Im Exklusiv-Interview mit Quotenmeter spricht Jörg Kachelmann über seine Karriere bei Twitter und seine Arbeit als Moderator bei der MDR-Talkshow «Riverboat». Ob sich der 61-Jährige ein Limit gesetzt hat und warum er sich im TV heute besser gefällt als damals...
Zur Person: Jörg Kachelmann
Als Moderator für die MDR-Talkshow «Riverboat» war Jörg Kachelmann schon damals tätig, seit Anfang 2019 kommt der heute 61-Jähriger dieser Aufgabe gemeinsam mit Kim Fisher wieder nach. Nachdem Kachelmann seit den 1990er Jahren unter anderem als Wettermoderator für die ARD gearbeitet hat und damals auch im Ersten zu sehen war, betreibt er heute die Wetter-Website kachelmannwetter.com. Über das und seine Aktivitäten bei Twitter haben wir mit ihm im Interview gesprochen...Herr Kachelmann, in den vergangenen Jahren haben Sie bei Twitter über 200.000 Tweets abgesetzt - fast zehnmal so viele wie Jan Böhmermann. Woher kommt bei Ihnen die Freude am Zwitschern?
Ja, das ist viel, allerdings sind es nicht mehr so viele, zöge man die Retweets von @kachelmannwettr zum Thema Wetter ab. Twitter kommt mir entgegen, etwas knapp, kurz und pointiert zu schreiben. Und ich hatte in den ersten Jahren nach 2011 keine andere Chance, in fast allen Medien etwas zu erzählen, wenn es mir wichtig war. So war es zuerst eine Notlösung, an die ich mich inzwischen gewöhnt habe. Heute komme ich wieder in mehr Medien vor, indem diese Twitter zitieren. Das ist eine einfache und aufwandsparende Methode.
In Ihren Tweets antworten Sie häufig direkt auf Äußerungen Ihrer Follower. Lesen Sie sich alles selbst durch, was an Ihre Adresse geschrieben wird und kommt jede Antwort auch aus Ihrer eigenen Feder?
Ich sehe lange nicht alles, vieles bekomme ich durch Follower gezeigt, wenn es justitiabel erscheint, was ich dann verfolge - das haben noch nicht alle verstanden, dass Twitter kein rechtsfreier Raum ist. Ich schreibe immer selbst und versuche auch so oft wie möglich zu antworten, auch wenn es manchmal anstrengt.
Mit Ironie und deutlichen Statements halten Sie sich im Internet nicht zurück. Haben Sie schon mal etwas bereut, was Sie geschrieben haben oder nachträglich sogar gelöscht?
Nein, wenn ich mich getäuscht oder Blödsinn geschrieben habe, korrigiere ich das immer transparent, man findet das dann meistens unter den Suchworten 'Ich Depp...' Was Ironie und Deutlichkeit anbelangt: Ich bin mit den Abgeordneten Wehner und Strauss aufgewachsen und habe immer das Ziel, das Niveau von Onkel Herbert zu erreichen. Was damals Leidenschaft und Engagement war, heißt heute Wut und Hetze. Ich mag damals.
Der Klimawandel ist seit geraumer Zeit in aller Munde, auch Sie haben zu dem Thema schon mehrfach Stellung genommen. Ganz grundsätzlich gefragt: Freuen Sie sich als jemand, der mit Meteorologie sein Geld verdient, über die gesteigerte öffentliche Aufmerksamkeit an weltweiten Wetterereignissen?
Unwetter sind gut für die Beachtung unserer Homepages wie
kachelmannwetter.com. Deswegen ist es unser Anliegen, möglichst gut alle Menschen zu warnen, damit ihnen nichts passiert.
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Vor einer grünen Wand rumzufuchteln, war nie meine Lieblingsbeschäftigung. Ich habe das vor 2010 vertraglich festgelegt gerade fünfmal im Monat gemacht. Warum man für das bisschen 'Ex-Wettermoderator' wird müssen Sie die Journalisten fragen, die mir diese Bezeichnung angeheftet haben.
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Jörg Kachelmann über seine frühere Zeit bei der ARD
In Richtung AfD merkten Sie kürzlich an, dass es keinen vernünftigen Zweifel an einem Klimawandel gibt. Zugleich kritisierten Sie aber auch die grüne Seite rund um Greenpeace und Co. Fakten würden in der Debatte um den Klimawandel keine Rolle mehr spielen, Medien würden bei dem Thema unkritisch berichten. Fehlt es den deutschen Medienhäusern an ausgebildeten Meteorologen und Klimaforschern?
Es fehlt den deutschen Medienhäusern weitgehend an Journalisten.
Hätten Sie irgendwann nochmal Lust, sich dem Thema Wetter in welcher Form auch immer im Fernsehen auf größerer Bühne zu widmen?
