. Drehbuchautor Jeffrey Hatcher (schrieb bereits das Skript zu Bill Condons sehr gelungener «Sherlock Holmes»-Neuauslegung «Mr. Holmes») legt den Fokus in seiner auf dem gleichnamigen Roman von Nicholas Searle basierenden Geschichte zunächst jedoch erstmal auf das gediegene Kennenlernen zwischen Roy und Betty. Wenngleich schon früh szenische Einschübe über Roys Doppelleben als gewiefter und durchaus gewaltbereiter Trickbetrüger sowie Gespräche mit seinem Komplizen Vincent (Jim Carter) über Roys Vorhaben, Betty um ihr Erspartes zu bringen, andeuten, dass diese aufkeimende Romanze alles andere als emotional bedingt ist, stellt Condon mit seinem Film im weiteren Verlauf gegensätzliche Weichen.
Lange Zeit wirkt «The Good Liar» nämlich wie eine Geschichte über Läuterung. Und da Sir Ian McKellen seinen Roy eben auch sehr undurchsichtig anlegt, geht die Illusion davon, dass er wegen Betty auf seine alten Tage endlich aus dem zwielichtigen Betrügerbusiness aussteigt, erstaunlich gut auf.
Gediegener Auftakt, hanebüchene Auflösung
Nach rund der Hälfte des Films lässt sich «The Good Liar» schließlich gar nicht mehr in die Karten schauen. Ein großer Reiz bei einem ansonsten doch eher gediegen inszenierten Film, dessen Tempo sich an das Alter der beiden Protagonisten anpasst. Auf der einen Seite stehen da die Szenen, in denen Roys Vergangenheit (und Gegenwart) als Betrüger derart präsent sind, dass kein Zweifel an seinen Plänen besteht. Auf der anderen Seite wirken die mitunter auch romantisch angehauchten Momente zwischen ihm und Betty absolut aufrichtig – und nicht zuletzt ist da ja auch noch Mirrens mindestens genauso undurchdringbare Performance als eben nicht offen in die Kreissäge des Verderbens rennende Frau, die ihren äußerst achtsamen (und die Skepsis ob des plötzlich ins Leben seiner Oma tretenden Roy oft ein wenig zu deutlich ausformulierenden) Enkelsohn Stephen (Russell Tovey) eigentlich gar nicht bräuchte, um Vorsicht walten zu lassen. Je länger «The Good Liar» nämlich voranschreitet, desto mehr wird auch Helen Mirrens Figur zum uneinschätzbaren Faktor.
Wenn sich hier abseits der freundschaftlich-amourösen Zweisamkeit beide Seiten unaufhörlich belauern und die Atmosphäre dadurch zu ihrer diffusen Spannung findet, hat «The Good Liar» klar seine stärksten Momente. Je nach Auslegung findet all das in der finalen Auflösung entweder seinen Höhepunkt oder stürzt unaufhaltsam in sich zusammen.
Anders als es die doch recht reißerischen Trailer vermuten ließen (im Grunde hätte auch auf dem Plakat nur noch gefehlt, dass einer der beiden eine Waffe in der Hand hält und «The Good Liar» ließe sich hervorragend wenngleich fälschlicherweise als Rentner-Version von «Mr. und Mrs. Smith» vermarkten), schlägt der Film im Finale schließlich einen Weg ein, der – so viel können wir ohne Weiteres verraten – definitiv überraschend ist. Der Aha-Effekt ob des großen Ganzen funktioniert also schon mal. Doch von der seicht-illustren Inszenierung der vorherigen 90 Minuten ist die Auflösung der Geschichte so weit entfernt wie der hier präsentierte Masterplan von Logik und Realismus. Mehr noch: Ist «The Good Liar» eineinhalb Stunden lang ein heiter und unbeschwert anschaubares Vergnügen, endet die Story schließlich in thematisch derart niederschmetternden Gefilden, dass man über den Film letztlich zwar deutlich mehr grübeln wird als über irgendeine x-beliebige Rentnerschmonzette. Doch das was die Geschichte hier anreißt, ist eigentlich viel zu morbide, um am Ende lediglich für einen reißerischen Twist zu dienen.
Vielleicht erwischt es manch einen Zuschauer gerade deswegen umso härter. Auf der anderen Seite würde es nicht wundern, wenn die ernsthafte Intention dahinter erst recht verpufft. Dadurch setzt sich «The Good Liar» definitiv zwischen die Stühle und ein bitterer Beigeschmack bleibt. So richtig empfehlen kann man diesen Film wohl niemandem.
Fazit
«The Good Liar – Das alte Böse» ist Rentner-Romanze, Betrügerkrimi und Komödie in einem – und noch sehr viel mehr, was sich allerdings erst im twistreichen Finale offenbart. Damit riskiert Bill Condon viel, verliert aber umso mehr, obwohl seine hochkarätige Besetzung die hanebüchenen Skriptentwicklungen immerhin noch halbwegs solide stemmen kann.
«The Good Liar – Das alte Böse» ist ab dem 28. November in den deutschen Kinos zu sehen.
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