Donald Duck, der bekannteste Erpel der Film- und Comicwelt, wird 85 Jahre alt. In einer dreiteiligen Serie blickt Quotenmeter.de auf einige Stationen in seiner Geschichte. Teil zwei widmet sich drei wichtigen, unterschiedlichen Seiten Donalds.
Seite 2
Wie Donald in Italien das Rächen und Weltretten erlernte
Zurück in die Welt der Comics:
Wie schon angeschnitten, ist Italien den Amerikanern zuvorgekommen, denn bereits 1932 startete dort eine wöchentliche Zeitschrift namens 'Topolino', was wortwörtlich Mäuschen bedeutet, in Italien aber zudem Mickys Name ist. Nach etwas mehr als 130 Ausgaben übernahm der Verlag Mondadori die Zeitschrift und machte sie zu einem sehr großen Erfolg, auf den 1937 auch ein eigenes Comicheft namens 'Paperino' folgte, in dem Donald als Titelheld agierte – Jahre, bevor er ein US-Heft zieren sollte. Beide Hefte setzten neben Nachdrucken von US-Disney-Comics und Non-Disney-Reihen auch auf neu auf italienischem Boden erschaffene Abenteuer rund um die Disney-Helden.
Nach einem zwischenzeitlichen Stopp durch das Regime Mussolinis wurden die wöchentlichen Disney-Hefte im Nachkriegsitalien wieder fortgeführt – nun im handlichen Taschenbuchformat und ohne Non-Disney-Comics. Aufgrund der wöchentlichen Erscheinungsweise wurde der Bedarf an Material so enorm, dass Italien allein zwischenzeitlich für die Produktion von 50 Prozent europäischer Disney-Comics verantwortlich war. Und diese Geschichten bauten sich ihren eigenen Stil auf, ebenso wie ihr eigenes Verständnis des Disney-Kosmos. Unter anderem wurden Film- und Literaturparodien zu einem beliebten Subgenre italienischer Disney-Comics, während sich in den "normalen" Geschichten Donalds Unglück anders äußerte als in den meisten US-Comics. Darüber hinaus wurde Donald ab der Einführung seines Onkels Dagoberts in den italienischen Comics noch mehr zum Versager, da ihn sein reicher Onkel quasi dauernd herumkommandierte.
Das führte in den späten 60er-Jahren zu der ungewöhnlichen Kettenreaktion, dass diese Figur, deren Cartoons oft von Schadenfreude geprägt sind, nun das Mitleid der Leserschaft erregte: Der Verlag Mondadori wurde mit Leserbriefen besorgter Kinder überhäuft, die nicht begreifen wollten, weshalb Donald nicht mal auf der Siegerseite stehen kann. Und hier kommt wieder das Thema "Legendenbildung"/"Mit der Zeit häufen sich nur die widersprechenden Aussagen" zum Zug: Manche Quellen besagen, dass 'Topolino'-Chefredakteurin Elisa Penna von diesen Briefen angespornt den Gedanken anregte, Donald ein geheimes Alter Ego als Rächer zu geben. Andere Quellen sagen, dass Penna eines Tages die Idee in den Raum warf, Micky zum Superhelden zu machen, woraufhin sie aber Gegenwind erhielt, da die Autoren befanden, dass dies nicht zu Micky passt. Bei Donald könnte man es sich dagegen vorstellen – zumal man so einem Publikumswunsch entgegenkäme.
