Gute Jungs, die Böses tun – das kündigt der Trailer zu «Good Boys» an, doch ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Trotzdem hat die neue Seth-Rogen-Produktion ihr Herz am rechten Fleck.
Filmfacts: «Good Boys»
Start: 22. August 2019
Genre: Komödie
FSK: 12
Laufzeit: 89 Min.
Kamera: Jonathan Furmanski
Musik: Lyle Workman
Buch: Lee Eisenberg, Gene Stupnitsky
Regie: Gene Stupnitsky
Darsteller: Jacob Tremblay, Keith L. Williams, Brady Noon, Molly Gordon, Midori Francis, Will Forte
OT: Good Boys (USA 2019)
Im Trailer zu Gene Stupnitskys Komödie «Good Boys» predigt Produzent und Werbegesicht Seth Rogen («Die highligen drei Könige») den drei käsehohen Protagonisten ein, den Trailer zu ihrem eigenen Film nicht anzusehen. Darin seien Dinge enthalten, die Kids in ihrem Alter noch nicht sehen dürften. Und das, obwohl Jacob Tremblay («Raum»), Brady Noon («Boardwalk Empire») und Keith L. Williams («The Last Man on Earth») all die im Film gezeigten Szenen ja selbst erst vor ein paar Monaten gespielt haben. Das ist ein lustiger Werbekniff. Kinder Dinge tun und sagen zu lassen, die (zumindest im prüden Amerika) erst von Erwachsenen getan und gesagt werden sollten, hat etwas für sich. Hierzulande spielt die FSK dem zuständigen Verleih Universal allerdings nicht gerade in die Hände: Mit einer Freigabe ab 12 hat der Film zwar die Möglichkeit, ein deutlich breiteres Publikum anzusprechen, doch es geht auch ein wenig an Werbeeffekt verloren. Denn: Die im Film gezeigten Jungen sind allesamt selbst um die zwölf Jahre alt, dürften den Film also mittlerweile selbst ansehen. Zudem sagt es einiges darüber aus, wie krass «Good Boys» wirklich ist.
Zwar spielt hier mal einer der Jungs mit einem Dildo und dort wird sich mit großen Augen über Pornoseiten hergemacht, aber letztlich ist die Komödie – gerade was die doch sehr familientaugliche Botschaft angeht – wesentlich harmloser, als sich selbst verkauft. Damit reiht sie sich optimal in Seth Rogens verschleiert-progressive Filmvita ein.
Alles fängt so harmlos an...
Die drei Freunde Max (Jacob Tremblay), Thor (Brady Noon) und Lucas (Keith L. Williams) versuchen ihre Nachbarmädchen (Molly Gordon und Midori Francis) mittels einer Drohne auszuspionieren, um Erfahrungen zu sammeln. Doch die Mädchen ertappen sie dabei und kassieren den Flugroboter ein. Nun setzen die Jungs alles daran, die teure Drohne zurückzuholen, koste es, was es wolle. Die drei schwänzen also die Schule und lassen auf ihrer verzweifelten Mission keinen noch so gedankenlosen Fehltritt aus. Sie geraten in ein studentisches Paintball-Match, lassen aus Versehen ein paar Drogen mitgehen, und es dauert nicht lange, bis ihnen sowohl die Cops als auch eine Horde furchteinflößender Teenage-Girls auf den Fersen sind.
Von der Prämisse her klingt «Good Boys» so, als bekäme man hier eine Nummernrevue präsentiert: Die Jungen begeben sich von einem Schlamassel in den nächsten und zusammengehalten wird das Ganze von einem rudimentären roten Faden. Dem ist aber nicht so. «Good Boys» hat eine, zugegebenermaßen nicht besonders komplexe Story. Den vermeintlichen Unique Selling Point der vulgären Kiddies spielen die Macher eher nebenbei aus. An Komödienstandards gemessen, reicht die Geschichte aber locker aus, um den Zuschauer knappe neunzig Minuten bei der Stange zu halten: Die Freunde müssen eine gekidnappte Flugdrohne aus den Fängen zweier gutaussehender Teenagermädels befreien, eh Max‘ Vater (Will Forte) den Verlust des teuren Geräts bemerkt. Natürlich hat anschließende Jagd nach der Drohne durchaus etwas leicht Episodenhaftes an sich.
