Eine Ent-Sat.1isierte Serie könnte der nächste Knüller im humorigen Genre werden. Wieso Alexander Schubert in seiner besten Rolle auftritt und wieso Niederländer Unterföhring überholen.
Cast & Crew
- Darsteller: Pina Kühr, Petra Nadolny, Antje Widdra, Michael Kessler, Alexander Schubert, Andreas Birkner, April Hailer, Tanya Erartsin, Jerry Kwarteng, Nadja Zwanziger, Tobias van Dieken, Martin Armknecht und Isabella Schmid
- Idee + Regie: Jan Albert de Weerd und Ilsa Warringa
- Deutsche Bearbeitung des Originals: Iris Kobler und Dietmar Geigle
- Produktion: Bing Film
- Produzenten: Pavel Marik, Jan-Albert de Weerd, Ingmar Menning und Lars Kremer
Wir alle kennen sie: Witze über unsere niederländischen Nachbarn. Was war das für deutsche Fußballfans für ein Fest, als Oranje nicht mit zur WM fuhr. Doch Karma schlägt zurück. Die Niederländer sind es, die uns in diesen Tagen beweisen, wie wirklich guter Humor geht. Sat.1 hat das erkannt und bei einem Format des niederländischen Senders NPO 3 zugeschlagen. Beeindruckend sind bei «De Luizenmoeder» nicht nur die Zahlen. Im Mutterland steigerte sich die Reichweite binnen vier Wochen von 0,7 auf 3,5 Millionen Zuschauer.
Die beste Entscheidung rund um das in Deutschland «Die Läusemutter» heißende Format wurde sehr offensichtlich schon vor Produktionsbeginn getroffen. Sat.1 entschied, die Geschichten sehr originalgetreu zu adaptieren. Konkret heißt das: Erfinder Jan Albert de Weerd war für die deutsche Version in Köln als Regisseur tätig, die Firma Bing Film (von de Weerd, Pavel Marik, Ingmar Menning und Lars Kremer) produzierte den Ableger. Warum das der Serie so gut tut? Sie wurde durch diese Entscheidung nicht Sat.1isiert und teilte somit nicht das Schicksal etlicher anderer Serienversuche, die Kompromisse bei der Herstellung eingehen mussten.
Woran erkennt man die typische Sat.1isierung, die fast immer zu Misserfolgen führt? Ein Blick auf das letzte ganz große Fiction-Projekt des Senders zeigt es: «Alles oder Nichts» etwa zeichnete eine toughe, dafür aber unnahbare und letztlich unglaubwürdige junge Frau als Haupt-Protagonistin. Auf toughe Frauen in zentraler Rolle setzten letztlich auch viele andere Sat.1-Serien, angefangen von «Eine wie keine» bis hin zu «Es kommt noch dicker». Es ist ein bisschen, als würde man gute Ideen mit den Vorstellungen des Senders zusammen in einen Mixer stecken und das was dann herauskommt, ist das Serienangebot von Sat.1. Immer in ähnlicher Konsistenz. Aber: «Die Läusemutter» wurde eben nicht gemixt, sondern nach Original-Rezept liebevoll aufbereitet.
Wie nah man am Original bleibt, zeigt auch die Figurenbesetzung. Im Vergleich mit dem niederländischen Original sehen sich etwa die Hauptfiguren sehr ähnlich. In Deutschland wurde Pina Kühr als „Läusemutter“ Hannah besetzt, im Ursprungsland ist Jennifer Hoffman in dieser Rolle zu sehen. Sie ist für die Zuschauer quasi der Einstieg in die Schulwelt, bringt sie doch ihre Tochter in die Klasse. Doch weder Hannah, noch der von Michael Kessler gespielte Papa der Kinder Kanaria und Elba, sind die wirklichen Highlights. Die Firma Bing Film landete an zwei anderen Stellen echte Volltreffer. Da wäre beispielsweise Alexander Schubert, der in seiner Rolle als Rektor Anton P. Immelmann (ja, Namenswitze spielen eine große Rolle), glänzt wie nie zuvor. Mit etwas Rollenroutine könnte Schubert in dieser Figur dem einzigartigen Christoph Maria Herbst und dessen Paradefigur «Stromberg» Konkurrenz machen.