Ganz gleich, wie es wirklich ablief: Zu diesem Zeitpunkt waren in Italien Comics über Selbstjustiz ausübende Antihelden und Gentleman-Verbrecher schwer in Mode, wie etwa die um den 1962 auf den Comicmarkt gebrachten Juwelendieb Diabolik. In der italienischen Disney-Comictradition, sich mit leichtem Augenzwinkern an andere Werke anzulehnen, erhielt Donald daher keine klassische Heldenidentität, sondern die des Rächers Paperinik (aus dem in Deutschland als Hommage an den französischen Meisterkriminellen Fantomas letztlich Phantomias wurde). Sein erster Auftritt wurde vom früheren Literatur- und Philosophiestudenten Guido Martina verfasst, die ersten Phantomias-Zeichnungen übernahm Giovan Battista Carpi, ein ehemaliger Kunst- und Pädagogikstudent. Und so kam es im Juni 1969, dass Donald in einem hierzulande "Die Verwandlung" betitelten Comic durch Zufall das Geheimversteck eines früheren Edelganoven entdeckt und beschließt, dessen Kostümierung und Waffen für eigene Zwecke zu verwenden – vornehmlich, um es jenen heimzuzahlen, die ihm das Leben schwer machen.
Die Geschichte kam bei der 'Topolino'-Leserschaft hervorragend an – nicht nur, weil Donald endlich mal gewonnen hat, sondern auch, weil die Moralität der Geschichte ungewöhnlich komplex ausfiel und der ungeduldige Unglücksvogel Donald Duck seine Cleverness unter Beweis stellen konnte. Und so war schnell klar, dass Donalds kostümiertes Racheabenteuer keine einmalige Sache bleiben dürfte. Bis 1974 verfasste aber nur Martina Phantomias-Geschichten. Dieser erfand diverse weitere Plots, in denen sich Donald rächen konnte. Um aber auch Abwechslung ins Spiel zu bringen und sich zudem nicht in eine Bredouille zu bringen, eine positive, liebenswürdige Figur zu rachsüchtig zu zeichnen, zeigte Martina aber auch wiederholt positive Nebeneffekte für andere Entenhausener. Auch an Robin Hood erinnernde Taten fanden Eingang in Phantomias' Vorgehen.
Mitte der 70er verfassten dann zunehmend andere italienische Autoren Phantomias-Abenteuer, woraufhin es sukzessive zur Umdeutung der reinen Rächerfigur kam. Phantomias wurde zum Trumpf in Donalds Ärmel, wann immer es darum ging, Ärgernisse zu bekämpfen. Und während es eingangs vornehmlich um Widrigkeiten ging, die exklusiv Donald stören, wurden es mehr und mehr Aufgaben des Allgemeinwohls, die er übernahm. Noch vor Beginn der 80er-Jahre war die Umdeutung vollbracht: Phantomias wurde in den italienischen Disney-Comics zu Donalds fester, geheimer Zweitidentität, die er nachts regelmäßig auspackt, um über Entenhausen zu wachen.
Phantomias blieb aber kein rein italienisches Phänomen. Auch in anderen Ländern, die ihre eigene Disney-Comicware produzieren, wurde Donalds Geheimidentität übernommen. Vor allem die brasilianischen Künstler waren schnell Feuer und Flamme für Phantomias. Ähnlich wie das Disney-Universum in Italien gehorcht die brasilianische Disney-Comicwelt aber ihren eigenen Gesetzen, was sich auch bei Phantomias bemerkbar gemacht hat: Hier wurde Phantomias zu einer tölpelhaften Superheldenparodie umgemünzt, die mit diversen anderen Entenhausenern einen chaotischen Superheldenbund gründet.
In Italien wurde Phantomias dagegen in eine andere Richtung entwickelt: In den 90er-Jahren wurde bei Disney Italia zunehmendes Bedauern darüber groß, dass die Komplexität früherer Phantomias-Geschichten verloren gegangen ist. Also erhielt eine Gruppe von jungen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Claudio Sciarrone, Alessandro Barbucci, Silvia Ziche, Tito Faraci, Francesco Artibani, Alessandro Sisti, Max Monteduro sowie Ezio Sisto, den Auftrag, sich in einer neuen Heftreihe auszutoben. Das Ergebnis ließ das typische italienische Taschenbuchformat hinter sich, wurde stattdessen im Format von US-Superheldencomics gehalten. Auch die horizontale Erzählweise aus Marvel- und DC-Comics sowie Mangas, die bei Disney so nie Fuß gefasst hat, wurde aufgenommen.
