Trotz einiger Skepsis bezüglich der Verlängerung durch Netflix überzeugt die dritte Staffel von «Haus des Geldes» wieder durch tolle Optik, viel Temperament und ein perfektes Verbrechen.
Facts zu «Haus des Geldes»
- Originaltitel: «La casa de papel»
- Produktionsland: Spanien
- Idee: Álex Pina
- Produktionsunternehmen: Vancouver Media
- Episoden (Netflix): 31 (4 Staffeln)
- Titelmusik: Cecilia Krull - "My Life Is Going On"
- Weltpremiere: 2. Mai 2017 auf Antena 3
- Netflix-Premiere: 22. Dezember 2017
- erfolgreichste nicht-englischsprachige Netflix-Serie weltweit
Die Verlängerung von «Haus des Geldes» führte unter Fans zu einem Paradoxon. Eigentlich hätten die vielen Liebhaber der spanischen Serie allesamt feiern müssen, dass es mit dem von Álex Pina erdachten Format in eine dritte Runde geht. Doch unter vielen Fans herrschte auch Skepsis. Diese rührte von einem Statement des Serienschöpfers her, der der Ansicht ist, er habe die Geschichte um die gewitzte und unberechenbare Gruppe von Verbrechern nach zwei Staffeln schon auserzählt gehabt. Das ergab Sinn, erzählten die ersten zwei Staffeln doch erschöpfend vom genialen Überfall auf die Banknotendruckerei Spaniens.
Doch Netflix hat mittlerweile eine Marktmacht erreicht, angesichts derer der US-Dienst selbst entscheidet, wann eine Serie zu Ende erzählt ist und wann nicht. Schon von Anfang an diktierte Streaming-Anbieter andere Bedingung für «La Casa de Papel», das ursprünglich im spanischen Fernsehen seine Premiere beim Sender Antena 3 feierte und 15 etwa 70-minütige Episoden umfasste. Um das Format für die Generation Binge-Watching tauglicher zu gestalten, ließ Netflix die Serie in 22 kürzere Ausgaben umschneiden, nachdem der Service die Rechte an der Serie erworben hatte. Und als die Verbrecherbande um den hochintelligenten Professor sich bei Netflix einer ungemein großen globalen Beliebtheit erfreute, holte das US-Unternehmen die Serie aus dem verfrühten Ruhestand, kaufte die Produktion auf und kündigte eine dritte Runde an.
Verlängerung aus Geldgründen?
Auf das Erscheinen der acht neuen Folgen am 19. Juli warteten Fans in aller Welt nach 15 Monaten Wartezeit dementsprechend sehnsüchtig oder wahlweise ängstlich, denn nicht wenige Fans befürchteten, dass die Verlängerung nur aus kommerziellen Interessen geschah und der Inhalt womöglich darunter leiden könnte. Erst kürzlich setzte Netflix beispielsweise auch die beliebte, aber im Fernsehen abgesetzte US-Serie «Lucifer» auf eigene Faust fort, die zwar nicht unbedingt schlechte Rezensionen erhielt, sich aber doch merklich wandelte.
Doch immerhin: Alle Charaktere und deren Schauspieler, die die ersten zwei Staffeln überlebten, spielen auch in Staffel drei wieder mit. Selbst Álex Pina wechselte in die Dienste von Netflix, was die Gemüter der Skeptiker von vornherein ein Stück weit besänftigen wird. Die mit Städtenamen bedachten Räuber und ihr Professor erhalten in Staffel drei eine neue Mission, die ihnen nicht erneut zu unglaublichem Reichtum, sondern ihrem Komplizen Rio zur Freiheit verhelfen soll. Dieser wurde nämlich von der Polizei gefasst und an einen geheimen Ort gebracht. Schon unter dieser Prämisse ist allerdings auch klar, dass der Masterplan zur Befreiung Rios erneut spektakulär und wendungsreich verlaufen wird.
Ähnlich wie bei «Lucifer» merkt man «Das Haus des Geldes» sein sicherlich deutlich höheres Budget von Sekunde eins an. Eine aufwendige Kameraeinstellung von über einer Minute Länge führt in die dritte Staffel ein, wonach gleich eine weitere Neuheit in Staffel drei zum Tragen kommt: Die Handlungsorte. Denn während in Madrid der Notenbankdruckerei-Chef Arturo Román gleich zu Beginn der neuen Staffel Vergeltung für die Taten der „Terroristen“ fordert, nippt Tokyo auf einer einsamen Insel bereits an einem Cocktail. Auch weil die Verbrecherbande ihre Beute nutzt, um malerisch schöne Orte zu bereisen, wurde für Staffel drei in Argentinien, Indonesien, auf den Philippinen oder in Florenz gedreht, nicht mehr bloß in Madrid.