Immelmann weist dabei ferne Parallelen zum Bürochef auf. Auch er ist in gewisser Weise durchtrieben, verunsichert und um das Wahren des Scheins besorgt. Besonders in Folge zwei wird das deutlich, als das Arbeitsamt ihm einen Ostdeutschen Ex-Soldaten mit post-traumatischer Störung bringt, den Immelmann so lange offenherzig empfängt, bis dieser ihm durch große Empathie schamlos den Rang abläuft. Es sind die kleinen zwischenmenschlichen Details, die «Die Läusemutter» zum besten Comedy-Neustart seit Jahren machen. Und daran hat auch Schauspielerin Antje Widdra großen Anteil. Die in Bad Saarow geborene Mimin hatte man vor der Serie vielleicht noch nicht ganz groß auf dem Schirm, sieht man mal von ihrem einige Folgen andauernden Engagement bei «Der Lehrer» ab.
Mit dem Format könnte ihr aber der ganz große Durchbruch gelingen. Sie spielt die dauersingende, schnell entnervte, großherzige, aber irgendwo doch verpeilte Grundschullehrerin Anke Knapp, die ihre Klasse und vor allem die übereifrigen Eltern in Griff kriegen muss. Man fragt sich: Sind die Schüler (inkludiert sind hier Kinder mit PDD-NOS, ADS, Dyslexie und anderem) oder die sich nur sehr schwer von den Sprösslingen trennenden Eltern eigentlich anstrengender? Knapp ist im Herzen stock-konservativ, will sich aber hipp geben und so den Anschein erwecken, selbst homosexuelle Partnerschaften als positiv und „besonders“ zu empfinden. Doch es ist merkbar, wie die Figur an ihre Grenzen stößt, wie sie merkt, dass der fröhliche Sing-Sang eben nicht immer zum Erfolg führt, etwa dann, wenn die Eltern vom Gang immer noch durch die großen Fensterscheiben schauen.
An diesem Punkt gelangt man übrigens zu einigen Eigenheiten, die wohl der direkten Übertragung geschuldet sind. So großflächige Glasfronten wie in der Serie kommen in den deutschen Schulen, oft ja stattlich gemauerte Bauten, eher selten vor. Gleiches gilt für das Kernthema der ersten Folge, das strikte Entlausen der Grundschüler. Dass das nicht die deutschen Paradethemen sind, wird aber wunderbar überdeckt von der Figurenzeichnung zum einen und dem stimmigen, weil liebevollen Gesamtbild zum anderen.
Dass «Die Läusemutter» eines der begehrtesten Formate auf dem Comedy-Markt ist, verwundert somit nicht. In Deutschland, wo «Der Lehrer» auf andere Art ähnliche Pfade beschreitet und die Zuschauer begeistert, könnte sich die Serie ähnlich schnell vom Geheimtipp zum Volksliebling entwickeln. Die Figuren sind realitätsnah gezeichnet – ein krasser Gegensatz zu anderen Sat.1-Formaten. Während andere weibliche Sat.1-Hauptfiguren Muskelkater vom Boxen bekamen, weil sie dem Idealbild der toughen Frau entsprachen, schmerzen die Arme in dieser Serie vom übereifrigen Winken in Richtung der eigenen Kinder. So kann Frau eben auch sein. Und weil sich Neustarts bekanntlich im linearen Fernsehen zum einen und in Sat.1 zum anderen besonders schwer tun, darf das Format vor dem für Herbst geplanten linearen Start schon beim Streaming-Dienst joyn auf Abruf Pluspunkte sammeln.
«Die Läusemutter» ist jetzt ab JoynPlus+ abrufbar. Sat.1 plant die lineare Ausstrahlung ab Freitag, 7. Februar 2020 um 21.20 Uhr.
(
Dieser Text erschien erstmals Ende 2019, als Joyn die Episoden frei verfügbar im Angebot hatte.)
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
06.02.2020 10:49 Uhr 1
Ich habe genau 10Minuten von der ersten Folge gesehen und es war richtig grottenschlecht. So richtig schlecht. Eine belanglose Improserie ohne Inhalt mit wirklich schlechter schauspielerischer Leistung. Man erträgt es nicht und man muss abschalten. Wie es sein kann das diese Serie 95% Zuspruch bekommt mit rätselhaft. Ich gebe der Serie 2 Wochen im Programm dann ist die abgesetzt. Das angeblich schon eine zweite Staffel produziert ist kann ich nicht glauben. Ich frage mich wirklich wer so eine Serie absegnet und für gut empfindet.
Als Beispiel für Kritiken hier nehme ich Magda auf RTL.
Sie hat vor über 3 Jahren 40% bekommen und war laut der Kritik schon zum absetzen verurteilt.
Und was ist mit Magda? Geht jetzt dann in die 4. Staffel.
Viel Spaß allen mit der tollen 95% Serie die alle dann nur noch auf Joyn sehen werden.