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Popcorn und Rollenwechsel: Die Shia-Chroniken

Unser Kolumnist findet, dass Shia LaBeouf ein guter Schauspieler ist. Und muss sich daher sehr oft erklären.

Shia LaBeouf leidet unter einem ähnlichen Problem wie Ben Affleck: Sie beide können sehr wohl sehr gut schauspielern, doch der breiten Masse wurden sie primär durch ihre öffentlichen Eskapaden und einige Filme bekannt, in denen sie nicht gerade ihr mimisches Potential voll entfaltet haben. Das führt dazu, dass ihre Namen bei einigen Gelegenheitszuschauerinnen und Gelegenheitszuschauern sowie bei manchen Filmfans verbrannt sind. Während sich Ben Affleck durch seine eigenen Regiearbeiten und «Gone Girl» vorübergehend aus diesem Tief einer öffentlichen Wahrnehmung arbeiten konnte, hinkt Shia LaBeouf seinem älteren Kollegen etwas hinterher.

Was Shia LaBeouf und Ben Affleck ebenfalls eint? Ich habe einen leichten "Beschützerdrang" ihnen gegenüber. Als Freund der frühen Affleck-Filme sowie seines wenig gesehenen Dramas «Die Hollywood-Verschwörung» habe ich Ben Affleck gegenüber seinen schärfsten Kritikern verteidigt, noch bevor Filme wie «The Town» es leichter und populärer gemacht haben, "Armer Ben, der kann doch was!" zu sagen. Und so verhält es sich auch mit Shia LaBeouf: Erstmals fiel er mir mit «Eben ein Stevens» auf. Die Disney-Serie war der erste Schub von LaBeoufs Durchbruch und zeigt LaBeouf als räudigen, faulen Teenager, der aus seiner braven, perfekten Familie heraussticht, dem LaBeouf aber einen goldigen Kern mitgibt.

2003 folgte «Das Geheimnis von Green Lake», in dem er seine schauspielerischen Muskeln noch stärker hat spielen lassen dürfen: In der Verfilmung eines in den USA sehr beliebten Kinderbuches spielt Shia LaBeouf einen zu Unrecht in ein Besserungslager gesteckten Jugendlichen, der sich mit weiteren "Sträflingen" anfreundet und in deren, seiner eigenen und der Vergangenheit der dubiosen Campleiter herumstochert. Der Film ist eine kuriose Mischung aus Tonalitäten und Hauptdarsteller Shia LaBeouf bringt sie behände zusammen. Zwei Jahre später übernahm Shia LaBeouf die Hauptrolle in «Das größte Spiel eines Lebens», einem humorvoll angehauchten Disney-Sport-Historiendrama, in dem er mit Charme und ausdifferenziertem Spiel an den Stoff herantritt. Und 2007 schien Shia LaBeouf kurzzeitig auf dem richtigen Weg zu sein, sein Publikum auszubauen:

Denn nach Nebenrollen in solchen Big-Budget-Filmen wie «I, Robot» und «Constantine» hatte Shia LaBeouf mit «Disturbia» seine erste Hauptrolle in einem an ältere Teenager und junge Erwachsene gerichteten Popcorn-Streifen. Die an «Das Fenster zum Hof» angelehnte Steven-Spielberg-Produktion ist eine Mixtur aus Teenie-Romanze und Thriller und war für mich der zweite Schub in Shia LaBeoufs Karriererakete. Ich finde ihn dort sehr glaubhaft als eigentlich unauffälliger Teenager, der durch den Tod seines Vaters aus der Bahn gerät, sich in die neue Nachbarin verliebt und seltsame Theorien über die weitere Nachbarschaft aufstellt und letztlich um sein Leben bangen muss.

Doch 2007 sollte Shia LaBeoufs Ruhm aus einem anderen Grund massiv an Größe gewinnen. Durch Michael Bays «Transformers». Dieser Film, seine ersten zwei Fortsetzungen, «Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels» und die «Wall Street»-Fortsetzung «Wall Street: Geld schläft nicht» lösten einen vier Jahre langen Tanz auf dem Häme-Parkett aus. Shia LaBeouf wurde fehlbesetzt, von seinen Regisseuren und Produzenten überhyped, so dass sich die Fanbase hinter diesen Marken gegen ihn auflehnte und er hatte zudem mit einem Wust an groß erwarteten, aber auch laut verrissenen Projekten zu kämpfen. Bis sich bei vielen Leuten der Eindruck festsetzte, dass er als gemeinsamer Nenner dieser Filme auch das diese Filme einende Problem sein müsste.

