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«Catch-22»: Der Mythos des Sisyphos im zweiten Weltkrieg

„Wer hat Lust für sein Land zu sterben? Hurra!“

Nach der umstrittenen Erstverfilmung von Joseph Hellers Roman «Catch-22» im Jahr 1970 und einem gescheiterten Versuch 1973 die Geschichte als Comedyserie um zu setzen, dauerte es knapp 50 Jahre, bis sich wieder jemand an diesen Stoff wagte. Doch das, was die Drehbuchautoren Luke Davies und David Michôd in dieser sechsteiligen Miniserie für den US-Streaming-Anbieter Hulu zu Papier gebracht haben und von Regisseur George Clooney umgesetzt wurde, weiß durchaus zu überzeugen. Die Mischung aus brutalen Kriegsszenen und wunderbar schwarzem Humor ist gelungen.

Capt. John Yossarian (Christopher Abbott) hat keine Lust mehr auf den Krieg. Als Bombardiere über Italien könnte jede Mission die letzte sein. Immer wieder versucht er sich vom leitenden Arzt wegen Geisteskrankheit vom Kriegsdienst befreien zu lassen. Hier setzt das titel gebende Dilemma «Catch-22» ein. Jeder geistig gesunde Mensch würde sich aus dieser Situation befreien wollen. Wer also danach fragt, aus welchem Grund auch immer vom Kriegsdienst befreit zu werden, ist offensichtlich geistig gesund.

Im Verlauf der Serie absolviert Yossarian deshalb über 50 Flugeinsätze. Als Running Gag wird dem Zuschauer immer wieder ein Zähler eingeblendet, der die verbleibenden Einsätze Yossarians rückwärts zählt, nur um kurz vor Ablauf durch die Vorgesetzten Colonel Scheisskopf (George Clooney) oder Colonel Cathcart (Kyle Chandler) wieder aufgestockt zu werden. Ein klassischer Sisyphos-Job für Capt. John Yossarian. Je mehr er sich bemüht durch Schnelligkeit oder Betrügerei die Flugeinsätze zu vollenden, desto mehr Einsätze muss er fliegen. Selbst eine schwere Hodenverletzung sorgt nicht für die lang ersehnte Entlassung aus dem Militär. Während allerdings die Freunde Yossarians nach und nach wie Fliegen um ihn herum sterben, überlebt er Einsatz für Einsatz und muss immer wieder aufs Neue in das verhasste Flugzeug steigen.

Schon die Namen der in Nebenrollen besetzten Colonel Scheisskopf (George Clooney) und Major Major Major Major [Rang/Vorname/Mittelname/Nachname] (Lewis Pullman) deuten auf die Absurdität, die neben ernsten und beklemmenden Flugszenen stattfindet, hin. Für manch einen Zuschauer dürfte allerdings vor allem der Kontrast zwischen am Boden stattfindenden, teils zum lauten Lachen anregenden Szenen mit Schmuggler Milo (Daniel David Stewart) oder Colonel Cathcart (Kyle Chandler) und den Szenen in der Luft, schwierig sein. Ein Soldat, der in graphischem Detail aus einem explodierenden Flugzeug an die Seite des nächsten Flugzeugs geschleudert oder am Boden von dessen Front erfasst wird, ist definitiv nichts für schwache Nerven. Doch es ist genau diese antithetische Darstellung zwischen nuancierten Kriegsgräueln und schwarzem Humor, die «Catch-22» zu einer packenden Antikriegsserie machen, wie wir sie seit «Band of Brothers» nicht mehr gesehen haben.

Wer sich allerdings besonders auf George Clooney und Hugh Laurie gefreut hat, könnte möglicherweise enttäuscht werden, denn diese treten nur in kleineren, wenn auch hervorragend gespielten Gastrollen auf. Es bleibt zudem abzuwarten, wie die vielen geschickten Wortspiele in der deutschen Synchronisation umgesetzt worden sind.

In Deutschland sind die sechs Folgen der Miniserie ab Freitag, den 24. Mai 2019, beim Prime-Video-Channel Starzplay in englischem Originalton und deutscher Synchronisation abrufbar.
24.05.2019 08:53 Uhr Kurz-URL: qmde.de/109503
Marc Schneider

super
schade


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Catch-22 Band of Brothers

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