Alles erinnert ein wenig an den Horror-Hit «Der Babadook», doch an die Stärken des offensichtlichen Vorbilds kann «The Hole in the Ground» nicht anknüpfen.
Filmfacts: «The Hole in the Ground»
- Start: 2. Mai
- Genre: Horror/Drama
- Laufzeit: 90 Min.
- FSK: 16
- Kamera: Tom Comerford
- Musik: Stephen McKeon
- Buch: Lee Cronin, Stephen Shields
- Regie: Lee Cronin
- Darsteller: Seána Kerslake, James Quinn Markey, Simone Kirby, Steve Wall, Eoin Macken
- OT: The Hole in the Ground (IE 2019)
2014 gehörte das australisch-kanadische Horrordrama «Der Babadook» der Debütregisseurin Jennifer Kent zu den Mitbegründern einer „New Wave of Horror“. Anspruchsvoll erzählte, abwechslungsreich inszenierte und vornehmlich mehr auf Psychoterror denn den schnellen Schock setzende Filme liefern bis heute einen netten Gegenentwurf zu Jumpscare-getriebener Massenware großer Produktionsstudios, an deren vorderster Front gern Jason Blum und seine Firma Blumhouse Productions genannt werden. Diese Welle hält bis heute an und hat Filme wie «It Follows», «It Comes at Night», «Hereditary» und das «Suspiria»-Remake nach sich gezogen. Nun kommt mit «The Hole in the Ground» der nächste Eintrag in dieses äußerst erfolgreiche Horrorkapitel – und lässt eine spürbare Redundanz erkennen.
Der irische Autorenfilmer Lee Cronin, für den dieses Projekt, genauso wie einst für Jennifer Kent «Der Babadook» ein Langfilmdebüt darstellt, macht mit seinem Film zwar mehr als deutlich, dass er so ziemlich alle New-Wave-Horrorfilme gesehen und deren Funktionsweise verinnerlicht hat. Eigene Impulse setzt er dagegen nicht. Und das macht «The Hole in the Ground» trotz vielversprechender Ansätze zu einem eher verzichtbaren Vertreter seines Genres.
Ist das noch mein Sohn?
Sarah (Seána Kerslake) versucht ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und zieht mit ihrem achtjährigen Sohn Chris (James Quinn Markey) an den Rand einer abgelegenen Kleinstadt. Als Chris nach einem Streit in den Wald läuft, entdeckt Sarah auf der Suche nach ihm ein tiefes Senkloch im Boden. Chris kehrt scheinbar unversehrt zurück, doch schon bald bemerkt Sarah beängstigende Veränderungen in seinem Verhalten. Die verstörende Begegnung mit der verwirrten Nachbarin, die vor Jahren ihr eigenes Kind tötete, verstärkt Sarahs Misstrauen nur noch mehr. Ist der Junge, der in ihrem Haus lebt, wirklich ihr Sohn Chris?
Die Ausgangssituation von «Der Babadook» ist Folgende: Ein dysfunktionales Mutter-Sohn-Gespann entwickelt sich nach dem tragischen Tod des Vaters immer weiter auseinander, bis das gemeinsame Zusammenleben nur noch von Ängsten, Provokationen und Selbsthass geprägt ist. Das plötzliche Auftauchen eines Buches, das Unheil in Form einer gruseligen Gestalt namens Babadook ankündigt, verschlimmert diesen Zustand und ist zugleich Symbol für unausgesprochene Worte und unverarbeitete Trauer. Die Prämisse von «The Hole in the Ground» dagegen lautet: Ein dysfunktionales Mutter-Sohn-Gespann entwickelt sich nach der Flucht vor dem gewalttätigen Vater immer weiter auseinander, bis das gemeinsame Zusammenleben nur noch von Ängsten, Provokationen und Selbsthass geprägt ist. Das plötzliche Auftauchen eines Senklochs verschlimmert diesen Zustand und ist zugleich Symbol für unausgesprochene Worte und unverarbeitete Traumata.