Dass Shia LaBeouf nichts für das grausige Skript der «Transformers»-Filme konnte, dass es nicht seine Schuld ist, wenn George Lucas und Steven Spielberg einer Fanbase, die keinen Harrison-Ford-Nachfolger will, mit Wucht Shia LaBeouf als "die nächste Generation" vorstellen und sich gleichzeitig im Film schon über seine Figur lustig machen, und dass das «Wall Street»-Sequel unausgegoren ist, das kam einfach vielen nicht in den Sinn. Es war eine stressige Zeit für mich als Shia-LaBeouf-Fan – aber eine noch schlimmere Zeit für ihn selbst. In einem schrägen Elternhaus aufgewachsen, früh ins Rampenlicht geraten und dann kurzzeitig von einigen der mächtigsten Filmschaffenden in Hollywood als der nächste heiße Scheiß verkauft, von deren Fans aber als die größte Scheiße behandelt, musste all das Spuren an Shia LaBeouf hinterlassen. Und das hat es:

Anfang 2014 hat sich Shia LaBeouf zwei Performance-Künstlern angeschlossen, ohne dies jedoch vorab groß publik zu machen, wodurch seine mit ihnen entwickelten Aktionen wie "Ich laufe mit einer braunen Papiertüte auf dem Kopf über den roten Teppich der Berlinale" oder "Ich setze mich in Los Angeles weinend in einen Raum und sage kein Wort", die als grelles Sinnieren über das Prominentsein höchst wahrscheinlich auch ein Verarbeitungsmechanismus waren, in der großen medialen Öffentlichkeit eben nicht als Aktionskunst besprochen wurden, sondern als "Wird Shia LaBeouf jetzt völlig geisteskrank"?

Und gerade auch deshalb feiere ich jeden Film, in dem Shia LaBeouf als Schauspieler positiv heraussticht, mit großem Eifer. "Ich freue mich, dass Shia wieder zeigen darf, was er drauf hat", ist ein häufig gesagter Satz für mich geworden und man sollte denken, dass nun, acht Jahre nach «Transformers 3» der miese Nachgeschmack von LaBeoufs schwächsten Filmen in der Allgemeinheit abgeklungen ist. Und doch höre ich noch immer sehr oft: "Was, der?!"

Hier also meine Hausaufgabe für alle, die denken, Shia LaBeouf ist nur der rumbrüllende Bube in Actionfilmen und der forcierte Nachfolger von Leinwandlegenden: David Ayers «Fury» (auch vermarktet als «Herz aus Stahl»), ein dreckiges Kriegsdrama mit zweischneidiger Moral, in der Shia LaBeouf unter anderem an der Seite von Brad Pitt Kriegsheld und Kriegsverbrecher zugleich ist, das impressionistische Rand-der-US-Gesellschaft-Porträt «American Honey» und der mit doppeltem Casting-Boden versehene Tennisfilm «Borg/McEnroe», in dem Shia LaBeouf den berüchtigten Tennisstar John McEnroe spielt.

Und für die Leinwandzukunft stehen der autobiografische «Honey Boy» sowie die mit Bluegrass-Musik untermalte Ausreißer-Dramödie «The Peanut Butter Falcon» an. In letzterem spielt Shia LaBeouf an der Seite von Dakota Johnson, einer weiteren begnadeten Person aus dem Schauspielgeschäft, die viele für ihren größten Hit verurteilen. Aber das ist vielleicht Stoff für eine andere Kolumne.
04.11.2019 17:51 Uhr Kurz-URL: qmde.de/113362
Sidney Schering

super
schade


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Popcorn Gone Girl Die Hollywood-Verschwörung The Town Eben ein Stevens Das Geheimnis von Green Lake Das größte Spiel eines Lebens I Robot Constantine Disturbia Das Fenster zum Hof Transformers Wall Street Wall Street: Geld schläft nicht Transformers

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Nr27
04.11.2019 18:48 Uhr 1
Ja, LaBeouf hat sich in den letzten Jahren vor allem im Indie-Kino selbst neu erfunden und das ziemlich beeindruckend - wenn auch eben abseits des Mainstreams. Für seine beiden Filme dieses Jahres werden ihm ja sogar OSCAR-Chancen eingeräumt (auch wenn die Konkurrenz diesmal verdammt hart ist), aber selbst wenn er leer ausgehen sollte, dürfte ihm eines gelungen sein: In Hollywood (im weitesten Sinne) ist man wieder nachdrücklich auf ihn aufmerksam geworden und damit wird er mit Sicherheit auch wieder Hauptrollen in teuren Filmen angeboten bekommen werden. Die Frage ist nur, ob er die überhaupt nocht spielen will ...
Sentinel2003
05.11.2019 08:12 Uhr 2
Sehr guter Artikel!! Vor allem Ben Afflecks Filme wie "The Accountant" und natürlich auch "The Town" und "Gone Girl" finde ich Klasse!!
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