Aus Fanfiction wird ein Bestseller, aus einem Bestseller wird ein Kinofilm: «After Passion» ist eine Teenieromanze irgendwo zwischen Körperlichkeit und Zurückhaltung.
Filmfacts «After Passion»
- Regie: Jenny Gage
- Produktion: Jennifer Gibgot, Anna Todd, Mark Canton, Courtney Solomon,
- Aron Levitz, Meadow Williams, Dennis Pelino
- Drehbuch: Susan McMartin, Tamara Chestna, Jenny Gage; basierend auf dem Roman von Anna Todd
- Darsteller: Josephine Langford, Hero Fiennes-Tiffin, Shane Paul McGhie, Samuel Larsen, Khadijha Red Thunder, Jennifer Beals, Selma Blair
- Kamera: Tom Betterton, Adam Silver
- Musik: Justin Burnett
- Schnitt: Michelle Harrison
- Laufzeit: 108 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Obwohl «After Passion» ein jüngeres Kernzielpublikum anspricht als die «Fifty Shades of Grey»-Reihe, wird diese zahme Bestselleradaption die Assoziation zur BDSM-Romanze wohl kaum los. Das liegt zugegebenermaßen einerseits daran, dass das Kritikerklientel nicht so originell ist, wie es gern wäre, und krampfhaft eine frauenzentrisch beworbene, romantische Literaturverfilmung mit einer anderen vergleicht. Ja, den Schuh müssen wir uns anziehen. Andererseits liegt es aber auch an der Ursprungsgeschichte dieses Kinoprojekts:
Die «Fifty Shades of Grey»-Filme basieren auf Romanen, die wiederum die überarbeitete Version von online veröffentlichter Fanfiction sind, in denen sich die Autorin E. L. James ausmalte, wie es wäre, wenn «Twilight» explizite Sexszenen sowie ein BDSM-Element aufweisen würde. «After Passion» basiert ebenfalls auf Romanen, die zuvor Fanfiction waren, ehe die Inspirationsquelle rausadaptiert wurde, damit man den Klickerfolg verkaufen darf: Autorin Anna Todd malte sich in «After Passion» (ursprünglich: «A Harry Styles Fan Fiction») aus, wie es wäre, wenn der One-Direction-Frontsänger auf ein US-College gehen und dort eine Unschuld vom Lande verführen würde.
Diese Wurzeln sind «After Passion» sporadisch noch anzumerken: Hardin Scott, wie die männliche Hauptfigur umgetauft wurde, teilt sich ein paar Tattoos mit dem Popstar, stammt wie er aus England und sein Darsteller Hero Fiennes-Tiffin bringt zudem eine gewisse optische Ähnlichkeit zu Styles mit. Sonst aber sind inhaltlich, wie schon bei «Fifty Shades of Grey», die Fanfiction-Ursprünge des Materials ausradiert – was allerdings nicht heißt, dass die qualitativen Schwachpunkte der Vorlage in der Adaption völlig überkommen werden.
Nicht missverstehen – es gibt einige Beispiele für Fanfiction, die stilistisch meilenweit über professionell erstellten und publizierten Prosawerken stehen. Aber sowohl «Fifty Shades of Grey» als auch «After Passion» begannen ihr Dasein als zügig erstellte, unpolierte Arbeiten, die aufgrund ihres enormen Online-Traffics nicht noch einmal ein vollumfassendes, sondern bloß ein lasches Lektorat erfahren haben. Und aufgrund des Erfolges der Druckausgabe und lukrativer Deals der Autorinnen hatten sowohl bei «Fifty Shades of Grey» als auch bei «After Passion» die Filmschaffenden nicht die nötige künstlerische Freiheit, um beim Sprung auf die Leinwand die Vorlage einmal gönnerhaft umzukrempeln.
Kurzum: Die episodenhafte und vor allem im Mittelteil so ziellose "Ich muss den Fans online in hoher Schlagzahl neues Material liefern, wen juckt schon inhaltlicher Fortschritt?"-Narrative bleibt auch in Filmform vorhanden. Genauso wie die krampfhaften Dialogpassagen, in denen die Figuren dick aufgetragene Formulierungen nutzen, dabei jedoch zumeist inhaltsarm bleiben und keine stringente Charakterskizzierung erfahren.
