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«Klassentreffen»: Wiedersehen mit Freu(n)den?

Jan Georg Schütte lässt wieder improvisieren: Nach Senioren-Speed-Dating und «Wellness für Paare» kommt nun das 25-jährige Klassentreffen früherer Freunde und Konkurrenten auf uns zu.

Cast und Crew

  • Regie und Rollenprofile: Jan Georg Schütte
  • Darsteller: Charly Hübner, Annette Frier, Kida Khodr Ramadan, Jeanette Hain, Oliver Wnuk, Fabian Hinrichs, Anja Kling, Anna Schudt, Nina Kunzendorf, Elena Uhlig, Aurel Manthei, Marek Harloff, Christian Kahrmann, Burghart Klaußner
  • Kamera: Oliver Schwabe
  • Schnitt: Benjamin Ikes
  • Musik: Francesco Wilking & Patrick Reising
Wenn Das Erste am 6. März zur besten Sendezeit «Klassentreffen» ausstrahlt, dann heißt es: Achtung, Verwechslungsgefahr. Denn hierbei handelt es sich nicht etwa um die Free-TV-Premiere des Til-Schweiger-Kinofilms «Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken»! Nein, stattdessen ist der schlichter betitelte «Klassentreffen» eine mit deutlich geringeren Mitteln umgesetzte und erzählte Komödie über das Wiedersehen früherer Schulkameradinnen und Schulkameraden. Was bei Schweiger ein hektisch geschnittener Wust aus Schimpf, Schande und Schnellfeuerslapstick sowie Farbfiltern ist, ist unter Jan Georg Schütte ein hauptsächlich in einer Gaststätte spielender, neuer Improvisationsfilm im Stile seines Grimme-Preis-Gewinners «Altersglühen – Speed-Dating für Senioren».

Ähnlich wie bei «Altersglühen – Speed-Dating für Senioren» das (thematische) Grundgerüst aus naheliegendem Gesprächsmaterial bestand, stützt sich auch «Klassentreffen» aus einer Mischung aus Klischees und allgemeingültigen Weisheiten rund umseine Ausgangssituation. Statt der Sorgen und Hoffnungen des Spätherbstes des Lebens, geht es in «Klassentreffen» um "Ja, was ist denn aus dir geworden?", "Ach, du bist ja echt immer noch der/dieselbe!?" und "Wieso haben wir uns nicht öfter gesehen?"

Dabei stützt sich dieses Impro-«Klassentreffen» auch partiell auf Konventionen dessen, wie Film und Fernsehen gemeinhin Klassentreffen darstellen. Da versucht wer, mit riesigen Gesten sein früheres Image vergessen zu machen und vielerorts wird, mal spielerisch, mal mit leichter bis schwerer Torschlusspanik gebaggert. Und Leute, die in der Schule nur ein bisschen miteinander zu tun hatten und die sich seither nahezu gar nicht mehr gesehen haben, schütten sich gegenseitig das Herz aus. Ein wiederkehrendes Element sind darüber hinaus Erinnerungen an einen berüchtigten Abend, als die ganze Klasse unter Drogen stand (teilweise unwissentlich), und wie manche diesen Abend romantisch als einen der Glanzmomente ihrer Jugend verklären und andere ihn verdrängen. Das ist arg bemüht und widerspricht dem, was den Reiz eines Improfilms eigentlich ausmacht.

Diese filmisch überbetonten Aspekte geben Schüttes «Klassentreffen» wohl gemerkt eine narrative Zugänglichkeit. Das verleiht einigen der Gesprächen eine erwartbare Marschrichtung mit klarer Vorbereitung und raschem Pay-Off – es ist aber auch abseits der Drogenabenderinnerungen gekünstelt und reibt sich mit der naturalistischen Inszenierungsweise. Reizvoller sind da schon die kleineren Augenblicke, jene, die auf theatralische Ausdrücke und die Verdichtung großer Charakterreisen auf wenige Sätze verzichten. Szenen, in denen allgemeingültiger und spekulativ zugespitzter, aber hoch plausibler Smalltalk Bände über die Situation Klassentreffen und das "Mitten im Erwachsenenleben stehen und kurzzeitig, heftig mit der Jugend konfrontiert werden" sprechen.