Dafür habe ich keine Zeit. Der MDR hat mir kürzlich einen letzten Wettertag geschenkt, damit nicht VerbrecherInnen entscheiden, wann irgendwas vorbei ist. Das war mir wichtig. Über unsere Firmen kümmere ich mich jeden Tag ums Wetter und das wird sich nicht ändern. Vor einer grünen Wand rumzufuchteln, war nie meine Lieblingsbeschäftigung. Ich habe das vor 2010 vertraglich festgelegt gerade fünfmal im Monat gemacht. Warum man für das bisschen 'Ex-Wettermoderator' wird müssen Sie die Journalisten fragen, die mir diese Bezeichnung angeheftet haben.
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Ich habe nicht mehr die bräsige Selbstsicherheit von früher und werde sie wahrscheinlich auch nicht bekommen. Das ist oft gut, aber ich mache mir oft zu viele Sorgen, weil man immer alles für möglich hält nach den Ereignissen von damals. Ich sehe mir deshalb zu meiner Sicherheit bei der Begrüßung der Zuschauer im Studio nach dem Warmup jede Zuschauerin einzeln an.
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Jörg Kachelmann
Seit Anfang des Jahres moderieren Sie gemeinsam mit Kim Fisher die MDR-Talkshow «Riverboat». Im Vorfeld erklärten Sie, dass Sie mit dem Angebot nicht gerechnet hätten und dieses auch als große Herausforderung begreifen. Wie zufrieden sind Sie bislang mit Ihrer Rolle in der Sendung?
Die Quoten haben sich verbessert, was mich freut. Ich habe nicht mehr die bräsige Selbstsicherheit von früher und werde sie wahrscheinlich auch nicht bekommen. Das ist oft gut, aber ich mache mir oft zu viele Sorgen, weil man immer alles für möglich hält nach den Ereignissen von damals. Ich sehe mir deshalb zu meiner Sicherheit bei der Begrüßung der Zuschauer im Studio nach dem Warmup jede Zuschauerin einzeln an. Wenn ich mich heute selber sehe, finde ich mich in der Glotze angenehmer als früher, als mir fast alles egal war und ich für meinen Geschmack zu präpotent und zu sehr auf Krawall aus war. Altersmilde hat mir in meiner Wahrnehmung gut getan.
Hat sich die Sendung mit Ihnen verändert? Wenn ja, wie?
Jeder Moderator verändert die Sendung ein bisschen. Ich habe das Privileg, mit der besten und erfahrensten Talkshow-Moderatorin im deutschen Fernsehen zusammenarbeiten zu dürfen. Ohne Kim Fisher hätte ich mich kaum getraut, das wieder anzufangen. Ich bin dem MDR unendlich dankbar für seinen Mut, mich zu fragen. Ich wusste, dass ich das hinbekommen kann, aber ich ahnte, wie oft der Sender ante festum gehört haben wird, dass das eine völlig bescheuerte Idee sei.
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Ich werde für «Riverboat» arbeiten, solange der MDR das richtig findet und solange ich nicht bemerke, dass ich altentüdelig werde. Ich bin geübt im Loslassen und habe nicht die Obsession anderer Kollegen, ewig und haargefärbt im Fernsehen sein zu müssen oder zum Oktoberfest zu gehen, um dort fotografiert zu werden oder über rote Teppiche zu laufen.
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Jörg Kachelmann
Einige der in den Dritten Programmen beliebten Freitags-Talkshows sind jetzt auch dienstags im Ersten zu sehen. «Riverboat» gehört nicht dazu. Wissen Sie eigentlich, wieso?
Wir kommen jede Woche am Freitag und nur im MDR, wo ich mich zuhause fühle und nie darüber nachdenken muss, ob ich mir selber widerspreche bezüglich der Vergangenheit. Es wird ganz sicher mein letzter Ort sein, in dem ich im Fernsehen kommen will.
Herr Kachelmann, Sie sind jetzt 61 Jahre alt, scheinen mit Ihrer Internetseite kachelmannwetter.com, Twitter und «Riverboat»weiterhin sehr gut ausgelastet zu sein. Haben Sie sich ein Limit gesetzt, wie lange Sie das alles noch machen möchten?
Ich habe einen fünfjährigen Sohn und hoffe, dass ich ihn noch möglichst lange in seinem Leben begleiten darf. Für mich wird es keinen bestimmten Tag der Pensionierung geben. Ich werde für «Riverboat» arbeiten, solange der MDR das richtig findet und solange ich nicht bemerke, dass ich altentüdelig werde. Ich bin geübt im Loslassen und habe nicht die Obsession anderer Kollegen, ewig und haargefärbt im Fernsehen sein zu müssen oder zum Oktoberfest zu gehen, um dort fotografiert zu werden oder über rote Teppiche zu laufen. Wir haben mehrere Wetterfirmen im In- und Ausland und machen mit diesen weit mehr als die Webseiten. Wir sind weltweit führend in der Forschung, rechnen gerade ein 100x100-Meter-Modell und ich möchte mich um diese Firmen kümmern bis zum letzten Atemzug oder zumindest, solange ich bei Trost bin.
Herr Kachelmann, wir danke Ihnen herzlich für das Gespräch.