Mitarbeiter von Warner Bros. machen sich Sorgen, dass das Unternehmen mit dem kommenden Streaming-Dienst seinen Status verliert. Eine neue Chefin befeuert diese Gerüchte weiter.
Alles steuert auf einen großen Schlagabtausch einiger Streaming-Giganten zu. Neben den bestehenden Platzhirschen Netflix, Prime Video und Hulu kommen weitere Dienste von Apple, Comcast und Disney. Besonders vor dem Micky-Maus-Konzern erschaudern derzeit viele Konkurrenten - auch WarnerMedia, das im Frühjahr 2020 seinen Streaming-Dienst HBO Max aus der Taufe heben will. Dieser wird einige Monate nach Disney+ starten, dessen Launch für November angesetzt ist. Hinter den Kulissen wirkt Warner etwas behäbiger als der große Widersacher Disney. Zuletzt gab Disney zudem einen Kampfpreis für seinen Dienst bekannt, der monatlich einige Euro unter dem von HBO Max liegen soll. Derzeit stellt sich das Warner-Unterhaltungskonglomerat personell und inhaltlich nach und nach für sein neues Angebot auf, bei dessen Benennung sich der zu AT&T gehörende Konzern für die HBO-Marke entschied, die für Premium-Serien und Qualitäts-Dokus steht.
HBO Max nimmt Formen an
Jede Woche werden derzeit neue Formate für HBO Max bekannt gegeben. Zum Angebot soll etwa Reese Witherspoons «Hello Sunshine» zählen, genauso wie Formate des sehr umtriebigen TV-Schaffenden Greg Berlanti, der beim Warner Joint Venture The CW etwa das sehr erfolgreiche „Arrowverse“ um «Arrow» oder «The Flash» schuf. Auch Klassiker wie «Harry Potter» oder «Friends» sollen in der Mediathek von HBO Max auffindbar sein. HBO Max kann aus den Original-Programmen von HBO, TNT, Adult Swim, CNN, dem Cartoon Network, The CW, DC Entertainment, New Line Cinema, BBC Studios oder Warner Bros. schöpfen und kann Disney damit durchaus selbstbewusst begegnen. Auch Live-Sport und Nachrichten sind für das VoD-Angebot geplant. Ursprünglich sollte der neue Warner-Dienst aber wie der Disneys schon Ende 2019 an den Start gehen.
Personalrochadenim Hintergrund könnten zur Verzögerung des Starts beigetragen haben. Nach und nach wurden Führungspersönlichkeiten von den Warner-Unternehmen für HBO Max abgezogen. Von HBO kam Programm-Präsident Casey Bloys, während Warner Media-Präsident Kevin Reilly beispielsweise nun eine Doppelrolle als Chief Content Officer für HBO Max ausfüllt. Für hochgezogene Augenbrauen sorgte zuletzt die Verpflichtung Ann Sarnoffs als neuer Warner Bros.-CEO. In Hollywood hatte sich die 57-Jährige davor keinen allzu großen Namen gemacht.
Was ist die Agenda der neuen Warner Bros-Chefin?
Ihre Rolle im großen Ganzen gibt vielen Beobachtern Rätsel auf. Zuletzt arbeitete Sarnoff als Präsidentin von BBC America. Skeptiker würden nun sagen, dass sie in ihrer bisherigen Laufbahn als Managerin im Fernsehbereich für eine Chefin eines Unternehmens wie Warner Bros. viel zu wenig Erfahrung im Filmgeschäft mitbringt und im Talente-Pool Hollywoods nicht vernetzt ist. Doch sie verfügt über große Qualitäten auf der operationalen Seite, sagen Leute, die Sarnoff schätzen. Als Harvard-Absolventin arbeitete sie in Management-Positionen für die Frauen-Basketballliga WNBA, DowJones und Viacom. Bei BBC Studios verantwortete sie das Los-Angeles-Studio, das etwa «Dancing with the Stars» oder «Top Gear America» produzierte. Im fiktionalen Bereich führte sie das Team an, das «Doctor Who» zu BBC America brachte oder einst grünes Licht für «Orphan Black» gab.
Ihre Expertise liegt in den kaufmännischen Fähigkeiten, die der CEO eines Konzerns wie Warner Bros. mitbringen muss. Als Teil von Viacom, wo sie eine der Führungspositionen bei Nickelodeon bekleidete, machte sie den einst unprofitablen Jugendkanal durch geschickte Lizenzdeals zu einem der wirtschaftlich erfolgreichsten Kabelsender neben ESPN und HBO. Sarnoff werden Toby Emmerich und Peter Roth, die Chefs der Film- und TV-Sparte, unterstehen. Wie der Austausch mit den beiden Studiochefs verläuft, ist unklar, denn Kreativität gehört nicht zu Sarnoffs Tagesgeschäft.
