Ein junger gescheiterter App-Unternehmer will Paris' ersten Coffee-Shop eröffnen und dieses Unternehmen möglichst legal gestalten. Daraus entspinnt sich eine ziemlich witzige Netflix-Serie.
Cast & Crew
Showrunner: Igor Gotesman
Autoren: Igor Gotesman, Olivier Rosemberg und François Uzan
Darsteller: Gérard Darmon, Jonathan Cohen, Julia Piaton, Liliane Rovère, Olivier Rosemberg, Ali Maryhar, Lina El Arabi u.v.m.
Eigentlich kennen wir das Thema schon zur Genüge: Wenn nichts mehr geht – also wenn der reiche Partner stirbt und die nun verwitwete alleinerziehende Mutter von zwei Kindern wie in «Weeds» im schicken McMansion in den Suburbs nicht mehr weiß, wie sie das alles bezahlen soll, oder wenn man wie in «Disjointed» altlinks ist und sowieso schon immer einen Hang zur bewusstseinserweiterten Subkultur hatte – kann man immer noch Marihuana verticken. Vor eineinhalb Jahrzehnten musste die dauergestresste Nancy Botwin ihre Deals noch in ständiger Angst vor dem Knast durchziehen; die mittlerweile fernsehgeschichtlich schon wieder vergessene Ruth Whitefeather Feldman durfte trotz strenger Regulierung immerhin einen kleinen, schnuckeligen, völlig legalen Gras-Shop betreiben.
Auch der junge Franzose Joseph Hazan (Jonathan Cohen) braucht eine neue Beschäftigung, nachdem sein Versuch, sich mit einer depperten App selbstständig zu machen, vor den zugeknöpften Bankern aus den verglasten La-Défense-Türmen krachend gescheitert ist. Sein Vater drängt ihn schon seit einiger Zeit, die familieneigene koschere Metzgerei im hipsterigen Stadtbezirk Marais zu übernehmen: Dass der Betrieb dank väterlichen Haben-wir-immer-schon-so-gemacht-Mismanagements nicht mehr weit vom Konkurs entfernt ist, ist nur ein Grund für Josephs Widerwillen.
Dann, eines Nachts, die rettende Idee: Vor einer Bar läuft er einer sturzbetrunkenen, feierwütigen alten Bekannten über den Weg, die die letzten Jahre instagramtauglich in den USA verbracht hat. Im Suff erzählt sie freimütig, dass ihr Vater sich seine Brötchen gerade als Gesundheitsminister verdiene und in mehreren Monaten alle Marihuana-Schranken in Frankreich abbauen werde. Man stelle sich das einmal vor: Paris voller Coffee-Shops – und Joseph könnte mit seinem Vorwissen bereits jetzt allerhand Vorbereitungen treffen, um der erste Betreiber zu werden. Competitive advantage, here we come!
Von dieser etwas schrägen, aber nicht ganz unrealistischen Prämisse aus – an der Regierung sitzen derweil schließlich Liberale – macht sich «Joint Venture» auf ins Spannungsfeld aus ambitionierten jungen Männern, die gerne das nächste große App-Ding starten würden, und der Realität alteingesessener Strukturen und Familienbande. Der Umstand, dass die meisten Hauptfiguren Juden sind, eröffnet ferner das Spektrum der ethnischen Komödie wie auch den feingeistigen Zugang zur jüdischen europäischen Identität.
Für manche französische Kritiker ist «Family Business» (so der Originaltitel) daher weder Fisch noch Fleisch: einerseits eine krasse und derbe Farce, andererseits aber auch feine Ethno- und Sozialsatire. Dabei kann diese Serie all diese nur oberflächlich im Wettstreit miteinander stehenden Töne wunderbar einen, zu einer jungen, modernen und dabei doch unverwechselbar traditionell französischen Komödie, deren Witz trifft und deren Figuren der Spagat aus satirischer Persiflage und Charakternähe spielend gelingt.
«Joint Venture» steht bei Netflix on Demand zur Verfügung.
04.07.2019 11:20 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/110489
Julian Miller
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