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Weshalb interessiert sich das ProSieben-Publikum nicht für Auswärts-Liveshows?

Erst «Das ProSieben-Auswärtsspiel», dann «Die Liveshow bei dir zuhause»: Wir suchen nach Gründen, warum die aufwändigen Livesendungen beim ProSieben-Publikum untergehen.

An der Oberfläche betrachtet hätte «Das ProSieben-Auswärtsspiel» oder spätestens dessen aufwändiger Nachfolger «Die Liveshow bei dir zuhause» zum großen Quotenkracher werden müssen. Showfans verlangen Abwechslung, und die bekommen sie hier geboten: Statt noch einer Spielshow in einem der immer gleichen Fernsehstudios gibt es hier einen Tapetenwechsel – und zwar in jeder Ausgabe einen neuen. Und statt einer Show aus der Konserve gibt es den geballten Livefaktor – inklusive Trubel und spontaner Einfälle, wie sie nur Outdoor-Fernseheinsätze mitbringen.

Aber es kam völlig anders: 2016 startete «Das ProSieben-Auswärtsspiel» mit 10,4 Prozent bei den Umworbenen zwar unterhalb der Erwartungen, aber es versprach noch Potential. Die größere Nachfolgeshow «Die Liveshow bei dir zuhause» holte am 12. Oktober dieses Jahres dagegen mit ihrem chaotischen Auftakt nur noch 7,2 Prozent, die geordneter abgelaufene und kurzweiligere zweite Folge sank zwei Wochen später auf nur noch 5,9 Prozent. Was aber sind die Gründe dafür – abgesehen von der schwachen technischen und organisatorischen Tagesform, den die erste «Die Liveshow bei dir zuhause» hinlegte? Wir stellen drei Thesen auf.

Abseits des rein kosmetischen Unterschieds wurde noch immer nicht genug Abwechslung geboten


Eine Liveshow abseits von Studiobedingungen bringt jede Menge Herausforderungen mit sich. Technisch, logistisch und auch hinsichtlich der Showdramaturgie: Matthias Opdenhövel und Steven Gätjen mussten in «Die Liveshow bei dir zuhause» mehrmals Strecken überbrücken, in denen die Location gewechselt wurde, Regeln wiederholt erklärt werden mussten oder sonst etwas den Showablauf hinauszögerte. Da Opdenhövel und Gätjen hervorragende Livemoderatoren sind, war das öfter unterhaltsam, als es bei diversen anderen Gastgebern geworden wäre, dennoch verlangt diese gestreckte Dramaturgie auch einen Pay-off. Und der ist bei «Die Liveshow bei dir zuhause» abseits der sich von einer Studioshow unterscheidenen Anblicke gar nicht mal so groß: Viele der Spiele hätte man auch im «Schlag den Star»-Studio und der unmittelbaren Umgebung abhalten können.

Als Ausnahme dienten nur gelegentliche, kreative Spiele wie "Wie gut kannst du Fragen über deine eigene Wohnung beantworten?", die trivial und albern, aber halt auch erfrischend und andersartig sind. Um sich stärker von den ProSieben-Studiosendungen abzugrenzen, müsste «Die Liveshow bei dir zuhause», sollte sie jemals zurückkehren, noch mehr auf solche Alleinstellungsmerkmale verlassen. Wie wäre es mit einer Schnitzeljagd in der eigenen Stadt? Einem Finalspiel mit Lokalkolorit? Um diesen Aufwand auszugleichen, würde sich eine gestraffte Laufzeit (etwa erreicht, indem man die Anzahl der Spielrunden kürzt) anbieten – so müsste man auch eine geringere Anzahl an originellen Spielen pro Ausgabe finden.

Die Prämisse bringt ein "Mitfieberproblem" mit sich


Bei «Schlag den Raab» war es einfach: Entweder fand man Raab toll und wollte sehen, wie er trotz vermeintlich schlechter Chancen durchtrainierte, angebliche Superhirne fertig macht. Oder man war gegen Raab. Bei Jokos und Klaas' Duellsendungen verhält es sich ähnlich: Man fiebert für seinen Favoriten mit (oder hat einfach Spaß am durchkalkulierten Unsinn). Bei «Die Liveshow bei dir zuhause» wäre es ebenfalls von Vorteil, wenn man sich im Laufe der Fernsehstunden auf eine Seite schlagen würde. Aber selbst trotz eines Einspielfilms wurde in dieser Hinsicht einfach zu wenig dafür geboten – und dann kam noch der Faktor "Missgunst" hinzu.

