Ein weiterer Reichsbürger-Thriller versucht, aktuelle politische Themen ins Metier des ARD-Sonntagskrimis zu integrieren. Wir sagen, ob dies gelungen ist …
Cast und Crew
- Regie und Drehbuch: Christian Bach
- Cast: Maria Simon, Lucas Gregorowicz, Anna König, Marcin Pietowski, Joshio Marlon, Gudrun Ritter, Hanns Zischler, Waldemar Kobus, Tadeusz Chudecki, Klaudiusz Kaufmann, Robert Gonera
- Kamera: Wolfgang Aichholzer
- Schnitt: Sine Sonne Munch
- Musik: Sebastian Pille, Martin Rott
Der Nationalismus grassiert auf beiden Seiten der deutsch-polnischen Grenze. Doch ehe Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und ihr Partner Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) damit konfrontiert werden, sterben zunächst Tiere. Viele Tiere: Eines Nachts werden alle Kühe des polnischen Landwirts Wojciech Sekula (Grzegorz Stosz), seines Sohnes Tomasz (Joshio Marlon) und seiner deutschen Frau Jenny (Anna König) in der Ortschaft Zimowe Pole nahe der Oder brutal getötet. Kinder finden auf dem Hof zudem einen abgetrennten Finger. Kurz darauf stirbt Wojciech nach einem erneuten Überfall. Ermittler verdächtigen zunächst den älteren Bruder des Mordopfers, Andrzej Sekula (Marcin Pietowski), der einst von seinem Vater enterbt wurde. Darüber hinaus stößt den Ermittlern das Verhalten des Bürgermeisters Roland von Seedow-Winterfeld (Hanns Zischler) sauer auf, wenngleich er ein alter Bekannter ist …
Je tiefer Lenski und Raczek bohren, desto mehr offenbart sich, dass hinter den Taten mehr steckt als etwa rein materieller Neid. So begegnen sie Deutschen, die auf dubiosen Wegen und aus nationalistischen Motiven polnische Ländereien aufkaufen und so für Misstrauen und Hass in der ländlichen Gegend rund um Frankfurt an der Oder sorgen. Autor und Regisseur Christian Bach hat langwierige Recherche betrieben, um den Fall und seine Hintergründe authentisch darzustellen. Auch wenn sich dieser Fall selbstredend kreative Freiheit gestattet, ist es tatsächlich verbucht, dass Strohmänner im deutsch-polnischen Grenzgebiet eingesetzt werden, um Nicht-Polen den Erwerb von Landstücken auf der polnischen Seite zu erleichtern.
Dieser «Polizeiruf 110» nimmt die verbuchte Angst einiger Polen, Deutsche wollten sich so "ihre" alten Gebiete zurückerobern, und verquickt sie mit der ebenso realen Problematik auf dieser Seite der Grenze, dass ewiggestrige Reichsbürger veraltete Karten verehren, wie andere Fundamentalisten uralte religiöse Texte, die zuweilen frei uminterpretiert werden, um galligere, aggressivere Weltansichten zu rechtfertigen.
Die besten Passagen von «Polizeiruf 110: Heimatliebe» sind daher jene, die sich von Krimikonventionen entfernen und mit langsam steigender Anspannung in die finsteren Milieus absteigen. Und jene, in denen sich die Verdächtigen über das ständig aneinandergeratene Ermittler-Team echauffieren. Sowie all jene, in der mit Zweisprachigkeit, Kommunikationsproblemen und Code-Switching dem Plot eine zweite Ebene zugefügt wird, wodurch das Ensemble stärker gefordert wird als im Krimialltag. Kameramann Wolfgang Aichholzer trägt mit seiner dreckig-realen Bildsprache zur angespannten Grundstimmung bei und Sine Sonne Munchs Schnittarbeit versteht es, dem langsam beginnenden Fall Sinnabschnitt für Sinnabschnitt mehr Schärfe einzuverleiben.
«Polizeiruf 110: Heimatliebe» ist am 25. August 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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