Da wären etwa die Figuren von Charly Hübner und Guido Renner. Sie haben gemeinsam, dass sie nun auf dem Klassentreffen allein schon mit ihrer Kleidung signalisieren, eine neue Identität zu haben. Guido Renners Ulli, der in der Schulzeit seine Homosexualität zu verdrängen versucht hat, hadert nun weniger mit seiner Sexualität, was dazu führt, dass er mehrmals darauf angesprochen wird und obendrein auch in seiner Abwesenheit zum Gesprächsthema wird. Renner spielt Ullis anfängliches Zaudern, gegenüber früheren Bekannten mit Selbstverständlichkeit darüber zu sprechen, und das sukzessive Auftauen sehr glaubwürdig und schrittweise zu einer der wenigen guten Seelen in diesem Film.

Hübners Krischi derweil latscht wie ein stocksteifes Markus-Söder-Double durch die Kneipe und ergänzt sein staubig-konservatives Auftreten durch regressive Rhetorik. Der Ehemann, Vater und Schuhfabrikant hat eine 180-Grad-Wende gegenüber seiner aufgeschlossenen Jugend gemacht und schwadroniert plötzlich davon, dass unser Land Klarheit und Strukturen bräuchte, weshalb es auch mal nötig sein würde, Menschen aus dem Land auszuschließen. Er sagt seinem ehemals besten Freund Ali (ein herrlich facettenreicher Kida Khodr Ramadan) sogar ins Gesicht, dass er sich wünscht, dessen Eltern seien vor 50 Jahren dort geblieben, wo sie hergekommen sind.

Hübner spielt Krischi nicht als jemanden, der auf dem Klassentreffen Streit sucht – wenn Leute seine hasserfüllte Weltsicht kritisieren, geht er in eine scheue Defensive, beschwichtigt mit "So kann man das sehen"-Floskeln und "Das ist deine Meinung"-Sätzen, ehe er in leisem Tonfall weiter regressive Anschauungen streut. Damit trifft Hübners Darstellung einen bestimmten Schlag Mensch auf den Kopf – auch wenn «Klassentreffen» als aus Gesprächsfetzen bestehender Improfilm keine Lösungsansätze bietet.

Eine weitere Rolle, die einen Großteil des Films schultert, ist die verstrahlte Marion, die eine Handvoll ihrer früheren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden als seltsam empfindet und die daher offiziell nicht eingeladen wurde – die aber auch mehreren Männern nachhaltig den Kopf verdreht hat. Jeanette Hain nimmt diesen Part und macht ihn sich mit Inbrunst zu eigen, sie lässt glatt den Wunsch aufkommen, «Klassentreffen» würde sich noch mehr um sie und ihre die Leute spaltende Ausstrahlung drehen: Hain lässt Marion in eigenen Sphären schweben, gibt ihr jedoch durch zielgenau gerichtete Blicke mehr Bodenhaftung viele andere Schauspielerinnen einer Figur mit diesem Profil zuschreiben würden.

Bedauerlich endet «Klassentreffen», nachdem es mit zunächst zögerlichen Gesprächen etwas Anlauf gebraucht hat, sehr abrupt mit einer raschen Abfolge von Geständnissen, Eskalationen und Versöhnungen. Alternativ gibt es aber auch eine ausgedehntere Serienschnittfassung, die mehr Figuren in den Fokus rückt und die Charakterisierungen genauer ausfeilt, wenngleich auch mehr Füllmaterial hat.

«Klassentreffen» ist am 6. März 2019 ab 20.15 Uhr, im Ersten und am 10. März 2019, ebenfalls ab 20.15 Uhr bei One in der Filmversion zu sehen. Als Serienschnittfassung wird «Klassentreffen» am 8. März 2019 ab 21.00 Uhr bei One gezeigt.
06.03.2019 07:17 Uhr Kurz-URL: qmde.de/107699
Sidney Schering

super
schade

39 %
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Klassentreffen

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