Um endlich die Vergleicherei hinter uns zu bringen: All dem zum Trotz zieht «After Passion» weit am ersten «Fifty Shades of Grey»-Film vorbei, der unter einer schädlich-fehlerhaften Darstellung der BDSM-Szene litt sowie an lähmenden Dialogpassagen sowie einem Jamie Dornan, der sich in seiner Rolle sichtbar unwohl fühlte und daher auch keinerlei Leinwandchemie mit seiner Filmpartnerin Dakota Johnson hatte. Gleichwohl bleibt «After Passion» hinter den «Fifty Shades of Grey»-Filmfortsetzungen zurück, die unter anderem durch ein eingegroovtes Zusammenspiel Dornans und Johnsons für eine beachtliche Qualitätskurve sorgten.
Was «After Passion», neben den zuweilen arg bemühten Dialogen, zurückhält, ist Ralph Fiennes' Neffe Hero Fiennes-Tiffin, der die Böser-Bube-Attitüde seiner Figur mit dem immerselben motzigen Gesichtsausdruck zur Schau stellt und der in Hardin Scotts netteren Momenten milchbubiesk-verloren dreinblickt – aber nie eine runde Figur abgibt. Mit seiner hölzernen Schauspielleistung hält er auch Szenen zurück, die eigentlich ganz keck geschrieben sind – wie ein augenzwinkerndes "Ich will mich nicht amüsieren"-Gespräch bei einem Hochzeitsempfang.
Der große Trumpf im Ärmel von «After Passion» ist derweil die Hauptdarstellerin: Josephine Langford, die Schwester der «Tote Mädchen lügen nicht»-Entdeckung Katherine Langford, ist super als Erstsemesterstudentin Tessa Young, die sich als freundliches Mauerblümchen erst noch im wilden Collegeleben zurechtfinden muss. Was Fiennes-Tiffin missen lässt, gleicht Langford doppelt und dreifach wieder aus: Praktisch im Alleingang macht sie die zwischen Abneigung und intensiver Attraktion schwankende Beziehung Tessas und Hardins glaubhaft, sie bewahrt selbst in den forciertesten erzählerischen Momenten eine liebenswerte Natürlichkeit.
Aber auch Regisseurin Jenny Gage sowie die Kameramänner Tom Betterton und Adam Silver sind ein Gewinn für diese scheue Liebesgeschichte: Dialogarme und wortlose Szenen sind, obwohl nur sehr wenig Haut gezeigt wird, dank der Kameraführung und der vorteilhaft glänzenden Lichtgebung von einer gewissen Sinnlichkeit, die das romantische Prickeln, das zwischen den Hauptfiguren existieren soll, visuell einfängt. Darüber hinaus ist die Körperlichkeit zwischen Tessa und Hardin in ihrer Chaotik zwischen kuschelig-sanfter Annäherung und hormoneller Ungeduld deutlich glaubwürdiger als man in einem Film mit derart dick aufgesetzten Nebenfiguren erwarten würde: Die scheue, unerfahrene Tessa schlingt sich etwa mehrmals um Hardin, nur um dann plötzlich das Tempo rauszunehmen und sich zu lösen, aber weiter zufrieden zu glühen – solch ein unstetes, der Figurenzeichnung aber entsprechendes Vorantasten gibt es nur sehr selten in Teenieromanzen zu sehen.
Diese Unsicherheit Tessas gilt auch für den Film, was je nach Publikumserwartung genau richtig oder fatal ist: Der Film ist sehr soft und 'vanilla', es gehört schon zu den visuell pikanteren Momenten, wenn Hardin nach dem Schwimmen seine Hand in Richtung von Tessas Darmbeinkamm bewegt. (Was für ein unsinnlicher Name für einen Beckenknochen!) Gage überlässt vieles der Fantasie, lässt es knapp außerhalb des Bildausschnittes geschehen – weiß aber auch genau, wie sie klare Andeutungen zu machen hat. Und so schafft sie es beispielsweise, auf Safer Sex hinzuweisen, obwohl sie nur das oberste Fünftel einer Kondompackung zeigt und in den Dialogen nicht einmal die Begriffe "Kondom" oder "Verhütung" vorkommen lässt. «After Passion» ist also scheu, aber nicht unschuldig. Es gibt einen Markt dafür, und er könnte schlechter bedient werden – er hätte es aber auch verdient, mit weniger platten Dialogen und einem weniger spröde-verkrampften Hauptdarsteller umgarnt zu werden.
Fazit: Scheues, sanftes Prickeln, statt deutliche Erotik: Die Teenieromanze «After Passion» ist nicht das, was das Marketing teilweise suggeriert, hat jedoch dank der tollen Hauptdarstellerin und mancher überzeugenden, dialogarmer Momente für seine wahre Kernzielgruppe durchaus was zu bieten. Einen schwachen Hauptdarsteller und verkrampfte Dialoge gilt es dennoch durchzustehen.
«After Passion» ist ab dem 11. April 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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