Wir müssen es eigentlich gar nicht noch einmal extra betonen, aber: Inhaltlich ähneln sich «Der Babadook» und «The Hole in the Ground» in ganz grundlegenden Aspekten, was Lee Cronin noch nicht einmal verschleiert; im Gegenteil: Durch seine Art der Inszenierung unterstreicht er die Ähnlichkeiten sogar noch einmal.
Was hat das Senkloch zu bedeuten?
Bildsprache, Tempo, Setpieces – obwohl die Ereignisse von «The Hole in the Ground» auf dem irischen Lande angesiedelt sind, «Der Babadook» hingegen in einem Vorort von Australien spielt, sehen sich beide Filme verdammt ähnlich, da die Kameraleute auf ein ähnlich aussagekräftiges Design setzen. Kameramann Tom Comerford («The Drummer and the Keeper») folgt mit nahezu stoischer Ruhe seinen Figuren; hält immer einen gewissen Abstand und setzt nur dann auf Nahaufnahmen, wenn es die Umstände nicht anders hergeben (zum Beispiel, wenn eine Szene in einem Auto spielt). Ein braun-gräulicher Schleier färbt das Leinwandgeschehen so ein, dass Melancholie und Trauer allgegenwertig sind. So etwas wie Freude oder Zuversicht vermag sich hier nie durchzusetzen.
Diese Form der visualisierten Trostlosigkeit hatte «Babadook»-Kameramann Radek Ladczuk («The Nightingale») perfektioniert, indem er mithilfe gezielter Ausleuchtung und größtmöglicher Farbreduktion schwarz-weiß-ähnliche Bilder kreierte. Wer erzählerisch den Trauerzustand der beiden im Mittelpunkt stehenden Mütter nicht begreift, dem macht die Optik der Filme diesen mehr als deutlich.
Doch obwohl Lee Cronin ja letztlich auf ein nahezu identisches inszenatorisches Potpourri setzt wie seine Kollegin Jennifer Kent, besitzt das Endergebnis «The Hole in the Ground» keine vergleichbare emotionale Wucht. Das liegt nicht nur daran, dass Cronin weitaus weniger subtil vorgeht, um die im Kern hochdramatische Mutter-Sohn-Geschichte mithilfe von gängigen Genremechanismen in ein Horrorgewand zu kleiden; die Funktionalität des gleichermaßen symbolisch wie wortwörtlich funktionierenden Lochs ist zu Beginn an klar, da das Skript von Lee Cronin und Serienautor Stephen Shields («Republic of Telly») sehr früh Andeutungen macht, die letztlich exakt so aufgelöst werden, wie an sie kommen sieht. Auch Hauptdarstellerin Seána Kerslake («Ein Date für Mad Mary») und ihr Filmsohn James Quinn Markey («Vikings») agieren im Vergleich zu ihren Kollegen Essie Davies und Noah Wiseman wie mit angezogener Handbremse, was sich besonders in den besonders nervenaufreibenden Szenen bemerkbar macht.
Im darstellerisch kleiner angelegten, emotionalen Austausch zwischen Mutter und Sohn funktionieren die beiden dagegen sehr gut. Und auch sonst passen sie sich dem ruhigen, langsamen Aufbau des Films an, der in seinem an «The Descent» erinnernden Finale noch einmal richtig aufdreht. Das sorgt zwar immerhin für einen konsequenten Schluss, beißt sich aber so dermaßen mit der Tonalität der vorausgegangenen 80 Minuten, dass es einen für einen kurzen Moment aus der Stimmung reißt. Beim «Babadook» musste sich die kontinuierlich zunehmende Anspannung irgendwann spektakulär entladen. Im Falle von «The Hole in the Ground» wirkt es dagegen wie reine Effekthascherei.
Fazit
In «The Hole in the Ground» erinnert so viel an so viel anderes, dass sich der Film bis zuletzt kein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten kann. Dass er zeitweise trotzdem eine starke Atmosphäre aufbauen kann, lässt sich ihm jedoch nicht absprechen.
«The Hole in the Ground» ist ab dem 2. Mai in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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