«Scream Queens»: Ein Blick zurück auf das Bizarro-«American Horror Story»
Ryan Murphy, Brad Falchuk und Ian Brennan haben in «Scream Queens» zwei Staffeln lang das Slashergenre zelebriert und zugleich persifliert. Mit etwas Abstand fragen wir uns, was die Serie sehenswert macht und woran sie krankte.
Die Produktionsfirmen
20th Century Fox Television
Brad Falchuk Teley-vision
Ryan Murphy Productions
Vor vier Jahren vermischten die gefragten TV-Produzenten Ryan Murphy und Brad Falchuk zwei ihrer größten Erfolge: Sie nahmen die herzlichen, aber auch albernen Cliquen-Geschichten junger Menschen aus «Glee» und knallten sie in das «American Horror Story»-Konzept, über die Dauer einer Serienstaffel ein Horrorsubgenre zu zelebrieren. Zusammen mit «Glee»-Produzent Ian Brennan schufen sie so «Scream Queens». Was als Anthologieserie angedacht war, die das Slashergenre mit schrillem Humor parodiert, es zugleich aber auch genüsslich durchexerziert, wurde letztlich zu einer zwei Staffeln langen Erzählung über eine Gruppe oberflächlicher, weitestgehend hohler Frauen, die mit Glück, Ignoranz und Eitelkeit durch Slashergeschichten stacksen. Während «American Horror Story» sich fröhlich weiter durch Horror-Subgenres schlitzt, droht «Scream Queens», vom Sog des popkulturellen Vergessens erfasst zu werden. Aber wie sehr hat die Serie dieses Schicksal verdient ..?
Die Handlung
Die erste «Scream Queens»-Staffel erzählt von den Mitgliedern der hochnäsigen Studentinnenverbindung Kappa Kappa Tau, die in Angst leben: Ein Killer macht auf dem Uni-Gelände sein Unwesen, darüber hinaus muss vertuscht werden, dass die Verbindungschefin eine Angestellte tödlich verletzt hat. In Staffel zwei arbeiten die wenigen Überlebenden der ersten Staffel in einem Krankenhaus – aus völlig an den Haaren herbeigezogenen Gründen, in freier Manier alter Horror-Sequels. Und auch dort kommt es zu einer blutigen Mordserie.
Da der "Wer ist der Killer?"-Plot in beiden Fällen hanebüchen und die charakterbetonten Subplots dünn sind, haben beide Seasons so ihre Durchhänger, wann immer eine Folge weniger elaborierte Kills, Plottwists oder Comedy-Setpieces aufzuweisen hat. Aber die Tötungsszenen sind sehr drastisch für's Network-Fernsehen und auch sehr griffig inszeniert. Und die Twists sind auf soapig-alberne Weise unterhaltsam. Quasi: Je effekthascherischer «Scream Queens» ist, desto gelungener ist es auch.
Gaga-Dialoge
Auf Dialogebene ist «Scream Queens» mitunter so etwas, als würde man den bereits selbstironisch angehauchten «Scream» mit der vollauf durchgeknallten Persiflage «Scary Movie» vermengen: Praktisch alle Figuren sind entweder mit völliger Selbstüberzeugung strohdoof oder ohne jegliche Subtilität fies und selbstverliebt. Oder alles zusammen. So sagt ein Typ während der Mordserie auf seinem Campus völlig verdattert über seine verängstigte Freundin: "Sie hält mich für den Killer – und das nur, weil ich mal gesagt habe, dass ich gern mit ihrer Leiche vögeln würde." Ein sehr schöner Dialogwechsel findet auch in einem abgeranzten Krankenhaus mit Flügel für psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten statt:
"Wir zeigen Besuchern normalerweise nicht die hässlichen Räume des Krankenhauses. Das deprimiert sie nur."
-"Und die Patienten?"
"Die kriegen das nicht mit, die sind verrückt."
