Es ist wieder Mai: Europa feiert sich musikalisch und das friedliche Musikfest gipfelt im Finale des «Eurovision Song Contest». Was wir von der 64. Ausgabe des Wettbewerbs in Tel Aviv zu erwarten haben, fasst Quotenmeter.de zusammen.
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Umso überraschender war daher die Ankündigung, dass niemand Geringeres als Madonna als Pausenfüller gewonnen werden konnte. Ein kanadischer Privatmann hat die Kosten von schmalen 1,3 Millionen Dollar ins Sparschwein geworfen und den Auftritt der Königin des Pop finanziert. Pünktlich zum ersten Halbfinale am Dienstag machten Meldungen die Runde, dass Madonnas Auftritt beim «Eurovision Song Contest» in Gefahr wäre. Angeblich gebe es keinen unterschriebenen Vertrag. Jon Ole Sand, seines Zeichens Godfather of Song Contest, wird mit den Worten zitiert: „Die Europäische Rundfunkunion hat Madonna nie offiziell als Act bestätigt. Wenn wir keinen unterschriebenen Vertrag haben, kann sie nicht auf unserer Bühne auftreten.“ Natürlich ist das alles nur PR-Geplänkel, Madonna ist längst in Israel gelandet. Der sich immer wieder neu erfindende Pop-Dino hat bereits am 9. April seinen Auftritt in Israel angekündigt und man kann davon ausgehen, dass alle Formalitäten geregelt sind. Und natürlich weiß die EBU rund um Jon Ola Sand bereits weitaus eher als des Datums von Madonnas Ankündigung Bescheid. Gähn. Gute gemachte Schlagzeilen gehen anders. Während des zweiten Semi-Finals haben die Moderatoren rund um Topmodel Bar Rafaeli Madonnas Auftritt übrigens nun offiziell bestätigt.
Passend zum neuen Album wird sie also in Tel Aviv vor über 100 Millionen Fernsehzuschauern die nach dem Superbowl zuschauerstärkste „Halbzeitshow“ für ihre Promotion nutzen – dass man nach und nach von der traditionellen Vorführung landestypischer und nationaler Musik und Acts abrückt, hat Schweden bereits im Jahr 2016 vorgemacht. Hier trat Justin Timberlake auf und machte den eingekauften Weltstar beim «Eurovision Song Contest» salonfähig. Ob das besser ist als all die Jahre zuvor, bleibt Geschmackssache.
Egal, was heute Abend in Tel Aviv passieren wird: Der NDR muss dringend am Umgang mit dem Vorentscheid arbeiten. Die Vorauswahl der Interpreten und vor allem der Songs bedarf einer Überarbeitung. Ein Glücksgriff, wie man ihn 2018 mit Michael Schulte gezogen hatte, kommt nicht jedes Jahr von allein angeflogen. Und da hilft es auch nicht, wenn man ein Duo namens S!sters mit einem Song namens „Sister“ an den Start bringt, das sich bis vor Kurzem gar nicht kannte, weil es erst nach dem Songwriting am Reißbrett zusammengecastet wurde. Authentizität auf der Bühne klingt anders. Das andere Zauberwort lautet Wertschätzung – das Fallenlassen wie eine heiße Kartoffel erweckt gerade auch im Ausland nicht den Anschein, als würden wir an unseren eigenen Beitrag glauben.
Mittlerweile haben wir einen Punkt erreicht, an dem ganz ohne Stammtischparolen ein Name fallen muss. „Mit dem Raab wäre das nicht passiert“ – Ein Satz, der sich leicht sagt. Ein Satz, der oberflächlichen Kritikern ganz einfach über die Lippen geht. Und natürlich ist klar, dass Stefan Raab kein Thema mehr ist und dass das Schwelgen in Erinnerungen nichts bringt. Raab steht hier jedoch stellvertretend für frischen Wind und einen neuen Geist, der den «ESC» versteht. Der NDR handelt in seinen Entscheidungen bei der Vorauswahl verkopft und hat aus den Augen verloren, was man für eine erfolgreiche Teilnahme am «Eurovision Song Contest» braucht.
Das Votingprozedere ist an dem des finalen Wettbewerbs angepasst und ein ausgeglichenes System. Die Mischung aus Televoting und internationaler Jury ist ein sehr guter Ansatz, daran soll man nicht rütteln. Die Kandidatenauswahl aber muss dringend angepasst werden.
Ein Wettbewerb der neun Rundfunkanstalten der ARD, die jeweils in ihrem Radio- oder TV-Programm einen Musikact für den Vorentscheid ermitteln und untereinander konkurrieren, wäre eine spannende Sache. Eine Art Wiederbelebung des «Bundesvision Song Contest», den wir noch von ProSieben kennen, wäre ebenso charmant. Natürlich sprengt das den bisherigen finanziellen Rahmen und vermutlich möchte man gar nicht so einen Aufwand betreiben. Dass das, wenn man es richtig anpackt, aber zum nationalen Highlight werden kann, stellt Schweden mit seinem «Melodifestivalen» seit Jahren eindrucksvoll unter Beweis.
Trotz allen Unkenrufen zum Trotz können wir nur hoffen, dass uns ein weiteres Desaster in der deutschen Geschichte beim «Eurovision Song Contest» erspart bleibt. Denn die beiden Sängerinnen, die uns heute Abend vertreten werden, können am wenigsten dafür. In den ersten Interviews während der Finalwoche in Israel haben die beiden sich äußerst charmant und sympathisch gezeigt. Womöglich rettet uns der positive Eindruck des Duos ein paar Punkte. Die Chancen für einen erfolgreichen Abend stehen zwar schlecht, aber der Glaube ans Unmögliche ist endlos. Also heißt es Daumen drücken – und ganz, ganz viel hoffen und beten. Das ist das Einzige, was wir noch tun können.
Das Erste zeigt am Samstag, 18. Mai, ab 20.15 Uhr den Countdown zum «Eurovision Song Contest» live vom Spielbudenplatz auf der Hamburger Reeperbahn. Direkt im Anschluss ab 21.00 Uhr überträgt der Sender das Finale. Barbara Schöneberger führt durch den Countdown und wird die deutschen zwölf Punkte verkünden.
Es gibt 19 Kommentare zum Artikel
18.05.2019 21:43 Uhr 17
hab ich nicht mitgekriegt
19.05.2019 01:09 Uhr 18
19.05.2019 01:37 Uhr 19