Teile des Unternehmens fürchten deshalb um den Stellenwert von Warner Bros., dem nun eine Geschäftsfrau durch und durch vorsteht. Einige zeigen sich besorgt, dass das Produktionsunternehmen, das noch immer zum Goldstandard Hollywoods zählt, zum Zulieferer eines Dienstes degradiert wird, der von einem anderen Teil des Konzerns geleitet wird. Eine Managerin als Spitze von Warner Bros. zu installieren, ist für andere Beobachter ein Zeichen dafür, dass AT&T das Interesse am klassischen Filmgeschäft verliert und die Sparte einfach möglichst profitabel halten will. Experten prognostizieren sogar, dass Warner Bros. unter Sarnoff für einen Verkauf vorbereitet werden soll, weil WarnerMedia alles auf seinen bald erscheinenden Streaming-Dienst setzt.
Frontenbildung bei Warner Media
Angekündigte HBO Max-Formate
- «Circe» (Fanatasy-Drama)
- «Dune: The Sisterhood» (Sci-Fi)
- «The Flight Attendant» (Mystery-Drama)
- «Gremlins: Secrets of the Mogwai »(animierte Fantasy-Comedy)
- «Love Life» (Comedy Anthology)
- «Made for Love» (Comedy)
- «Station Eleven» (Post-Apokalypsen-Drama)
- «Tokyo Vice» (Drama)
- «Gossip Girl»-Seuel
Das sehen nicht alle so, schließlich überblickt eigentlich nur Warner Bros. in Hollywood eine Menge an geistigem Eigentum, die Disney gefährlich werden könnte. Überhaupt ist noch gar nicht gesagt, dass Warner Bros. alle Verbindungen zu anderen Anbietern kappt und nur noch für HBO Max produziert. Schließlich zählte Warner Bros. Jahrzehnte lang zu den erfolgreichsten Verkäufern von Inhalten. Wieso sollte das Unternehmen also auf diese Einnahmequelle verzichten?
Dennoch sorgten auch die personellen Entwicklungen im Zuge von HBO Max scheinbar zuletzt für verhärtete Fronten zwischen den unterschiedlichen Teilen Warner Medias. HBO Max heuerte Jessie Henderson als Verantwortliche für die Originalfilme des Dienstes an. Sie kommt von der Produktionsfirma Paul Feigs («Ghostbusters») und soll laut Quellen des Hollywood Reporters vergangene Woche Klinken mit der Idee geputzt haben, Originalfilme von HBO Max auch in Kinos laufen zu lassen und ihnen so Chancen auf Awards zu verleihen. Das klingt eher nach einem Gegeneinander statt nach einem Miteinander mit Warner Bros-Filmchef Emmerich der einen Weg finden muss, die Warner Bros.-Filme sowohl für den Streaming-Dienst als auch für das Kino profitabel zu machen.
Sarnoff muss also auch dafür sorgen, die unterschiedlichen Arme von Warner Media zu befrieden. Zuletzt sollen sich sogar sowohl Warner Bros. TV als auch HBO Max unabhängig voneinander um das gleiche Projekt bemüht haben, was den Schluss nahelegt, dass die beiden Divisionen sich nicht absprechen. Interessant: Ähnliche Probleme musste Sarnoff schon einmal bewältigen, als die BBC und ITV das Joint Venture BritBox als Streaming-Dienst ins Leben riefen und AMC Networks in BBC America investierte. Es gilt, widerstrebende Interessen zu vereinen und für mehr Harmonie zu sorgen.
Ann Sarnoff ist zuzutrauen, erfolgreich mit den verschiedenen Interessen zu jonglieren, die ihr in ihrer Rolle als CEO von Warner Bros. in die Hände fallen. Entscheidend ist, ob sie von Warner Media nicht doch insgeheim den Auftrag bekommen hat, Warner Bros. als Teil eines Langzeitplans langsam auszugliedern. Selbst wenn dies nicht der Fall ist und die Sorgen vieler Warner Bros.-Mitarbeiter unbegründet sind, stellt der Mangel an kreativer Erfahrung und Beziehung in der Unterhaltungsindustrie Sarnoff vor große Herausforderungen, denn letztlich geht es in dieser Branche noch immer um Talente und deren Inhalte. Viele Warner-Mitarbeiter fragen sich gespannt: Kann WarnerMedia mit Disney gerade aufgrund oder vielleicht auch trotz Ann Sarnoff mithalten?
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