Es war eine ungewöhnliche Keynote für Apple-Verhältnisse: Keine neue Hardware, dafür viele Dienste, die teilweise erst im Herbst starten. Darunter auch Apples Frontalangriff auf Netflix und Co.
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Wenn Apple ruft, dann hat dies etwas Religiöses, Spirituelles, Missionarisches (Disclaimer: Der Autor dieses Textes nutzt ein iPhone). Die Jünger kommen ins Steve Jobs Theater, Journalisten markieren sich die Keynote-Termine als Top-Priorität. Apple-Chef Tim Cook spricht von Revolutionen, von bahnbrechenden Neuerungen und das Publikum im Saal klatscht brav, durchchoreografiert, bei jeder Gelegenheit. So auch an diesem Montag, als das Unternehmen die neuesten Services vorstellte. Es wurde keine neue Hardware präsentiert. Dafür unter anderem ein Magazin-Aboservice, ein Gaming-Aboservice – und eben AppleTV+, das lang erwartete Streaming-Angebot aus Cupertino.
Nüchtern betrachtet war aber die Enthüllung des Service genau das: nüchtern. Weder wurden neue, unbekannte Serien- oder Filmprojekte angekündigt, die nicht bereits zuvor bekannt gewesen wären und durch die Presse geisterten. Noch nannte man einen Preis für das Angebot. Und drittens startet es nicht wie vermutet in diesem Frühjahr, sondern erst im Herbst. Auch das ist ungewöhnlich bei Apple: Früher galt das Unternehmen als Meister der Geheimhaltung bei gleichzeitig wahnsinnig schneller Verfügbarkeit neu vorgestellter Produkte. Bei AppleTV+ trifft beides nicht mehr zu, nicht ansatzweise: Die vorgestellten Serienprojekte waren in Grundkonzepten bereits lange vor der Keynote bekannt, und der Service startet nicht morgen oder nächste Woche, sondern erst in ein paar Monaten.
Und vielleicht noch trauriger: Apple galt als innovativ, als Pionier, als Unternehmen, das mit Kreativität und Ideen den Alltag der Menschen besser macht. AppleTV+ ist dagegen nirgendwo neu, es ist ein Name für eine Ansammlung von rund 30 Serien, Filmen, Dokus und Shows, die mal mehr oder mal weniger interessant klingen. Aber irgendwie hat man das Gefühl, dass man mehr oder weniger den Netflix-Weg zu gehen versucht – nur mit anderen Namen. Mit Reese Witherspoon, Jennifer Aniston und Steve Carell beispielweise, die eine Drama-Serie über die Produktion einer Morning-Show drehen. Oder mit Steven Spielberg, der eine Neuauflage seiner SciFi-Serie «Amazing Stories» produziert – und nebenbei zuletzt kräftig Stimmung gegen Netflix gemacht hat. Oder mit M. Night Shyamalan, dem Regisseur und Produzenten, von dem Manche sagen, er habe nach «Unbreakable» keinen inspirierenden Film mehr gemacht.
Apple-Keynote: Amen
Es wird sich noch zeigen, ob manche Apple-Produktion vielleicht doch wegweisend und innovativ wird. Ob man Genre-Grenzen sprengt, mit Konventionen bricht – so wie Netflix es beispielsweise mit «House of Cards» oder «Orange is the New Black» vorgemacht hat. Allerdings: Zumindest liest sich kaum ein Apple-Projekt innovativ, und die Keynote bestätigte diesen Eindruck. Mit großen Hollywood-Namen versucht man zu punkten, allerdings verspricht dies nicht gerade den kreativen Ideenreichtum, den man vielleicht als neuer Player im Streaming-Business braucht, um erfolgreich zu sein. Amazon ist beispielsweise andere Wege gegangen, mit Autorenserien, unbekannten Köpfen, den Pilot Seasons.
Es mag ein böses Omen sein, dass gerade am Tag dieser Apple-Keynote Berichte auftauchten, YouTube steige aus dem Geschäft mit hochqualitativen Serien aus. Denn dieses Geschäft verschlingt Milliarden. Apple soll das Budget zuletzt deutlich erhöht haben, YouTube hat offenbar die Reißleine gezogen. Mit Netflix gibt es – derzeit – einen übermächtigen Konkurrenten, der einen riesigen Marktvorsprung hat. Um ihn ansatzweise anzugreifen, braucht es mehr als eine Oprah Winfrey, eine Reese Witherspoon oder einen Steven Spielberg.
Und wohl auch mehr als die vollends überzeugten Fans der iPhone-Schmiede. Apple – der Kult, die Religion. Selten wurde es deutlicher als an diesem Montag, als kaum substanzielle Neuigkeiten in einem 100-minütigen Gottesdienst gepredigt wurden. „Jeder von uns kommt mit großem Potenzial auf diese Erde“, sagt Oprah Winfrey bei der Vorstellung ihrer neuen Apple-Shows, die „eine Vision und Mission für das Wohl der Gesellschaft repräsentieren.“ Na dann: Amen.
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