Staffel zwei hebt die "Diese Figuren leben in Wolkenkuckucksheim"-Dosis in den Dialogen noch weiter an. Etwa, wenn ein neuer Protagonist voller Stolz von sich selber schwärmt:
"Jede Generation hat einen meisterhaften Chirurgen. Ich bin der aktuelle. Ich wurde gerufen, um die Hemsworth-Brüder zu trennen."
-"Aber die sind nicht einmal Zwillinge!"
"Darum war das ja auch so schwer."
Aber auch süffisante Situationskomik zieht sich durch «Scream Queens». Beispielsweise wird in der ersten Staffel eine Filmanalyse-Vorlesung gezeigt. Sie besteht daraus, dass der Dozent «Texas Chainsaw Massacre» zeigt, danach zwei knappe Sätze sagt und den Saal wieder verlässt, was inszenatorisch sehr sketchhaft umgesetzt wird – als Seitenhieb auf ähnlich geartete metafiktonale Filmmomente im Horrorkino. Es ist ein Humor, auf dessen Wellenlänge man sein muss, zumal er so knallig und hoch getaktet ist, dass er der Spannung der Serie im Weg steht. «Scream Queens» will aber auch keine Abhandlung über das Horrorkino sein – das trifft eher auf «American Horror Story» in seinen besseren Staffeln zu, wenn Referenzen, Hommagen und makaberes Drama zu einem Genre- und Gesellschaftskommentar verschmelzen.
«Scream Queens» ist eher die seriengewordene Horrorparty, eine Sause, bei der alle Zutaten vorhanden sind, aber mehr über die Kills gelacht und gestaunt werden soll als sich so richtig gegruselt. Pyjama-Horrorfilmabend, die Serie – sozusagen.
Polterndes Plotten
Für eine Serie, der mehr am situativen Gag, am schrillen Overacting von Emma Roberts, Jamie Lee Curtis, Lea Michele, Abigail Breslin und Keke Palmer sowie am bewussten Underacting von Billie Lourd sowie an knackigen Kills gelegen ist als an geschliffenen Storybögen, poltert «Scream Queens» leider häufig auf der Plotebene. Alle paar Episoden gibt es einen Expositionsberg, den die Darsteller runter rattern müssen, damit eine in Monologform nacherzählte, bislang unbekannte oder nur angedeutete, düstere Hintergrundgeschichte die Taten einer Figur erklärt. Das Rätselraten, auf das eine derart aufgezogene Maskierter-Killer-Handlung abzielt, wird dadurch zum Ballast, statt etwa das Sehvergnügen zu steigern.
Auf der ästhetischen Seite kann ich dagegen nur unterschreiben, was Kollege Jan Schlüter vor ein paar Jahren über «Scream Queens» geschrieben hat: "Insgesamt aber lebt «Scream Queens» nicht von der Story, sondern als wunderbare Comedy. Viel zu schnelle Kamerafahrten, viel zu viel Zoom, immer andere Kameraeinstellungen, billiger Synthie-Pop im Hintergrund – audiovisuell überzeichnet die Serie ebenfalls konsequent. Die Kostüme sind extrem ausgeschmückt, generell gefällt das Setting. Die Serie ist eine bizarre Kreuzung aus «Glee» und «American Horror Story», die fast zu schade für das gewöhnliche Network-Fernsehen ist, wo sie in den USA ausgestrahlt wird. Denn «Scream Queens» ist stark und erfrischend, aber Nische."
Hat die Serie es verdient, wiederentdeckt zu werden?
Diese Frage verdient ein ganz klares: Jein. Wer Ryan Murphy in seiner ganzen Bandbreite liebt und schlicht «Scream Queens» noch nicht gesehen hat, wird Spaß an dem Format haben. Und auch Fans von knallig-überzogenem Horrorvergnügen dürften abgeholt werden. Doch die beiden Staffeln haben zu lange Durchhänger, um mit dem «American Horror Story»-Durchschnittsniveau mitzuhalten, und wer sich von Horror wirklich Spannung und Schaurigkeit erhofft, ist hier völlig fehl am Platz.
«Scream Queens» ist auf DVD erschienen und unter anderem via Amazon, maxdome, iTunes und Google Play abrufbar.
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