Es wird gezeigt, wie die Kids verzweifelt versuchen, unbeschadet über einen vielbefahrenen Highway zu kommen. Außerdem machen sie Bekanntschaft mit einem merkwürdigen Sexpuppenliebhaber und ihr erster Besuch auf einer Online-Pornoseite gerät zu einer der amüsantesten Szenen des Films. Doch das große Oberthema „Erwachsenwerden“ macht aus «Good Boys» weit mehr zu einem Coming-of-Age-Film denn eine platte Comedy und es ist es auch, das den Film erzählerisch zusammenhält. Man hat nie das Gefühl, hier einfach nur Gags um der Gags Willen präsentiert zu bekommen. Stattdessen sind sie fest in den Entwicklungen der drei Protagonisten verankert.
Humor und Herz
Natürlich hat es schon von sich aus etwas Amüsantes, wenn man drei Jungen dabei zusieht, wie diese das aller erste Mal auf einer Sexwebsite surfen und sie von dem, was sie dort alles zu sehen bekommen, in erster Linie ganz schön irritiert sind. In solchen Momenten stellt sich das Drehbuch von Lee Eisenberg und Gene Stupnitsky (schrieben auch schon gemeinsam das Skript zu «Bad Teacher») immer auf die Seite der Figuren, lacht nie über sie, sondern mit ihnen und damit auch ein wenig über sich selbst in dem Alter. «Good Boys» besitzt trotz einer festen Verwurzelung im Hier und Jetzt eine aufrichtige Nostalgie. Nicht in Bezug auf ein bestimmtes Jahrzehnt, wie man es aktuell gerade im fantastischen Kino immer wieder zu sehen bekommt. Nein, stattdessen ist es vielmehr das Kindsein an sich, das Seth Rogen und sein Team feiern und aus dieser Perspektive heraus eine Geschichte von Freundschaft und Zusammenhalt erzählen, die sie im weiteren Verlauf um eine reife Botschaft über gelebten Individualismus und Toleranz ergänzen.
Nach dieser Trojanisches-Pferd-Methodik – erst werden alberne Sexgags gemacht, später anhand dieser die Gleichberechtigung der Frau gepredigt – dürfte es einem Film wie «Good Boys» viel eher gelingen, seine Messages an den Zuschauer heranzutragen, als Filmen, die ebenjene offen vor sich hertragen. Nach den «Bad Neighbors»-Filmen (gerade der zweite Teil war schon lange bevor das Thema die breite Öffentlichkeit erreichte einer der besten #MeToo-Aufrüttler, die es gibt), dem vermeintlich versauten, in Wirklichkeit aber das Thema Gleichberechtigung über alles stellenden Animationsstreifen «Sausage Party» und dem Comedy-Knaller «Long Shot» ist «Good Boys» ein weiterer Beweis dafür, dass es Rogen und seiner Crew nur an der Oberfläche um plumpen Klamauk geht. Viele seiner Filme beinhalten Kritik an vorherrschenden gesellschaftspolitischen Problemen und Brandherden.
Das mag hier und da altmodisch wirken. Dass sich Hollywoodfilme etwa auf traditionelle Familienwerte besinnen und sich im Zweifelsfall gegen die Anarchie aussprechen, ist ein Kritikpunkt, der einem im Falle von US-Comedys (insbesondere in Weihnachtsfilmen) immer wieder über den Weg läuft. Doch wie auch sonst gelingt es Produzent Seth Rogen sowie seinem Team aus Kreativen, keine der beiden erzählerischen Ansätze zu verraten. Im Laufe der Geschichte werden die Figuren zwar immer wieder mit den Folgen ihres Handelns konfrontiert, was zu der einen oder anderen Lehrstunde ob ihres Verhaltens gegenüber Mitmenschen führt. Doch der Quatsch darf in «Good Boys» nicht nur einfach stattfinden, er darf auch bis zum Schluss bestehen bleiben. Dadurch laufen die Macher nie Gefahr, in eine zeitungemäße „Boys Will Be Boys“-Attitüde zu verfallen und gestehen ihren pubertierenden Jungs dennoch die Schwächen zu, die es benötigt, um aus Fehlern zu lernen.
Das führt zu großartigen Gags, da sich Gene Stupnitsky als hervorragender Beobachter von Situationskomik erweist und er seine jungen Schauspieler optimal anleitet. Jacob Tremblay, Brady Noon und Keith L. Williams treiben sich im Zusammenspiel zu komödiantischen Höchstleistungen an (vieles wirkt improvosiert), überzeugen aber auch allein in den wenigen ruhigen Momenten Momenten. Von denen hat jeder mindestens einen, was «Good Boys» gen Ende noch einmal zu einem gehörigen verhilft Punch verhilft.
Fazit
«Good Boys» ist zwar längst nicht so derb wie es das Marketing angekündigt hat, funktioniert als gleichermaßen schamlose wie gefühlige Komödie mit Herz dafür umso besser.
«Good Boys» ist ab dem 22. August bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
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