Mit Russel Crowe, Naomi Watts und Seth MacFarlane in den Hauptrollen erzählt Showtime in Form einer siebenteiligen Miniserie gerade das Wirken von Fox-News-Gründer Roger Ailes nach. Warum daraus unverhofft eine Persiflage wird...
Ende der 70er Jahre ließ Bundeskanzler Helmut Schmidt die Verkabelung deutscher Städte stoppen – das dadurch möglich werdende Privatfernsehen sei gefährlicher als die Kernenergie. Doch selbst in seinen wildesten Alpträumen wird der aufgeräumte Hanseat nicht vorausgesehen haben, welch grundlegende Strukturen des demokratischen Zusammenlebens es mancherorts umgebaut hat und wie es in manchen Spielarten den gesellschaftlichen Diskurs seit Jahrzehnten konsequent, schamlos und unfassbar effektiv vergiftet und das politische Leben zersetzt.
Dazu braucht es Männer wie Roger Ailes: abgebrüht, eiskalt, agitatorisch, dem die
toxic masculinity aus jeder Pore quillt und für den die unsittliche Berührung seiner Mitmenschen ein Lebensleitmotiv war. Als er 1996 unter der Ägide von Rupert Murdoch Fox News gründete, lachten die etablierten Kabelkonkurrenten und Broadcast-Wettbewerber. Genauso wie das politische Establishment zwanzig Jahre später, als mit Donald Trump die Fleisch gewordene rechte Fox-News-Agitation für das Präsidentenamt kandidierte. Seit dem 8. November 2016 lacht niemand mehr.
Dementsprechend will auch die Showtime-Aufarbeitung von Ailes’ News-Herrschaft keine heitere Persiflage auf den alltäglichen Irrsinn der Fox’schen Verschwörungstheorien, Hetzkampagnen, Unterstellungen und rassistischen
Dog Whistles sein, sondern eine kühle Auf- und Abarbeitung seines Wirkens und des massiven Einflusses, den er in Unkenntnis der breiten Öffentlichkeit auf die amerikanische Politik hatte.
Dieser Ambition steht natürlich die Realität des dauergrapschenden, unflätigen, egomanischen Ailes im Wege, der von allen Attributen des machtbesessenen weißen Mannes mit reaktionärer Weltsicht und größenwahnsinnigem Selbstbild in einem Maße erfüllt war, dass ihre schonungslose Darstellung den Stoff unweigerlich in die Persiflage treibt. Vor demselben Problem werden auch einmal alle Regisseure und Autoren stehen, die sich an der Präsidentschaft Trumps abarbeiten wollen: Denn diese Männer vereinigen all die ihnen zugeschriebenen Eigenschaften und Verhaltensweisen in so vollständiger und überzogener Weise, dass man sich ihnen nicht in ernsthaftem Duktus nähern kann.
«The Loudest Voice» gerät also unverhofft zur Selbstparodie, zur Mediensatire statt zum Mediendrama, weil die tatsächlichen Persönlichkeiten und die realen Ereignisse keine andere Darstellungsform zulassen. Roger Ailes ist wie Donald Trump brandgefährlich und hat Amerika das Fürchten gelehrt – und trotzdem bleibt er eine Witzfigur, eine Groteske, ein Wicht.
Dieser Wirkung kann auch Russell Crowes mächtiges, eindrucksvolles Spiel nicht abhelfen. Gleiches gilt für Naomi Watts in der Rolle der «Fox-&-Friends»-Moderatorin Gretchen Carlson und Seth MacFarlane als Ailes‘ zweite Geige.
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