In den sozialen Netzwerken urteilten zahlreiche Fernsehende, keinen Grund zu haben, den teilnehmenden Familien eine hohe Gewinnsumme zu gönnen – denn sie alle wohnten in großen, hellen, teuer eingerichteten Wohnungen. Es lässt sich darüber streiten, ob man nicht einfach dennoch mitfiebern könnte, und man nicht so missgünstig sein sollte. Dennoch standen die Zeichen an der Wand: Teile des Publikums konnten oder wollten daher nicht mitfiebern.

Aber beim bestehenden «Die Liveshow bei dir zuhause»-Konzept gibt es keine lohnenswerte Alternative. Kleine Studentenbuden oder unaufgeräumte, lange nicht mehr in Schuss gehaltene Großfamilienwohnungen von schlecht verdienenden Mietern irgendwo im Sozialbrennpunkt bieten nicht genug Raum für den Technikwust einer TV-Liveshow und wären nicht unbedingt Material für attraktives Gute-Laune-Samstagabendfernsehen. Hinzu kommt der Sicherheitsfaktor: Nicht umsonst wurde bemängelt, dass man die Showfamilien quasi ans Messer liefert, wenn man stundenlang deren vollen Namen, ihren Wohnort und ihre Gewinnsumme ausspricht. Aber eine gut verdienende Familie kann eher entsprechende Vorkehrungen treffen, in den Folgewochen nicht von Bittstellern genervt zu werden, als irgendwelche armen Schlucker, die sich mit dem Preisgeld frisch aus den Schulden ziehen.

ProSieben hat für die Zukunft seiner «Die Liveshow bei dir zuhause»-Grundidee zwei Optionen: Dem Publikum besser vermitteln, weshalb es nicht so missgünstig sein sollte. Oder aus dem "zuhause" nur ein "bei dir um die Ecke" machen und Vereinskneipen, ranzige Sporthallen und Umgebung, Vorstadt-Restaurants und Co. als Veranstaltungsort nehmen, an dem sich Familien duellieren. Die haben auch Charakter und bringen eine showatypische Atmosphäre mit – wecken aber weniger Missgunst beim Publikum.

Der Voyeurismus-Effekt zieht bei der ProSieben-Kernzielgruppe nicht (mehr)


Die Idee, mit einem Fernsehteam beim TV-Publikum vorbeizukommen, wird zwar selten genutzt, neu ist sie allerdings nicht. Es unterhielt Fernsehende schon vor Jahrzehnten, wenn eine Show damit gewürzt wird, dass man das Studio hinter sich lässt und die Sendung ein Fenster in die Wohnungen anderer TV-Junkies öffnet. Doch der "Wow, wie werden sich andere Normalos vor der Kamera schlagen? Und wie sieht es bei ihnen aus?"-Effekt ist 2019 längst nicht mehr so unverbraucht wie er es 2009 war, geschweige denn 1999, 1989 oder 1979. Denn wer einst wissen wollte, wie andere Menschen leben, musste entweder auf eine der raren Sendungen warten, die in irgendwelche Wohnungen rein gucken, oder die Leute halt besuchen.

Heutzutage sind Einblicke in anderer Leute Wohnungen und Häuser nur einen Klick entfernt. ProSieben bedient eine junge, webaffine Kernzielgruppe – von der Möglichkeit, zu sehen, wie zwei Familien wohnen und leben, lässt die sich doch nicht an den Fernseher locken und so sehr fesseln, dass sie zig Werbeblöcke durchsteht. Denn ihren inneren Voyeur weiß diese Zielgruppe jederzeit zu bedienen. Aus ähnlichem Grund verliert für diese Altersgruppe das Konzept "Normalsterbliche tun verrückte oder schwere Dinge" an Eventcharakter – gibt es das doch noch und nöcher im Web. Es muss schon ein Mehr an Persönlichkeit sein, das die Akteure mitbringen, um über den reinen Schaueffekt eine Bindung zu erzeugen. Daher funktionieren zum Beispiel die Shows von Joko und Klaas: Sie bieten spektakuläre und/oder alberne Anblicke – und jede Menge Charakter drum herum.
08.11.2019 12:52 Uhr Kurz-URL: qmde.de/113460
Sidney Schering

super
schade

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Tags

Schlag den Star Schlag den Raab Das ProSieben-Auswärtsspiel Die Liveshow bei dir zuhause

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Familie Tschiep
08.11.2019 21:57 Uhr 1
Im Studio kann man auch Abwechslung bieten. Ich glaube, ein interessantes Setting macht noch keine gute Spielshow. Ich glaube, eine gute Spielshow braucht eine interessante, neue Frage, so dass man Gesprächstoff für die Leute schafft.



Es kann aber auch sein, dass die Zuschauer sich an eine Show gewöhnen und die Macher die Möglichkeiten ihres Konzeptes erkennen müssen, aber letzteres ist immer der Fall. Ich fand es gar nicht so schlecht
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