Die glorreichen 6 – Musikalische Jugendfilme (Teil I)
Junge Protagonisten, musikalischer Schwung: Diese Jugendfilme haben Musik in den sprichwörtlichen Knochen. Wie etwa «Sing Street».
Filmfacts «Sing Street»
Buch und Regie: John Carney
Darsteller: Ferdia Walsh-Peelo, Aidan Gillen, Maria Doyle Kennedy, Jack Reynor, Lucy Boynton, Kelly Thornton
Kamera: Yaron Orbach
Schnitt: Andrew Marcus, Julian Ulrichs
Veröffentlichungsjahr: 2016
FSK: ab 6 Jahren
Laufzeit: 105 Min.
Regisseur und Autor John Carney dreht nicht viel, aber wenn, ist ihm zumindest die Aufmerksamkeit vieler Cineasten sicher. Vor allem mit seinen musikalischen Filmen umgarnte er Filmfans und die Kritikerschaft, selbst wenn nicht immer der Kassenerfolg folgte. Nach dem Indie-Hit «Once» von 2007 und der charmant-melancolisch-kuscheligen Sinnsuche «Can a Song Save Your Life?» folgte 2016 die mit eingängigen Originalsongs bestückte Coming-of-Age-Dramödie «Sing Street». Diese vereint intensives Zeit- und Lokalkolorit mit einer allgemeingültigen, zeitlosen Teenie-Rebellengeschichte und spielt im Irland der Achtzigerjahre
Vor dem Hintergrund von Rezession, Arbeitslosigkeit und Klassenkonflikten wächst der jugendliche Conor (Ferdia Welsh-Peelo) in Dublin auf, wo er in seiner neuen katholischen Schule rasch als Außenseiter gebrandmarkt wird. Also flieht er in die Welt der Popmusik – und in seine Schwärmerei für die unerreichbare Raphina (Lucy Boynton). Eines Tages kommt er auf die Idee, sie einzuladen, im Musikvideo seiner Band aufzutreten. Sie ist sogar interesiert. Dabei gibt es aber ein Problem: Conor hat gar keine Band, er kann nicht mal ein Instrument spielen. Also gründet er mit ein paar weiteren Außenseitern aus der Nachbarschaft kurzerhand eine Band und alsbald schreiben sie zusammen tatsächlich voller Leidenschaft Songs. Die bringen ihnen Aufmerksamkeit – aber nicht nur positive …
Carney erzählt, bricht man «Sing Street» auf seine kleinsten Bestandteile herunter, eine klassische Schul-Außenseitergeschichte, doch er hält sich genreatypisch mit dem Humor zurück. Zwar ist Conor (manchmal) schlagfertig, und es gibt Momente der Situationskomik, wenn er und seine Bandmitglieder sich an ihren Instrumenten ausprobieren. Doch Carney versetzt uns vor allem in die emotionale Lage eines (eingangs) an seiner Schule unbeliebten Kindes, das sich zudem gerade mit seinen Eltern schlecht versteht und daher all seine Energien in ein neues Hobby sowie die ferne, illusorisch romantisierte Gedankenwelt der ersten große Liebe flüchtet:
Durch die in den normalen Szenen geerdete, ungeschliffene Regieführung und das unaufgeregte Spiel des Casts gewinnt «Sing Street» im Gros seiner Szenen einen verloren-sehnsüchtigen Tonfall, der aufgelockert wird durch die unbeholfene Komik der ersten Musikvideo-Gehversuche von Conors Band und der andersweltlichen, fantasiertenden Perfektion der späteren Musikszenen. Eine Rebellenkomödie in Moll, wenn man so will.
So wird die Musik inhaltlich wie filmisch zum Befreiungsschlag der Teenies, denn sie treibt den Selbstfindungsprozess der Figuren voran und verschönert ihren tristen Alltag. Die diversen Originalsongs im Film sind stilvolle Retro-Ohrwürmer, die oft Freude mit einer bittersüßen Beinote vereinen, was perfekt zur Lovestory passt, die Carney hier skizziert. Denn so naiv-großspurig sich Conor seine Zukunft mit Raphina ausmalen mag, klingt in «Sing Street» deutlich durch, dass das, was sich Schulkinder so in Liebesdingen zusammenträumen, zumeist an der Wirklichkeit zerschellt – und dass es uns dennoch menschlich vorwärts bringt, mal naiv geträumt zu haben.
«Sing Street» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich und ist via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Sky Store, Microsoft, Rakuten TV, Pantaflix, Videoload, videociety, freenet Video und Sony abrufbar.
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