Feminismus, tolle Optik und Zeitsprünge
[inobox]22729[/infobox]Weiterhin bleibt Gangsterbraut Tokyo die Erzählerin der Geschichte, was gleich zu Beginn der neuen Staffel einige feministische Noten durchklingen lässt. Sie hat nämlich genug von ihrer „Filmromanze“, die sie in den zwei Jahren nach dem Coup in der Banknotendruckerei lebte, stattdessen dürstet es sie nach neuen Abenteuern. Die veränderten Geschlechterdynamiken, die auch dadurch entstehen, dass sechs verbleibende Mitglieder der Bande nun drei Pärchen sind, stellen ein Motiv dar, das sich durch Staffel drei durchzieht und die Frage aufwirft, wie der „Widerstand gegen das System“ seitens der Anarchisten denn nun genau zu organisieren ist.
Neben den neuen Drehorten sorgen noch aufwendigere Shots durch wesentlich mehr Möglichkeiten am Set für eine beeindruckende neue Optik, für die sich das Produktionsteam auch mehr Zeit lassen darf. Während die 15 70-minütigen Episoden für Antena 3 in nur 14 Tagen gedreht wurden, arbeitet das Team von «Haus des Geldes» gerade an acht weiteren 45-minütigen Episoden für die bereits angekündigte vierte Staffel – und hat dafür bis zu 23 Tage Zeit.
Apropos Zeit – das Spiel mit der Zeit bleibt ein Element, das sich «Das Haus des Geldes» beibehält. Schon die ersten zwei Staffeln hüpften durch Flashbacks in viele verschiedene Zeitebenen. Staffel drei erhöht den Einsatz sogar: Allein in der ersten Ausgabe der neuen Staffel springt die Serie zwischen sieben Zeitpunkten hin und her, ehe sich drei Zeitebenen etablieren: Eine vor ein paar Jahren, eine vor ein paar Wochen und eine in der Gegenwart. So gerät auch die dritte Runde nie monoton, denn während in der einen Szene die Spannung noch ihren Höhepunkt erreicht, erwartet Zuschauer nach einem Schnitt plötzlich eine Sequenz, die die Motivation eines Charakters erforscht oder sogar Comedy beinhaltet. Neue Charaktere werden genau dann eingeführt und erklärt, wenn die Autoren es für richtig halten. Vermutlich wäre «Das Haus des Geldes» eine wesentlich langweiligere Serie, wenn alles chronologisch ablaufen würde.
«Haus des Geldes» hält das Niveau hoch
Auch seiner südländischen DNA bleibt «Das Haus des Geldes» sich treu. Ein großer Pluspunkt der ersten zwei Staffeln lag bereits darin, dass den Charakteren ein sehr viel intensiveres Gefühlsleben innewohnt als beispielsweise Protagonisten in deutschen Krimis. Leidenschaftliche Freundschaften oder Liebschaften führten deshalb schon in den vorangegangenen Staffeln zu größeren Gefühlausbrüchen und unberechenbareren Handlungen und Wandlungen der Figuren. Dass ein perfektes Verbrechen reibungslos wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren muss, das südländische Temperament aber häufig zu impulsiven Aktionen führt, stellt die Verbrecher weiterhin vor Herausforderungen und versorgt Zuschauer mit umso mehr waghalsigen Szenen.
Damit spielt «Das Haus des Geldes» auch weiterhin. Ein ums andere Mal wirkt es als würde der Masterplan der Gangster furchtbar schief gehen, bis dem Zuschauer doch wieder klar wird, dass dies alles zu einem bis ins Detail durchdachten Plan gehörte. Gute Nachrichten: Wer die ersten zwei Staffeln von «Das Haus des Geldes» genossen hat, der wird auch in Runde drei voll auf seine Kosten kommen. Álex Pina hat es geschafft, die Essenzen beizubehalten, die seine Serie zum Welterfolg werden ließ, die Charaktere sinnvoll weiterzuentwickeln und einen neuen spektakulären Coup zu erdenken.
Die dritte Staffel von «Das Haus des Geldes» ist jetzt verfügbar.
Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
19.07.2019 16:47 Uhr 5
19.07.2019 23:25 Uhr 6
20.07.2019 08:58 Uhr 7