Unter dem Titel 'Paperinik New Adventures' entstand so ab 1996 eine der am lautesten gefeierten Comicreihen der Disney-Historie: Ein nie zuvor gezeigter, futuristischer Teil Entenhausens wurde erkundet, dessen Mittelpunkt der (offiziell) 150 Stockwerke hohe Ducklair Tower steht. Dieser wird zur neuen Einsatzzentrale von Donalds Alter Ego, das sich mit einer künstlichen Intelligenz namens Eins und einer Androidin aus der Zukunft namens Klarissa anfreundet. Phantomias stehen fortan ausgeklügeltere Technologien zur Verfügung, was auch dringend nötig ist, da seine neuen Gegner deutlich tückischer sind als zuvor gewohnt. Unter anderem setzt er sich gegen räuberische Zeitreisende, boshafte künstliche Intelligenzen und eine garstige Alienrasse namens Evronianer, die von Galaxie zu Galaxie reist und Völkern quasi ihre Lebensenergie aussaugt, zur Wehr.
Phantomias, der Verkaufsschlager
- Aufgrund seiner großen Beliebtheit ist Phantomias bei den regulären 'Lustiges Taschenbuch'-Ausgaben seit 2000 quasi Dauergast
- Das 'LTB Premium' setzte bislang in Band zwei, vier, sieben, neun, elf, 14, 16, 18 und 20 auf die 'PkNA'-Reihe. Auch Band eins umfasst eine epochale Phantomias-Geschichte
- Seit 2015 erscheint zweimonatlich außerdem 'LTB Ultimate Phantomias', eine Reihe, die ausschließlich Phantomias-Geschichten abdruckt
Neben einem erhöhten Actionanteil und einem moderneren, dynamischeren Zeichenstil machen auch komplexere Geschichten diese Reihe aus: Phantomias wird wiederholt in moralische Dilemmata manövriert, es gilt, Macht und Wissen gegeneinander auszuspielen oder kleinere gegen größere Tragödien abzuwägen. Die Reihe wurde in Italien und einigen weiteren Ländern ein massiver Erfolg, während sich andere Märkte in den 90ern noch schwer damit taten, diese andersartigen Donald-Geschichten aufzunehmen. Unter anderem floppte sie in Brasilien brutal, da sie sich mit dem lokalen Verständnis der Figur Phantomias biss, und auch in Deutschland scheiterte sie zunächst: Eine zeitnahe Heftveröffentlichung wurde nach neun Heften mangels Erfolg gestoppt, etwas später versuchte man, sie in Form edler aufgemachter Bände einem Sammlermarkt schmackhaft zu machen. Dieser Anlauf hielt sich nur etwas länger.
Aber auch diese Geschichte sollte für Donald alias Phamtomias ein gutes Ende nehmen: Seit 2012 wird "der neue Phantomias", der in der Zwischenzeit in Italien beendet, fortgesetzt, rebootet, beendet und in alter Form zurückgebracht wurde, in Deutschland als Teil der Prestigereihe 'Lustiges Taschenbuch Premium' aufgelegt. Die ihm gewidmeten Bände wechseln sich mit Ausgaben rund um andere Comicsagen ab, die im Fahrwasser von 'PkNA' in Italien entstanden sind, wie etwa die Mysteryreihe 'Micky X'. Dass dieses Mal der Nachdruck von 'PkNA' die inhaltlich extrem relevante erste Geschichte nicht übersprungen hat, hat selbstredend keinerlei Kausalzusammenhang mit dem endlich eingetretenen Erfolg …
Das war noch nicht genug Donald Duck. Wir haben noch einen dritten und finalen Teil unserer Donald-Duck-Jubelreihe im Ärmel …
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel