Ein gleichermaßen smarter wie harter Horrorthriller mit klugen Figuren und einem tollen Setdesign, dessen erzählerischer Überbau auch noch funktioniert – «Escape Room» ist ein erstes kleines Highlight im Genrejahr 2019.
Filmfacts «Escape Room»
- Regie: Adam Robitel
- Produktion: Neal H. Moritz, Ori Marmur
- Drehbuch: Bragi F. Schut, Maria Melnik
- Story: Bragi F. Schut
- Darsteller: Taylor Russell, Logan Miller, Deborah Ann Woll, Tyler Labine, Jay Ellis, Nik Dodani
- Musik: Brian Tyler, John Carey
- Kamera: Marc Spicer
- Schnitt: Steve Mirkovich
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Jemand auf die Idee kommen würde, das Prinzip sogenannter Escape Rooms zur Prämisse eines Films zu machen. Regisseur Adam Robitel («Insidious – The Last Key») ist damit auch gar nicht der erste, aber der erste, dessen Projekt groß angelegt auf die Leinwand gerät. Dabei orientiert er sich inszenatorisch an zwei Filmreihen, die ihre Hochzeit Mitte der Nullerjahre hatten: «Saw» auf der einen (der erst 2017 erschienene achte Teil ging sang- und klanglos baden) und «Final Destination», dessen Reboot angeblich kurz bevor steht, auf der anderen Seite. Das klingt nun so, als sei an «Escape Room» eigentlich nur die Grundidee des Escape Rooms neu und irgendwie ist das auch so. Aber als billige Kopie bekannter Franchises erweist sich der Film am Ende trotzdem nicht. Waren vor allem die «Final Destination»-Filme zuletzt immer eher morbide Komödien, in denen es vor allem darum ging, auf welch absurde Weise der Tod das nächste Mal zuschlägt, überboten sich die «Saw»-Regisseure darin, ihre zum Großteil unausstehlichen Protagonisten auf möglichst gewalttätige Weise ins Gras beißen zu lassen.
«Escape Room» hat am Umlegen seiner Hauptfiguren nun nicht ganz so viel Spaß, auch wenn das nicht bedeutet, dass es hier nicht durchaus auch kreativ gestorben wird. Die Atmosphäre ist allerdings von Grund auf spannend, die ausgetragenen Konflikte von einer angenehmen Ernsthaftigkeit geprägt und die tödlichen Unfälle passieren ohne die Hilfe einer übernatürlichen Kraft. Gleichzeitig wird Adam Robitel nie so explizit wie seine Kollegen in den «Saw»-Filmen und ist, was das Todesfallendesign angeht, trotzdem um Einiges kreativer als die «Saw»-Reihe in ihren letzten Atemzügen.
Zoey (Taylor Russell) ist eine gute Studentin, doch um sich aktiv an den Vorlesungen zu beteiligen, ist sie einfach zu zurückhaltend. Trotzdem hält ihr Dozent große Stücke auf sie, was Zoey veranlasst, an eine Aktion von ihm zu glauben, als sie eines Tages einen geheimnisvollen Würfel zugeschickt bekommt: die Einladung zu einem Abenteuer. Genau wie auch die Adrenalinjunkies Danny (Nik Dodani), Amanda (Deborah Ann Woll) und Ben (Logan Miller) findet sie sich daraufhin eingesperrt in einem sogenannten Escape Room wieder. Gemeinsam muss die Gruppe versuchen, sich mit Geschick und Körperkraft aus dieser misslichen Lage zu befreien. Doch schon wenige Minuten nach ihrem Einzug offenbart der Raum seine Gefährlichkeit. Möglicherweise werden gar nicht alle lebend dem Escape Room entkommen…
Mit seiner Abzählreim-Struktur lässt sich «Escape Room» durchaus eine gewisse Formelhaftigkeit vorwerfen; es ist eigentlich von Anfang an vorgezeichnet, worauf der Film in etwa hinauslaufen wird. Gleichzeitig spicken die Drehbuchautoren Bragi F. Schut («Der letzte Tempelritter») und Maria Melnik («American Gods») den Weg zum unausweichlichen Cliffhanger-Finale (das klingt jetzt weniger attraktiv als es tatsächlich ist) mit so einigen erzählerischen, vor allem aber visuellen Kabinettstückchen. In «Escape Room» ist genau dieser Weg das Ziel – und das bedeutet in diesem Fall das Design der einzelnen Räume, aus denen sich die vier Protagonisten mit Körper und Köpfchen befreien müssen.
Dabei steht und fällt mit den Hauptfiguren ein Großteil der erzählerischen Zugkraft. Würde Adam Robitel sie derart lieblos verheizen, wie es etwa in «Jigsaw» geschehen ist, würde sich wohl kaum einer ernsthaft für die Belange der Escape-Room-Clique interessieren. Doch das Skript holt aus den zunächst nur schablonenhaft eingeführten Charakteren nach und nach mehr Tiefe heraus; nicht zuletzt, weil der Filme viele Szenen aufweist, in denen die direkte Interaktion der jungen Erwachsenen besonders wichtig ist. In «Escape Room» geht es nicht einfach nur darum, sich möglichst schnell aus einer tödlichen Falle zu befreien. Stattdessen müssen vor allem Rätsel gelöst werden. Und über die verschiedenen Lösungswege erfährt man ganz nebenbei auch noch so Einiges über den privaten, vor allem aber über den Geisteszustand der Hauptfiguren, der (anders als bei einem Gros gängiger Horrorfilme) bei jedem von ihnen gefestigt ist. Die Hauptfiguren in «Escape Room» sind definitiv nicht auf den Kopf gefallen.
Dasselbe gilt auch für das herausragende Setdesign, denn mit welcher Kreativität die Macher hier einen Escape Room nach dem anderen kreiert haben, ist fast zu beeindruckend, um damit am Ende wirklich nur einen einzigen Film zu füllen. Insofern macht eine Fortsetzung nicht nur aus inhaltlicher Sicht Sinn (warum, darauf gehen wir aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht genauer ein), sondern vor allem aus optischer. Mal steht ein stinklangweiliges Bar-Setting einfach auf dem Kopf, ein anderes Mal sorgt ein von Stroboskoplicht geflutetes Zimmer für drogentripähnliche Gemütszustände. Und wieder ein anderes Mal steht die Truppe plötzlich mitten in der eiskalten Wildnis auf einem zugefrorenenen See; dieser Einblick in die Vielfalt dessen, was man in «Escape Room» an mit Todesfallen gespickten Räumen präsentiert bekommt, sollte ausreichen, damit sich erahnen lässt, wo die Reise in dem oder den nächsten Film(en) noch hingehen kann, zumal am Ende eben nicht nur die bloße Aneinanderreihung möglichst effektvoller Kills im Mittelpunkt steht, sondern auch der Storyüberbau funktioniert.
Apropos effektvolle Kills: Die FSK-Freigabe ab 16 lässt bereits erahnen, dass der Vergleich mit der «Saw»-Reihe allenfalls auf struktureller Ebene naheliegt. Allzu blutig wird es in «Escape Room» nicht; hier erinnert der Film dann schon eher an den artverwandten Sci-Fi-Thriller «Cube». Trotzdem geben sich die Darstellerinnen und Darsteller allesamt Mühe, die Todesangst der von ihnen verkörperten Charaktere greifbar zu machen. Vor allem Taylor Russell («Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie») funktioniert hier als ideale Identifikationsfigur, die mit den unvorhergesehenen Ereignissen genauso plötzlich konfrontiert wird, wie der Zuschauer selbst. Die einzelnen Wissensvorsprünge, die das Skript dem Zuschauer gewährt, sind dabei derart geschickt platziert, dass die filmische Spannung nie darunter leidet.
Trotzdem sind die einzelnen Rätsel immer abstrakt genug, um als angemessen hohe Hürde wahrgenommen zu werden. «Escape Room» ist keine bloße Schnitzeljagd mit Gewalteinlagen, sondern ein zu gleichen Anteilen anspruchsvoller wie adrenalingeladener Horrorthriller, bei dem einem die Schicksale der handelnden Figuren nicht egal sind. Vergleicht man das gerade mit den zu Beginn zu Vergleichszwecken herangezogenen Filmreihen, lässt sich in etwa absehen, was wohl passieren wird, wenn «Escape Room» zu einem Erfolg wird – und zum jetzigen Zeitpunkt ist er das bereits.
«Escape Room» ist ab dem 28. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
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03.03.2019 08:57 Uhr 1